1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Endlich schaffte Juan, die Tür, die öfter klemmte, aufzuschließen. Sofort drängelten die Leute rücksichtslos in den Verkaufsraum, setzen ohne Hemmungen sie hierbei ihre Ellenbogen ein. Carmen eilte, so rasch es ihre füllige Gestalt erlaubte, hinter den Verkaufstresen. Unweigerlich kam ihr voluminöser Busen dabei heftig in Bewegung. Sie warf den schwarzen Zopf, in dem sich einige graue Strähnen zeigten, in den Nacken. Die vollen, breiten, knallrot geschminkten Lippen lächelten. Strahlend trällerte sie:
"So, wer war denn der Erste?"
Wie erwartet schrie jeder:
"Ich, ich, ich."
Vom Ende der Schlange, drängelte Carl Snider aggressiv nach vorn. Rücksichtslos schob er die, die ihm den Weg versperrten, zur Seite. Kathrin Weaver, Sekretärin im Rathaus, kam dabei zu Fall.Sich den schmerzenden Ellenbogen reibend schimpfte sie:
"Was soll das Snider! Warum drängelst du dich vor. Stell dich dahin, wo du gestanden hast. Immer hübsch der Reihe nach, wie es sich gehört."
Mit knallrotem Kopf wandte der Getadelte sich ihr zu:
"Halt die Schnauze du Schlampe, habe keine Zeit zu warten, Schließlich muss ich gleich die Bäckerei aufmachen."
Die Leute murrten, sie wussten, Sniders Angestellte schloss stets das Geschäft auf. Rick überlegte, ob er eingreifen sollte. Als die Leute sich schließlich beruhigten, beschloss er, den Vorfall auf sich beruhen zu lassen und sich stattdessen seinem Kaffee zu nähern.
Carmen seufzte aus Sorge, der Krawall könnte wieder aufwallen. Unweigerlich geriet ihre Oberweite dadurch erneut in Wallung. Ihre schwarze Augen flehten Juan um Hilfe an. Der zuckte die Schultern, hob die Augenbrauen, neigte den Kopf zur Seite und fing an, Prospekte zu ordnen, die nicht geordnet werden mussten.
Schließlich stellte sie sich der ungeduldigen Meute, allen voran Carl Snider, der sie mit wutverzerrtem Gesicht ungehalten an funkelte.
Auf der Straße sah Rick auf die Armbanduhr:
"Verdammt. Keine Zeit mehr für Aprils Kaffee."
Verdrießlich zog er die Mundwinkel herab, bewusst, ihm blieb nichts anderes übrig, er musste mit dem Kaffee seiner Deputys vorliebnehmen. Egal, wer den auch kochte, er schmeckte stets gleich schlecht, verdiente die Bezeichnung Kaffee in keinster Weise.
Vorsichtig, als wäre sie hochexplosiv, hielt Rick die Tasse Kaffee, den diesmal Antonio kreiert hatte. Misstrauisch beäugte er den Becher. Er musste es wohl riskieren...
Erwartungsvoll sahen Jennifer Newly und Antonio Vargas, der zweite Deputy, ihren Vorgesetzten an. Zögerlich, die Lippen gespitzt, tat Rick den ersten Schluck. Nach einer gefühlten Ewigkeit, wie sie fanden, stellte er schließlich fest:
"Gar nicht mal so schlecht."
Ein weiterer Schluck folgte, Rick kaute prüfend:
"Ja wird tatsächlich besser. Wirst langsam ein echter Kaffeekocher, Antonio."
Der Deputy grinste. Triumphierend sah er die Kollegin an.
"Gewonnen! Du bist mir ein Date schuldig!"
Er strahlte die junge Frau an, wie es nur ein total Verknallter tat.
"Wisch endlich das Grinsen aus deinem Gesicht, Tonio," lachte Rick.
Jennifer schmollte. Das Date behagte ihr überhaupt nicht. Antonio sah einfach zu gut aus. Es könnte heikel für sie werden. Sie mochte den gut aussehenden Latino mit den braunen Augen, verspürte oft das Verlangen, durch seine schwarzen Locken, die er zum Missfallen des Chiefs, bis zum Kinn trug, zu wuseln. Dieser Wunsch missfiel ihr, gab ihr zu denken. Sie lehnte eine neue Beziehung rigoros ab. Die eine Enttäuschung reichte für den Rest ihres Lebens. Sie bekam sein Kind und der Typ haute einfach so ab. Nie wieder wollte sie so verletzt werden. Deshalb verbot sich Jennifer das Verlieben.
