Wenn Unrecht zu Recht wird,
wird Widerstand zur Pflicht!
Bertolt Brecht, 1898-1956
In der Kindheit nehmen Geisteshaltungen ihren Anfang und haben die sich erstmal eingeprägt, kleben sie dort fest, denn umdenken strengt den Kopf zu sehr an.
Die größten Laster der Menschheit
sind die Dummheit und die Bequemlichkeit.
Professor Franz Martin Schmölz, 1927-2003
Oft wird Toleranz auch mit Wurstigkeit verwechselt – ist ja auch bequemer, die Dinge einfach laufen zu lassen.
Ich erinnere mich an eine Klasskameradin, die meinte, bei uns wäre der Kapitalismus richtig, für Entwicklungsländer der Kommunismus. Mit einem derartigen Spagat wollte sie sich die Analyse der Systeme sparen.
Ich fand diese Einstellung oberflächlich, da keine Staatsform nur für einen Teil der Menschheit taugen kann. Ist ein staatliches System durchdacht, ist es überall anwendbar. Und wird es zurecht kritisiert, ist es überall untauglich, denn Mensch bleibt Mensch, egal welcher Rasse.
Inzwischen sind kommunistische Staatsgebilde zusammengebrochen, weil sie sich als Diktaturen von Parteibonzen entpuppten. Die Zeit des Turbo-Kapitalismus geht ebenso ihrem Ende zu, denn zunehmend wollen sich Leute nicht länger von der Industrie bevormunden lassen. Fragt sich nur, wie lange es noch dauert, bis es den überheblichen Wirtschafts-Dinos an den Kragen geht…
Ökonomen haben schon vor Jahrzehnten festgestellt, dass eine Volkswirtschaft am stabilsten ist, wenn sie von vielen kleinen Unternehmen getragen wird. Geht eins zugrunde, reißt das kein so tiefes Loch, als wenn ein Konzern pleite geht. Das haben CSU-Politiker nicht beherzigt und unterstützen Siemens mit Steuerfreiheit, obwohl die das weder nötig haben, noch dafür Arbeitsplätze erhalten.
Ich frage mich, wozu Fabrikanten und Manager Geld anhäufen, das sie nicht benötigen, dafür ihren Mitarbeitern ein ausreichendes Entgelt verweigern und ihren Kunden verfälschte Waren oder Produkte zu überhöhten Preisen andrehen. Wieso lassen Politiker unmäßige Gier gewähren, anstatt sie zu unterbinden? Weil auch sie raffgierig ticken? Wenn die Unternehmen Lobby und Parteispenden sparten und das Geld ihren Mitarbeitern zukommen ließen, wäre Korruption überflüssig.
In einer fairen Gesellschaft braucht es:
Regeln für einen gerechten Mindestlohn,
eine gesetzlich geregelte Beteiligung für Erfinder,
begrenzte Gewinnspannen im Handel und
eine Deckelung von Managergehältern.
Warum werden Politiker gewählt, die das verhindern? Weil das Volk selbst immer gieriger wird: Einesteils nimmt die Jagd nach Schnäppchen überhand, andrerseits wird auch da gestreikt, wo das verboten gehört.
Es ist unsozial, wenn öffentliche Verkehrsmittel ausfallen, Kindergärten dicht machen oder in Krankenhäusern Hilfe versagt wird. Sowas zeugt von einem Mangel an Verantwortung gegenüber jenen, die auf diese Dienstleistungen angewiesen sind.
Warum wird überall kleinlich gefeilscht und erpresst?
Warum finden Tarifpartner kein gutes Einvernehmen?
Weil keiner gelernt hat, die Belange der anderen zu beachten, Scheuklappen aus Geiz und Gier herumträgt und aus Geltungssucht Recht behalten will.
Vermeiden lässt sich eine derartige Egomanie nur durch moralische Erziehung im Kindesalter und eine Ächtung vonseiten der Gesellschaft. Wenn jeder, der sich ungerecht verhält, nicht wegen seines Reichtums hofiert, sondern aufgrund seines schäbigen Charakters schief angesehen würde, hätten die Schmarotzer an der Spitze keine Freude mehr am unverdienten Luxusleben.
Was wir brauchen, ist ein Rahmen an sinnvollen Regeln, die Gerechtigkeit garantieren und damit der Gesellschaft den nötigen Zusammenhalt geben.
Eine Kanzlerin, die in einem Interview irritiert zurück fragt: „Ja, was haben wir für Werte?“ ist ein beschämendes Beispiel für den geistigen Zustand der Nation und erst recht für den ethischen Horizont einer Pfarrerstochter…
Doch warum funktioniert moralische Erziehung nicht?
