Um die Strafe nicht zu vervielfachen, denn Adam und Eva vermochten sehr wohl noch sie zu verschlimmern, wenn sie vom Baum des Lebens assen, wurde der Erzengel Michael gesandt, um das Urteil am nahenden Morgen zu verkünden.
„Ihr habt vom Baum der Erkenntnis gegessen, obwohl ihr gewarnt worden wart, ihr würdet daran sterben. Nun müsst ihr dieses Paradies verlassen und euch einen Platz mit den gefallenen Engeln teilen. Abgefallen von der Göttlichkeit, werden sie eure Versuchung sein. Entweder werden eure Nachfahren ihnen erliegen, oder sie werden bekämpft, weil sie zum Göttlichen halten. Ihr habt die Dunkelheit gewählt und werdet darum hinab gestossen. Dieser Ort, eure neue Heimat, ist voller Mühsam. Was ihr hier so leichtfertig zur Verfügung hattet, kostet euch von nun an Schweiss und Blut. In eurer neuen Welt gelten die Gesetze der Natur und von nun an habt ihr sie zu fürchten. Leider habt ihr die Güte des Herrn nicht verstanden. Er wollte euch schützen und nicht vernichten. Aber durch die Erkenntnis des Bösen, habt ihr euch eine Last aufgebürdet, die ihr nicht tragen könnt. Darum wird der Tod für euch eine Erlösung sein! Dies ist nun euer Gefängnis und ein Ort der Strafe. Von nun an werden die Gedanken eurer Herzen ununterbrochen schlecht sein. Ruhm wird zur Erniedrigung, Freude zu Kummer und die Ruhe macht der Ohnmacht platz.“
Und so mussten sie ihr geliebtes Eden verlassen. Adam durch das Tor der Reue und Eva durch das Tor der Barmherzigkeit. Adam wurde gelehrt, dass er nur durch Reue zurückkehren konnte. Sie wurden zurück auf die Erde gesandt, woher man sie aus dem Staub genommen hatte. Sie kamen auf die leere und wüste Erde, welche viel älter war als ihr Garten Eden. Und diese spürte den Fluch ihres Sündenfalls, denn sie war so, dass es für jedes Gute etwas Böses gab und umgekehrt. Und so gelangten sie in diese Trostlosigkeit. Sensibel wie sie waren, verspürten sie nun ein Verlangen, das ihnen bisher unbekannt war. Ein fremdes Leiden, welches ihr Körper verursachte und in ihr Bewusstsein eindrang. Es musste wahrlich die Hölle sein. Hitze und Durst quälten sie und sie mussten erst noch lernen, den Bedürfnissen des Leibes nachzukommen. Ihre einst klaren Gedanken, verdüsterten sich. Dieser neue Zustand kostete sie viel Kraft und Überwindung. Nun verspürten sie eine Müdigkeit, welche weder von harter Arbeit, noch von zu wenig Schlaf kam. Eine unbekannte Macht erdrückte sie in dieser Trostlosigkeit. Sie mussten dagegen ankämpfen, wovon sie instinktiv wussten, dass es falsch und vielleicht sogar Böse war. Auch fürchteten sie sich sehr vor der Dunkelheit, welche jeden Tag vernichtete und bangten, um das Licht des Morgens. Antriebslos und ohne Ziel, versuchten sie sich hier in dieser fremden Welt zurecht zu finden, ohne zu wissen, welcher Sinn dahintersteckte und welchem Schicksal sie sich verpflichtet fühlen sollten. Sicherlich, eines war ihnen klar. Sie hatten das perfekte Geschöpf, welches sie darstellten, entweiht. Sie hatten, ohne es zu erkennen, einen Sündenfall geschaffen, welcher wohl so schlimm sein musste, dass sich dieser von Generation zu Generation weitervererben würde und bis zum Ende aller Tage die Bürde der Menschen und ihren Tribut gegenüber dem Herrn darstellen würde. Ohne Böses zu wollen, war es geschehen.
Aber sie waren nicht die Ersten in dieser trostlosen Gegend und blad schon sollten die Beiden ihre Mitbewohner kennenlernen. Samael und die Seinen kamen auf sie zu. So sanftmütig und ohne Falschheit, wie Adam und Eva noch waren, war ihnen deren Hass auf ihr Geschlecht gänzlich unbekannt.
