Wie ich am Wachtturm vorüberglitt, begannen die Wächter zu schiessen und eine Zeitlang flogen mir die Kugeln pfeifend um den Kopf. Der Palast mit den schiesswütigen Kerlen war glücklicherweise rasch ausser Sichtweite und ich näherte mich einer Gebirgsgegend, als die Sonne über den Horizont stieg. In diesem Augenblick begann der Teppich zu trudeln und mit annähernder Fallgeschwindigkeit, raste ich in ein enges Gebirgstal. Al hamd ul lllah , Gottseidank war hinter der hohen Bergkette noch etwas Dunkelheit, so konnte ich sanft auf einem vorstehenden Felsen landen.
So, da war ich nun, etwa 500 Meter über dem Talgrund auf einer schmalen Felsenkante. Vermutlich war ich irgendwo in Afghanistan gelandet.
Mein Aufenthaltsort war nicht gerade komfortabel.
Es war ein sehr schmales Felsband, etwa einen Meter breit. Vorne ging es, wie gesagt, 500 Meter senkrecht hinunter und hinter mir ebenso weit hinauf. Und hier hatte ich also den Tag zu verbringen, ohne zu essen und zu trinken und immer in Lebensgefahr, denn wenn ich zum Beispiel einschlafen würde . . . brr! mir grauste vor dem Gedanken, oder wenn mir der Teppich runterfallen würde, da könnte ich in luftiger Höhe schauen, wie ich da wieder herunterkam.
Die Sonne begann nun allmählich das Tal zu erwärmen, so war mir wenigstens nicht mehr so kalt, aber einsam war es schon hier oben. Das heisst, nicht mehr lange, denn plötzlich schoss ein riesiges Etwas auf mich zu, verfehlte mich um Haaresbreite und segelte dann wieder weg. Welch furchtbarer Schock! Vor Schrecken wäre ich beinahe in die Tiefe gestürzt. Nun sah ich den Angreifer: Einen riesigen Adler! Er brauchte wohl Nahrung für seine Brut und so versuchte er den fetten Brocken in den Abgrund zu schmettern. Er kurvte nun wieder in die Höhe und eh ich mich versah, startete er den zweiten Angriff und sauste wieder haarscharf an mir vorbei . Aber diesmal hatte ich mich dicht an die Felswand gepresst und so verfehlte er mich ein zweites Mal. Als er zum dritten Angriff startete, dachte ich mir, dass ich ihn irgendwie abschrecken wollte, wenn er wieder angeflogen kam. Dem Kerl wollte ich einen Denkzettel verpassen.
Wie er also wieder heranpfeilte, versuchte ich ihm mit der Teppichrolle eins auf den Kopf zu hauen, aber er hatte meine Kriegslist irgendwie durchschaut und statt mich anzugreifen, packte er mit seinen Krallen den Teppich und entriss ihn mir und flog mit seiner Beute zum Horst. Na, ja, das mussten vornehme Adlerehen sein, wenn die auf einem echten antiken Perserteppich ihr Futter serviert bekamen.
Aber plötzlich wurde mir bewusst, dass ich ja ohne diesen Teppich nie mehr hier herunter kam. Da war ich nun wirklich in eine ganz verrückte Situation geraten!
Was konnte ich nur tun? Ich musste irgend etwas unternehmen, aber was? Hinunterklettern? Der reine Wahnsinn ohne Bergseil!
Ich beugte mich mal über meinen Hochsitz und sah, dass die Wand unter mir glatt war, wie eine Spiegelfläche. Kein Griff, kein Halt war da zu sehen.
Über mir war der Fels etwas besser, aber ich bin nun mal kein passionierter Fassadenkletterer.
Dann untersuchte ich das Felsband, auf dem ich gelandet war und sah, dass es nach Norden hin sich fortsetzte, aber rasch schmaler und schmaler wurde. Es war äusserst gewagt, sich dem, stellenweise nur zentimeterbreiten Weg anzuvertrauen, aber es war nun mal meine einzige Möglichkeit hier wegzukommen und so tastete ich mich Fuss um Fuss vorwärts, hart an die Wand gedrückt. Ich hatte schon ein paar Meter hinter mich gebracht, als ich an eine Felskante kam. Mit viel Mühe konnte ich sie umklettern. Auf der anderen Seite öffnete sich eine tiefe Schlucht im Fels und, etwa zwei oder drei Meter unter mir sah ich auf einem Felsvorsprung den Adlerhorst mit zwei Jungen drin.
Die Eltern waren wohl auf Futtersuche.
Die Jungen hatten mich schon gesichtet und sperrten hungrig ihre Schnäbel auf, dazu fauchten sie, wohl in freudiger Erwartung der knackigen Beute da oben.
