Hongkong liegt sehr schön am Berge, ist englische Kolonie und Haupthandelshafen für die schwere Kanton-Seide. Für Dich habe ich eine weißseidene Bluse gekauft (d. h. Stoff hierzu), mit echter Handstickerei. Jedenfalls wird Dir der Stoff gefallen, er fand den Beifall sämtlicher Damen an Bord. Mit der Verteilung der Stickerei musst Du aufpassen, es sind: zwei Rückenstücke, zwei Seitenstücke, zwei Vorderstücke, ein Kragen und zwei Ärmelstücke. Lass Dir nur bald die Bluse (so bin in der Damengarderobe nicht bewandert) machen und schreibe mir, ob sie Dir gefällt, dann werde ich auch ´mal eine farbige Bluse mit Stickerei kaufen. Welche Farben liebst Du am meisten? Ich schicke Dir den Stoff durch meinen Kameraden, den ich hier ablöse. Er schickt sie Dir dann per Post.
Am 21. machte ich das Hochzeitsmahl von Fräulein Iffland, jetzt Frau Basse mit. Im vornehmsten Hotel – Hongkong-Hotel – war eine nette Tafel gedeckt, das Diner zählte „nur“ 32 Gänge; es war kaum zum Durchkommen. Hierzu gab es neben den besten Rot- und Weißweinen nachher nur Sekt – echten französischen. – Jedenfalls war die Feier ganz nett. Außer mir war noch der Kapitän des Schiffes, ein Korvettenkapitän (der Kommandant S.M.S. „TIGER“) und der Oberassistenzsarzt, Dr. Mann geladen. Herr Basse steht in chinesischen Diensten, ist der Direktor des chinesischen Arsenals in Shanghai, nebenbei chinesischer General mit dem Titel Exzellenz und Inhaber der höchsten chinesischen Orden, neben einigen preußischen. Seit 20 Jahren in China steht er in bedeutendem Ansehen bei der chinesischen Regierung. Ich werde in Shanghai viel im Hause dieses jungen Ehepaares verkehren. Abgesehen von seiner hohen sozialen Stellung ist er ein sehr reicher Mann. – Bei der kleinen Feier haben wir vielmals auf Dein Wohl getrunken. Haben Dir nicht die Ohren geklungen? – Nun sind wir auf der Reise nach Shanghai, wo wir am Sonntag ankommen. Ich steige aus und bleibe einige Wochen in Shanghai. – Das Wetter ist etwas bewegt, so dass das Schiff immerhin ganz nette Bewegungen macht, jedoch ist es noch zum Ertragen. Adieu, für heute…, morgen mehr.
24.11.1906
Einen herzlichen Morgengruß... Heute ist der vorletzte Tag an Bord des Dampfers, unentwegt streben wir unserm Ziele entgegen. Die Tropenhitze ist geschwunden und macht einer recht kühlen Temperaturen Platz, so dass abends schon dieser und jener einen wärmenden Mantel anzieht, wenn er nach dem Diner seine Abendpromenade macht.
Über die Zusendung des Blusenstoffes habe ich andere Bestimmung getroffen. Da wir in Shanghai ein deutsches Postamt haben, werde ich das Paket als Einschreibesendung befördern und den Inhalt zur Verzollung deklarieren. Das Kilogramm Seide kostet, glaube ich, 8 Mark Zoll. Die Bluse wiegt 250 g, mithin zwei Mark Zoll. Du bekommst vom Zollamt eine entsprechende Mitteilung und musst dann unter Bezahlung dieses Betrages das Paket vom Zollamt abholen. Es ist möglich, dass Du die kleine Sendung noch vor Neujahr bekommst. Ich will aber nochmals die Bitte und den Wunsch aussprechen, dass Du die Blusen pp. die ich Dir schicke, alle trägst und nicht für den Hamsterkasten reservierst. Hierfür werde ich sammeln und Dir die abgeschlossene Sammlung bei meiner Rückkehr persönlich überreichen. Bist Du mit meinem Vorschlag einverstanden, Herzelchen? Ich sehe schon immer die Blicke Deiner Kränzchenschwestern, wenn Du echt chinesisch herumläufst. Nun möchte ich auch gern für Mutter etwas schicken. Welche Farbe hältst Du für die passendste? Mit oder ohne Stickerei?
Meine Sachen habe ich schon wieder gepackt und ich kann aussteigen. Wenn ich nun den Schluss meines Aufenthaltes hier auf dem Dampfer ziehe, so muss ich das bekannte Wort anwenden: „Es ist nichts schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen!“ Denn ich werde mit jedem Tag übler gelaunt und sehne das Ende herbei. Morgen sind wir in Shanghai. Dann habe ich meine genaue Tageseinteilung, wenn auch der Dienst zu ertragen ist, etwa 1 – 2 Stunden pro Tag genügen, so habe ich doch das Gefühl der Verantwortung, welches hier vollständig wegfällt. Hinzu kommt, dass ich nicht weiß, was in der Welt eigentlich hergeht. Im Hafen hatte ich kaum Zeit, die notwendigsten Sehenswürdigkeiten zu betrachten, geschweige denn Zeitung zu lesen. Und nicht zum Wenigsten wird meine Stimmung dadurch herabgedrückt, dass ich so lange keine Nachricht von Dir habe. Das wird alles hoffentlich besser, wenn ich am Bestimmungsort angelangt bin. Dann bekomme ich mindestens jede Woche eine Nachricht von Dir, von den Eltern und Geschwistern.