Die Eigentlich-Fraktion
Es ist ja nicht so, dass viele Eltern nicht wüssten, welche Werte unter zivilisierten Menschen gelten sollten.
Nur geben viele diese äußert dilettantisch weiter. Wie findet moralische Unterweisung meist statt? Aus gedankenloser Affenliebe heraus zögern Eltern, ihren Kindern deutliche Grenzen aufzuzeigen. Die Kleinen könnten ja beleidigt sein und ihre Erzeuger nicht mehr lieb haben…
Diese Fraktion der verängstigten Sanftmut begeht mit ihren halbherzigen Ermahnungen erzieherischen Schiffbruch:
Fehlverhalten zu tolerieren mit dem Hinweis, eigentlich müsse das anders laufen, ist daneben, denn einprägen tut sich das Kind, was es ungehindert tut. Den Hinweis, was eigentlich richtig wäre, vergisst es oder übernimmt ihn als Imagepflege. Die Auswirkung solcher Halbherzigkeit auf den Zustand der Welt ist zerstörerisch: Wie viele Politiker wissen, was eigentlich nötig ist und tun es trotzdem nicht?
Der Club von Rom veröffentlichte 1972 den ersten Bericht über die Folgen der Umweltverschmutzung – erst 20 Jahre später wurde weltweit über Umweltschutz geredet, das Notwendige getan wird bis heute zu wenig, obwohl das Fernsehen nicht müde wird, über die fatalen Auswirkungen zu berichten und Änderungen anzumahnen. Letzteres tun die Mahner allerdings, indem sie gleich die gesamte Menschheit in Sippenhaft nehmen: Weder geldgierige Konzernbosse werden angeklagt, noch jene Politiker, die Umweltsünden herunter spielen: Stattdessen heißt es:
„Wir zerstören den Ast, auf dem wir sitzen!“
Geht 's noch? Urvölkern im Dschungel und Bewohnern absaufender Südseeinseln, aussterbender Flora und Fauna hilft kein mitleidiges Gejammer und machtlose Bürger brauchen schon gar keine Schuldkomplexe!
Die verantwortlichen Täter
müssen von beherzten Politikern gebremst werden!
Der Inkonsequenz von oben entspricht die des Fußvolks: Man kehrt Sünden unter den Teppich, schweigt betreten still, und tut, als sei nichts gewesen. Wer was mitbekommt, schaut weg – schließlich will man es sich mit dem Schuft von nebenan nicht verderben.
Aber hallo! Sollten nicht die Übeltäter befürchten, es sich mit allen anderen zu verderben? Lässt man die Schurken gewähren, treiben sie es immer schlimmer. Steht wirklich mal einer auf und prangert die Missstände an, wird er als Nestbeschmutzer verteufelt – so einer könnte ja womöglich auch die eigenen Leichen im Keller aufdecken…
Anstatt für saubere Verhältnisse zu sorgen, macht sich eine Erpresser-Kultur breit: Mitwisser baden sich im Gefühl, die Missetäter in der Hand zu haben und erschleichen sich damit Vorteile. Die überbordenden Fernsehkrimis zeigen ja tagtäglich, wie 's geht. Dass es für ihn selbst im Endeffekt schlecht ausgeht, glaubt ja kein Schlauberger, der sich lieber ein Sümmchen erschleicht, anstatt es sich zu verdienen.
Doch woher kommt diese Denkungsart?
Drohgebärden nach dem Motto 'wenn – dann' beginnen schon in der Familie. Auch vielen Eltern fällt selten was Klügeres ein, als sich wie Trotzköpfe zu verhalten. Es ist ja auch so einfach, dem Partner zu drohen, um die eigenen Wünsche durchzusetzen. Mit den Kindern wird auch nicht anders umgesprungen, weil das am Einfachsten erscheint. Die finden diese Art der Konfliktbewältigung dann normal und lernen: Man suche die Schwachstellen des anderen und setze ihn schamlos unter Druck, damit der hilflos nach der eigenen Pfeife tanzt. So wird kriminelles Verhalten schon in der Kinderstube gelehrt, ohne dass sich die zickigen Eltern dessen bewusst sind, denn selbstkritisch nachzudenken, ist in solchen Kreisen nicht üblich.
Zuverlässigkeit und Anstand
Ruppige Erpressung ist nicht das gleiche, wie das Aufzeigen der Folgen, die aus einem Umstand entstehen. Wie bringt man Kindern bei, sich im Alltag anständig zu verhalten?
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