Neben den Jungen, ganz am vorderen Rand des Horstes aber lag mein Teppich. Mein Entschluss war rasch gefasst. Ich liess mich einfach runterfallen ins Adlernest.
Der Aufprall war hart und schmerzhaft und erschreckte vor allem die beiden Vögel, die wie wild um sich schlugen und dabei den Teppich über Bord schmissen.
Zu dritt beobachteten wir, wie er langsam und majestätisch durch die Luft segelte. Nun konnte ich nur noch warten, bis die Adlereltern zurückkamen und mich in schnabelgerechte Bissen für ihre Jungen zerhackten.
Und schon kam der erste Adler angeflogen, und ich traute meinen Augen kaum: mit dem Teppich in den Fängen.
Er hielt ihn offenbar für etwas Fressbares und brachte ihn deshalb wieder zurück. Man kann sich vorstellen, mit welchen Gefühlen ich die Wiederkehr meiner einzigen Rettung entgegensah. Ich dachte nun, dass mich der Adler angreifen werde, aber er machte keinerlei Anstalten. Er lieferte den Teppich ab und flog dann wieder weg.
Trotz des lauten Protestes der Jungvögel nahm ich den kostbaren Teppich an mich und wickelte ihn um meinen Leib. In regelmässigen Abständen kamen nun die Adler angeflogen und brachten uns frisches Fleisch, wobei sie mich ebenso füttern wollten, wie die andern beiden Nesthocker. Ich brauchte also hier nicht zu verhungern und wäre gerne noch länger hier geblieben, wenn es nur nicht so grauenhaft gestunken hätte.
Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hatte, war der Gestank so stark, dass ich lieber eine waghalsige Bergtour riskierte, als noch länger hier zu bleiben.
Ich hatte nämlich gesehen, dass etwa zwei Meter weiter unten ein anderes Felsband begann, das ins Dunkel der Schlucht führte. Ich nahm all meinen Mut zusammen und rutschte hinab. Dann folgte ich dem Pfad in die enge und immer enger werdende Schlucht. Schliesslich wurde die Dunkelheit so gross, dass ich keinen Weg mehr erkennen konnte.
Ob wohl hier mein Teppich funktionierte? Versuchen konnte man es allemal.
Und es ging wirklich!
Ganz sanft schwebte ich zum Grund der Schlucht und weiter zum Talausgang, bis es wieder heller wurde. Dort landete ich sanft auf einem weichen Moospolster.
Und hier würde ich bleiben bis es Nacht wurde. Hier brachten mich keine hundert Rosse weg! Ich machte es mir auf meinem Teppich bequem und schon nach wenigen Minuten schlief ich tief und friedlich.
Durch einen stechenden Schmerz an der Hüfte erwachte ich jäh und wie ich die Augen öffnete, blickte ich in drei bärtige Gesichter, die mich aus bösen Augen anstarrten.
Ein weiterer Fusstritt liess mich aufspringen, aber im nächsten Augenblick lag ich wieder am Boden, gefesselt und verschnürt wie ein Postpaket.
Ich war irgendwelchen Räubern in die Hände gefallen.
Während sie mich am Sattel eines Pferdes festbanden, prüfte einer den Wert meines Teppichs und da er ihn offenbar für wertlos hielt, wollte er ihn wegwerfen. Ich versuchte ihm zu erklären, dass dies mein Gebetsteppich sei, was er rasch begriffen hatte und so warf er ihn über den Sattel, damit er etwas bequemer sitzen konnte.
Nun ging es hinaus ins Haupttal, dann auf steinigem Weg talaufwärts. Mir machte die grosse Hitze arg zu schaffen, obschon mir die Räuber von ihrem stinkenden, fauligen Wasser aus den Ziegenschläuchen, die an den Pferden baumelten, zu trinken gaben. Am späteren Nachmittag machten sie Halt. Ein Feuer wurde entfacht und sie kochten Tee, von dem sie auch mir jede Menge zu trinken gaben. Mir schien, als ob sie allmählich freundlicher und umgänglicher würden. Etwas später zog einer aus einem Sack zwei prächtige Hirschkeulen und begann sie zu braten. Das war ja ein Duft!
Während wir alle mit wässerigem Mund aufs Abendessen warteten, begann einer der Räuber seine Beute auszupacken. Ich verstand nicht, wovon sie redeten, aber ich sah, dass sie sehr zufrieden, ja, fast übermütig waren. So zeigten sie mir auch, was sie erbeutet hatten. Viele Goldstücke, Edelsteine und Schmuck lag da vor mir auf den Steinen.
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