"Das wird schwierig werden mit einer Verabredung. Ich kann Joshua nicht allein lassen. Er ist schließlich erst zwei", versuchte sie sich vor dem Date zu drücken.
"Dann suchen wir eben einen Babysitter, vielleicht eines der netten Carter-Mädels. Ich kümmere mich darum."
"Brauchst du nicht. Aus sicherer Quelle weiß ich, die beiden Damen verreisen demnächst mit dem Überlandbus in sonnige Gefilde." Warf Rick ein.
"Ach, die wollen auch weg? Bald wird es mächtig ruhig bei uns sein. Tote Hose sozusagen. Geisterstadt!" Antonio lachte unbekümmert:
"Bestimmt finden wir einen anderen Babysitter. Wie wär's mit ihrer Frau, Chief."
Rick schreckte hoch, sagte gedankenverloren:
"Ja, ja frag sie meinetwegen."
"Ehrlich! Da gehe ich mal gleich los."
"Nee, nee nicht so eilig. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Im Moment unterrichte sie sowieso. Ihr hört euch, wegen der Ereignisse auf dem Friedhof in der Stadt um. Fragt, ob jemandem Ungewöhnliches aufgefallen ist, auch bezüglich Gruftis... schwarzes Zeug und so. Ihr wisst schon..."
"Chief da wüsste ich schon was", sagte Antonio:
"Die Tochter von Arthur Blair läuft neuerdings mit schwarzen Haaren herum."
"Na und! Francis Debourough färbt sich auch die Haare", giftete Jennifer.
"Was die roten Haare sind nicht echt", rief Antonio.
"Was glaubst du denn", höhnte Jennifer: "Francis hat längst
das Alter, wo man sie sich die Haare färben muss. Wer weiß, was überhaupt noch original an ihr ist."
"Jennifer!", entrüstete sich Rick, lachte dann jedoch schallend los:
"Also bevor hier noch weiterer Blödsinn gequatscht wird! Auf mit euch in die Stadt. Ich klappere die Farmen ab."
Rick setzte die leere Kaffeetasse ab und griff zum Hut auf dem Schreibtisch. Das Schrillen des Telefons ließ diese Bewegung erstarren. Ein flaues Gefühl, was bestimmt nicht vom Kaffee herrührte, malträtierte seine Magengegend.
Aus dem wechselnden Gesichtsausdruck des Sheriffs erkannten die Deputys, dass es sich um keinen angenehmen Anruf handelte. Behutsam legte Rick den Apparat zurück. Die Schultern gebeugt verharrte er einen Moment bevor er sich schwerfällig den fragend schauenden Hilfssheriffs zuwandte:
"Planänderung. Antonio, du übernimmst die Stadt, Jenny klappert die Farmen ab und ich gehe zum Hafen. Ein Unfall!"
"Was für ein Unfall? Was ist passiert?" Wollte Antonio wissen.
Geistesabwesend, bereits an der Tür, antwortete er:
"Wir sprechen später."
Im Wald
Die Nacht hatte an den Tag übergeben. Tapfer kämpfte sich sein Licht durch den dunklen Wald, bemüht, das Dickicht unter den Bäumen zu durchdringen.
Die trockenen Blätter des Baumes raschelten, behutsam erst, dann heftiger. Der Schatten in der knorrigen Eiche kam in Bewegung, sprang auf den Waldboden. Das Geschöpf war riesig, dürr, mit langen Beinen und Armen. Prankenartige Hände gingen in Finger mit spitzen, krallenhaften Fingernägeln über. Der Kopf war von überdimensionaler Größe, etwas, nicht genau Erkennbares, schien aus ihm zu wachsen.
Eine Zeitlang starrte das Wesen auf den Ort, studierte ihn förmlich. Ruckartig kam Bewegung in die Gestalt. Sie sank auf den Boden, rollte dort zusammen, um sich kurz darauf wieder aufzurichten. Der gesamte Körper bebte, ein leichtes Leuchten ging von ihm aus. Der Leib zuckte, krampfte minutenlang. Unheimliche, gutturale Laute entwichen dem grotesk verzerrten Mund. Das Ding grunzte, riss das Maul auf und brüllte wie ein zorniger Gorilla. Genauso abrupt, wie es begann, hörte es auf. Stille.
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