„Sieh an!“, rief Samael, „Leider hat es für die Unsterblichkeit nicht gereicht. Dennoch kann hiermit der Wettstreit um die Gunst des Göttlichen und um die Wahrheit beginnen. Nun, wo ihr uns gleichgestellt seid, bis an dem Tag, an dem ihr erlöst werdet. Hiermit beginnt der Kampf zwischen uns und eurem Samen. Ihr werdet in unserer Hand sein, bis eure Schuld getilgt wird und ihr freikommt. Solange seid ihr unter meiner Herrschaft. Denn ihr habt auf mich gehört und die Dunkelheit dem Licht vorgezogen und somit gegen das Göttliche gesündigt. Da wir nicht wissen, wann ihr freigekauft werdet, werden wir eurem Geschlecht den Kampf erklären und euch mit Leid überziehen, wie ihr es euch verdient habt und der Tod wird auf euch und eurem Samen nach euch lasten. Dieser Ort ist kein Platz des Friedens, sondern ein Schauplatz der grössten Konfrontation. Wir werden eure Hoffnung vernichten, denn wir haben keine Hoffnung. Wir werden nicht erlöst, denn wir haben keine Fehler begangen. Wir haben euch zu uns genommen, indem ihr von der Frucht des Baumes der Erkenntnis gegessen habt. Wir haben euch bewusstwerden lassen, wie ihr wahrlich seid und durch uns erkanntet ihr eure Fehler. Wenn ihr in einen Spiegel blickt, so seht ihr eure wahre Natur, aber diese Wahrheit ist ein Geheimnis zwischen euch und uns. Etwas, das ansonsten niemandem aufgefallen ist, oder gestört hätte. Aber wenn ihr perfekte Menschen seid, so vermehrt euch und beweist dies!“
So blieben die beiden Menschen verstört und hoffnungslos zurück. Doch der Herr hatte eine Botschaft für sie. Durch die drei Erzengel, ließ er ihnen die ersten weltlichen Güter zukommen. Der Erzengel Gabriel, brachte Weihrauch aus dem Garten, als Symbol für das helle Licht, das gewesen war und ihnen genommen wurde. Es stammte aus der Ostgrenze des Gartens, als Zeichen der Göttlichkeit. Erzengel Raphael brachte ihnen Myrrhe, als ein Zeichen für die Trauer, dieser so unglücklichen Umstände. Um sie zu trösten. Es stammte aus der westlichen Grenze, aus der die Bitterkeit über Adam kam. Als Letzter brachte Erzengel Michael Gold aus dem Osten, als ein Bekenntnis des Reiches, woher sie gekommen waren. Und als die Beiden die Geschenke annahmen, freuten sie sich und weinten gleichzeitig. Nun war ihnen bewusst geworden, was sie so achtlos aufs Spiel gesetzt hatten. Aber gleichzeitig keimte eine neue Hoffnung auf Vergebung in ihren Herzen. Sie mochten einen Fehler gemacht haben und Generationen nach ihnen mussten dafür büssen. Doch das hiess nicht, dass für sie das Himmelreich für immer verschlossen blieb. Nur wegen dieser Ursünde waren sie nicht vollkommen von Gott abgefallen. Alle nach ihnen hatten eine gerechte Chance auf Reue und Erlösung. Dieser eine Fehler besiegelte nicht ihre Zukunft. Aber sie hatten etwas ins Rollen gebracht, das der Herr versucht hatte zu verhindern. Nicht einmal die Engel wussten um die Wahrheit des Bösen. Doch der Mensch besaß nun die Fähigkeit, diese aufzudecken. Vergebens hatte der Herr versucht, die Anderen davor zu bewahren. Seine Bürde sollte nicht geteilt werden. Und so versprach der Herr, diese Sünde auf sich zu nehmen und dadurch für immer fort zu nehmen. Weiter versprach er, sein Blut für Adam und Eva zu vergiessen und ihnen einen Altar zu errichten, um sie so zu ehren. Damit nährte er die Hoffnung und den Glauben an die Zukunft, die Freude auf das Ende aller Tage.
Und somit versuchten Adam und Eva sich mit ihrem Schicksal abzufinden. Sicherlich, im Vergleich zum Garten Eden war es ein Schock, so ungewöhnlich fremdartig. Sie stiessen auf einiges, wogegen sie eine abwehrende Haltung hatten. Doch ihre Kinder und deren Nachkommen, würden diese Hemmungen überwinden. Sie würden in dieser Welt geboren werden und nicht wissen, welch herrlicher Ort ansonsten noch existierte. Für sie würde Geborgenheit, Liebe, oder Friede eine völlig andere Bedeutung erhalten und es würde ihnen leichter fallen, das so hinzunehmen. Nur die Eltern würden noch wissen, was sie ihren Kindern nicht mehr bieten konnten. Und auch wenn das Gefühl, schlechte Eltern zu sein, nicht weichen wollte, so brauchte man keine Angst zu haben, dass die eigenen Kinder diese Ansicht teilten. Schliesslich konnte man nichts vermissen, was man nicht kannte. Diese Bürde mussten die Beiden unter sich alleine teilen. Für sie gab es nun eine grosse weite Welt, die es zu entdecken galt. Auf sich alleine gestellt, immer nach der Frage, was war Gut und was war Böse. Sie fühlten sich zu so vielem hingezogen, dass die Beiden bisher nicht gekannt hatten und so verführerisch auf sie wirkte. So lernten sie nun ihr Geschöpf besser kennen, in einer der Natur unterworfenen Dimension. Licht und Schatten, aber auch Höhen und Tiefen. Etwas, das es früher nicht gab. Diese neu gewonnene Freiheit, war lediglich zum Anfang etwas befremdlich. Bald schon gewöhnte man sich daran und lernte es zu schätzen.
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