Von Shanghai mehr...
N8/1 Briefnummer 13 – transkribiert von Bernd Liebig
Shanghai, 28. November 1906
Nach einigen aufgeregten Tagen der Aus- und Einschiffung, komme ich endlich wieder dazu, meinen ersten Brief von meinem Torpedoboot an Dich zu schreiben. Am 25. November – Sonntag – morgens 8 Uhr kamen wir auf dem Yangtse-Fluss an und wurden von einem kleineren Dampfer nach Shanghai gebracht, da der Postdampfer über eine vor der Stadt liegende Sandbank nicht hinweg kommt, seines großen Tiefganges wegen.
Torpedoboot „S 90“
Mein Torpedoboot war am Tage vorher meinetwegen von Tsingtau hierher gekommen, um mich abzuholen. Bei strömendem Regen ging ich an Land und wurde hier von zwei Kameraden recht herzlich begrüßt. Dann gingen wir zunächst in den Deutschen Club, um uns hier etwas zu restaurieren. Das Leben in Shanghai ist durchaus großstädtisch, natürlich nur in der Europäerstadt, die getrennt ist von der Chinesenstadt. Prachtvolle Bauten unten am Hafen geben der Stadt ein recht weltstädtisches Gepräge. Am Montag, 26. November, ging ich an Bord meines Bootes und übernahm die Kasse und die sonstigen Verwaltungsgeschäfte, die im Auslande recht vielseitig sind, weil ich hier nur mit Bankinstituten durch Wechsel, Schecks und was es sonst für Papiere im Geldverkehr gibt, arbeiten muss. Na, ich kenne ja das Ausland von früher. – Die Raumverhältnisse sind wie natürlich auf einem Torpedoboot ziemlich beschränkt. Wir sind zu vier Offizieren mit dem Kommandanten hier an Bord. Ich kenne diese Herren schon von früher. Daher wurde ich auch recht liebenswürdig empfangen und kann sagen, dass es mir verhältnismäßig ganz gut gefällt. Da jedoch die Räumlichkeiten etwas eng sind, werde ich in Tsingtau eine kleine Landwohnung mieten. Am Sonnabend, dem 1. Dezember geht es weiter nach Tsingtau.
Am 27. November – also gestern – hat ein englischer Dampfer den Blusenstoff als Einschreibebrief an Dich mitgenommen. Die Post trifft am 29. Dezember in Berlin ein, und Du wirst hoffentlich dadurch eine kleine Neujahrsfreude haben. – Nun endlich bekomme ich bald wieder einen Brief von Dir; denn morgen kommt ein französischer Postdampfer hier an. Wie freue ich mich darauf, denke Dir nur, Herzelchen, am 25. Oktober bekam ich die erste und letzte Nachricht von Dir, also vor fünf Wochen. Das war gleich eine nette Probezeit.
…Nun will ich Dir auch einmal eine kleine Beschreibung der augenblicklichen Szenerie geben. Ich sitze in meiner kleinen Kabine (Kammer bei Kriegsschiffen). Ein fester Schreibtisch besteht nicht, dafür muss mein Bursche vermittelst eines zu diesem Zwecke vorhandenen Brettes einen provisorischen Tisch herstellen, jedoch genügt er mäßigen Ansprüchen. Die Tür meiner Kammer geht nach der Offiziermesse, die jedoch ziemlich groß ist für ein Torpedoboot. Hier sitzen augenblicklich zwei Oberleutnants, einer namens Groos, mit dem ich schon früher an Bord war, der andere ein Freiherr von Doernberg, beim Frühstück. Beide stehen immer später auf, als ich. Sie erzählen mir eben ihre gestrigen Erlebnisse und erleben kann man in Shanghai recht viel, wenn man will. Denn was Shanghai an Vergnügungen biete, ist kaum zu beschreiben; da sind hochmoderne Balllokale, Spielhöllen a la Monte Carlo, Spezialitäten, na, man sieht, dass die Europäer hier im fernen Osten ebenso leben, wie in ihrer engeren Heimat. Nachmittags ist großer Wagenkorso; da kann man Equipagen sehen, wie sie kaum in der Heimat gebraucht werden. Überhaupt herrscht hier in Shanghai ein ganz enormer Luxus, Toiletten sieht man, wie in Paris. – Mein Verkehr beschränkt sich auf den Deutschen Club, das Vereinslokal der deutschen Kaufleute, und einige bessere Hotels. Entsprechend den teuren ostasiatischen Verhältnissen sind die Preise für alles recht hoch. Hier rechnet man nach Dollars, (1 Dollar = 2,41 Mark), ebenso wie in Deutschland nach Mark. Nun mach´ Dir einmal einen Begriff von den Ausgaben, die ein hier ansässiger Europäer hat, um leben zu können. Trotzdem sind die Lebensmittel an und für sich enorm billig; so kostet ein Pfund (500g) Rindfleisch 20 Pfennig, eine Taube 15 Pfennig, eine Ente 50 Pfennig usw.
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