"Und, was ist an Sechsen besonders?" Riefen Rick und Jason gleichzeitig.
Zögerlich, nach jedem Wort eine Pause einlegend und bestätigend mit dem Kopf nickend, erklärte er:
"So unglaublich das klingt, es handelt sich in beiden Fällen um Zeichen des Satans. Die Sechsten hier sind ein Geheimzeichen für das Große Tier, den Antichristen".
Verdutzt glotzten die Männer ihn an.
"Des Antichristen! Sie meinen Satan, den Teufel!" Rief Jason perplex.
Noah Wheiley sah ihn ungehalten an. Wer sollte sonst mit Antichrist gemeint sein, dachte er genervt, gleich darauf bedauerte er, seine nicht gerade seelsorgerischen Gedanken:
"Leider ja. Es kann Zufall sein. Vielleicht hat der oder die Personen nur so gekritzelt, dem keine Bedeutung beigemessen."
"Glauben sie das wirklich, Herr Pfarrer?"
"Ich möchte es Sheriff, ich möchte es."
Die Männer schwiegen, hingen ihren Gedanken nach.
"Wieso drei Sechsen", unterbrach Rick die Stille.
Noah schlug rasch das Kreuz.
"Die Sechs ist das Zeichen Satans. Mit dreimal soll die heilige Trinität verhöhnt werden, Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist. ".
"Die erste Schmiererei ist ebenfalls ein Symbol Luzifers. Es besteht aus zwei Teilen: Das was, wie sie sagten Chief, wie ein "t" aussieht, stellt das Kreuz dar. Das untere Zeichen, das umgekehrte "S", soll eine Sichel sein, die das Kreuz abschneidet. Ich wollte es nicht glauben, doch jetzt, wo ich die Sechsen gesehen habe, bin ich sicher. Bei der ersten Kritzelei handelt es sich um die sogenannte Satansgabel, die auch Teufelshaken genannt wird."
"Das waren garantiert Gruftis," platzte Jason heraus.
Verblüfft schauten die Männer ihn an, fragten gleichzeitig:
"Welche Gruftis?!"
Noah schob hinterher:
"Wie kommst du denn da drauf Jason. Nun Gruftis waren das gewiss keine."
"Wieso nicht? Das sind doch alles Spinner, schon wie die rumlaufen."
Noah legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm, sagte:
"Du verallgemeinerst, mein Lieber. Gruftis tun Niemanden etwas. Sie wollen lediglich Aufsehen erregen mit ihrem düsteren Aussehen. Schockieren! Früher sollte ihre Aufmachung den Archetypen des Vampirs darstellen. Diese Spiritualität ging im Laufe der Zeit allerdings verloren. Mag sein, sehr wahrscheinlich sogar, dass sie sich auf Friedhöfen herumtreiben. Aber solche Zeichen? Nein! Das tun sie nicht. Gruftis wollen bloß Düsternis ausstrahlen, Satanisten sind, leben, die Finsternis. Wenn das einer Gruppe zuzuordnen wäre, dann würde ich eher auf diese tippen."
"Satanisten, was sind das jetzt wieder für Typen."
Noah hob wage die Arme:
"Das ist ein weites Feld. Da gibt es die verschiedensten Richtungen. Einfach ausgedrückt, verehren die Satanisten den Teufel und alles Böse. Sie beten es an. Sie hassen die christlichen Werte. Alles, was in der Religion als Sünde bezeichnet wird, verachten sie, empfinden sie als falsch. Dementsprechend leben und handeln sie entgegen unserem Glauben. Das kann man so im Groben sagen."
"Meinen Sie etwa, wir haben es mit Sekten, schwarzer Magie oder Ähnlichem zu tun?" Fragte Rick skeptisch.
"Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Ich finde, wir sollten erst einmal von einem geschmacklosen Streich ausgehen." Verhalten fügte er hinzu:
"Sicher waren es nur übermütige Teenager, die irgendwann mal von der teuflischen Sechs gehört und ein bisschen herumgekritzelt haben."
Gedankenversunken blickte er auf den Boden, die Stirn grübelnd gekraust. Immer wieder betrachtete er die satanistischen Zeichen, sagte schließlich:
"Wir sollten nicht nach einer Erklärung suchen, die wir wahrscheinlich nicht finden können."
Zustimmend nickte Rick. Und dann schwiegen sie erneut, hingen ihren Überlegungen nach.
"Eigentlich glaube ich auch nicht, dass es in unserer Stadt irgendwelche okkulten Sekten oder Ähnliches gibt. Das wäre aufgefallen. Ich habe jedenfalls nichts dergleichen bemerkt. Ihr etwa?"
Fragend schaute er die Männer an. Verneinend schüttelten diesen den Kopf.
"Nicht desto trotz sollten wir die Augen offenhalten." Mahnte Rick gedankenverloren.
Sinnend sah er in die Ferne. Sein Blick blieb am Wald hängen, der unmittelbar hinter dem Friedhof begann und bis zum Gebirge reichte. Er liebte den Wald, seine Gerüche, hielt sich gern hier auf und sagte selten nein, wenn Mary fragte, ob er mit zum Kräutersammeln käme.
Linny ging es genau so. Sie wurde nie müde, der Granny Löcher in den Bauch zu fragen, welches Kraut, wofür war und tausend andere Dinge. Ein Lächeln huschte über sein ernstes Gesicht, verwehte kurz darauf. Etwas da oben sah fremd aus. Was es war, vermochte er nicht zu sagen. Beklommenheit, die Ahnung drohenden Unheils ergriff ihn. Er wollte diese Gefühle ignorieren. Vergeblich! Seine von Sorge erfüllten Blicke glitten zu den Bergen, nahmen die heranrückende Schneegrenze wahr.
"Bestimmt ist mir deswegen so kalt", schlussfolgerte er, dachte besorgt:
"Es ist zu früh."
Noah folgte Ricks Augen. Kalt rieselte es ihm den Rücken herunter. Trotz der farbenfrohen Laubverfärbung wirkte der Wald seltsam bedrohlich. Noah fühlte drohendes Unheil von dort oben ausgehen. Ruckartig wandte er sich an den Küster, wollte die unguten Gefühle abwehren:
"Jason, die Renovierung der Sakristei müssen wir jetzt wohl verschieben. Mit den Aufräumarbeiten auf dem Friedhof hast du genug Arbeit."
"Das schaffe ich schon, Herr Pfarrer. Ich bitte meinen Sohn, mir zu helfen, die Grabsteine aufzurichten, Sonst kriege ich es wieder im Kreuz. Mein Vater kann die Pflanzen richten. Er wird froh sein, etwas um die Ohren zu haben. