Aber das Hotelleben ist teuer, es kostet durchschnittlich pro Tag 7 – 8 Dollar, d. h. nach deutschem Geld 16,80 – 19,20 Mark – Nun, mein Liebling, habe ich Dir wieder Stoff zu einer anderen Bluse gekauft, er kommt als Einschreibebrief mit gleicher Post an. Gefällt er Dir? Ebenso sende ich auch den Juwelenkäfer aus Colombo und die Kette aus Port Said mit gleicher Post ab. Ich habe eben beide Sachen verpackt und versiegelt. Die roten Siegel bedeuten je 1.000 Küsse. – Von ganzem Herzen hoffe ich, dass diese kleinen Andenken Dich bei bester Gesundheit erreichen und Dir meine Liebesgrüße überbringen.
Außer uns liegt noch ein amerikanisches Kriegsschiff, je ein russisches, englisches, dänisches, französisches, zwei chinesische und drei deutsche Kriegsschiffe im Hafen, d. h. auf dem Yangtse-Fluss, der an der Stadt vorbeifließt. – Nun werde ich Dir eine kurze Übersicht aufstellen, damit Du weißt wann Du von mir Nachricht bekommst, und wann Du Briefe an mich abschicken kannst. Die Post braucht von Berlin etwa einen Tag, so dass Du Briefe an mich immer einen Tag vor Abgang der Post aus Berlin abschicken musst.
Ab Tsingtau: An Berlin:
1.12.06 ab Shanghai 4.01.07
4.12.06 10.01.07
8.12.06 12.01.07
11.12.06 18.01.07
18.12.06 24.01.07
22.12.06 26.01.07
25.12.06 1.02.07
1.01.07 7.02.07
5.01.07 9.02.07
8.01.07 15.02.07
15.01.07 21.02.07
19.01.07 23.02.07
22.01.07 1.03.07
29.01.07 7.03.07
2.02.07 9.03.07
5.02.07 15.03.07
12.02.07 21.03.07
16.02.07 23.03.07
19.02.07 29.03.07
26.02.07 2.04.07
2.03.07 6.04.07
jeweils einen Tag später in Liegnitz
Ab Berlin An Tsingtau
11.01.07 18.02. 07
15.01.07 22.02.07
18.01.07 25.02.07
25.01.07 1.03.07
29.01.07 8.03.07
1.02.07 11.03.07
8.02.07 18.03.07
jeweils einen Tag später aus Liegnitz
Mein Herzensschatz, diese Daten werden unter allen Umständen eingehalten, weil die Dampfer (deutsche, englische und französische) als Postdampfer genau an die Zeit gebunden sind, es sei denn, dass ein Dampfer durch Sturm so lange Verzögerung hat, dass er nicht richtig ankommt. Meist kommen die Postdampfer aber ein bis zwei Tage früher an, als sie sollen. Wie Du aus der Zusammenstellung ersiehst, ist dieser Brief, der am 1. Dezember aus Shanghai abgeht, am 4.01.07 in Berlin und am 5.01.07 in Liegnitz. Eben habe ich mit viel liebevoller Sorgfalt die Marken der beiden Einschreibebriefe gestempelt. Natürlich darfst Du nicht denken, dass ich den Dienst des Markenstempelns selbst versehe, dazu habe ich selbstverständlich einen Schreiber, der alle Briefe stempelt bis auf meine.
N8/1 Briefnummer 14 – transkribiert von Bernd Liebig
Shanghai, 30. November 1906
… Noch ist die Post nicht auf dem Dampfer, sondern lagert noch auf dem deutschen Postamt hier, doch will ich eine passende Gelegenheit benutzen, um Dir mit nächster Post wieder zu schreiben. Morgen geht folgendes an Dich ab: 1 Brief, 1 Postkarte, 1 Einschreibebrief mit einer Bluse, 1 Einschreibebrief mit 1 Brosche und 1 Kette. Hoffentlich hast Du diese Sachen alle in gutem Zustand erhalten.
Ich bin heute mutterseelenallein an Bord, es ist jetzt 9 Uhr abends. Die anderen Herren sind zu einem großen Ball der englischen ersten Gesellschaft Shanghais gegangen, während ich es vorzog, dieser Einladung nicht zu folgen , da ich ohne Dich, mein Liebling, doch kein Vergnügen hätte. Hinzu kommt, dass ich heute recht, recht traurig bin; denn es kam wohl heute Abend Post, die ein französischer Dampfer für uns hatte, für mich waren zwei Glückwünsche von Kameraden dabei, jedoch wonach ich mich so sehr sehnte, nach einem Brief von Dir, Du mein Lieb, fand ich nicht in dem Postbeutel. Ich will Dir deshalb nicht im Geringsten einen Vorwurf machen; denn der Dampfer brachte die Post vom 20. bis 25. Oktober; wenn Du in dieser Zeit keinen Brief an mich abgeschickt hast, dann habe ich ja berechtigte Hoffnung auf einen lieben Brief bei der nächsten Post.
…Dein Bild ansah, gänzlich in Gedanken versunken, da weckt mich mein Bursche aus meinem Träumen, mit der Meldung, er müsse jetzt die Koje (Bett) für mich abdecken. Ich war eigentlich darüber recht böse. Über mir höre ich auch jetzt den gleichmäßigen Schritt des Wachpostens; jedoch können mich diese planmäßigen Geräusche nicht in meinen Betrachtungen stören...
…Heute traf ich mittags im Deutschen Klub mit einem Herrn zusammen, der mit mir auf dem Dampfer zusammen war. Dieser besagte Herr hat uns ohne unser Wissen im Vorbeigehen am Eingang des botanischen Gartens in Penang photographiert. Er gab mir heute einen Abzug und ich füge Dir ihn bei. Ich unterhandele gerade mit dem Kutscher unsres Wagens über den Preis und das Warten. Der Kerl konnte natürlich zu meinem größten Leidwesen kein Englisch verstehen, so dass es recht schwierig war, mich mit ihm zu einigen. Leider bin ich etwas verdeckt durch einen Neger, aber mein Gesicht wirst Du erkennen können. Es ist jedenfalls eine recht niedliche Aufnahme und wird Dir auch einige Freude machen. Ich habe mich riesig darüber gefreut.
Morgen früh 7 Uhr gehen wir von hier weg. Es soll, wie uns die Signalstation mitgeteilt, draußen schlechtes Wetter sein, wie gewöhnlich um diese Zeit. Hoffentlich kommen wir heil nach Tsingtau. Gute Nacht...
Kiautschou, das preußische Hongkong des deutschen Kaisers Wilhelm II
Siehe auch Band 42der maritimen gelben Buchreihe von Klaus Perschke
* * *
Bereits 1750 gab es an der Haipo-Mündung die Gründung einer „Handlungscompagnie von Emden auf China“. Also außer den Missionaren waren bereits vorher die ersten ostfriesischen Kaufleute aufgetaucht und hatten ihre Geschäfte mit den Chinesen abgewickelt. Diese kleine Kaufmannskolonie musste „rund hundert Jahre hilflos mit ansehen, wie imperialistische Großmächte das Land in Einflusssphären aufteilten“.
(Quelle: Bernd G. Längli, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918, Mittler Verlag)
Bereits 1860 gelangte eine preußische Expeditionsflotte nach Ostasien und erkundete die Gegend um die Kiautschou-Bucht. Im Jahr darauf wurde ein chinesisch-preußischer Handelsvertrag unterzeichnet. Nach seinen Reisen nach China zwischen 1868 und 1871 empfahl Freiherr Ferdinand von Richthofen die Bucht von Kiautschou als möglichen deutschen Marinestützpunkt. 1896 untersuchte Admiral von Tirpitz, damals Chef des Ostasiatischen Geschwaders, die Region. (laut Wikipedia)
Es war daher keine große Heldentat, als Deutschlands Seestreitkräfte am 14. November 1897 mit den beiden Kreuzern 1. und 2. Klasse „KAISER“ und „PRINZ WILHELM“ vor Tsingtaus Küste auftauchten und plötzlich säbelrasselnd an dem Strand landeten.
Tsingtau, 27. Januar 1898: Parade des Landungskorps des 1. Klasse Kreuzers „KAISER“ und 2. Klasse Kreuzers „PRINZ WILHELM“ vor Vizeadmiral Otto von Diederichs.
Quelle: Bernd G. Längli, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918,
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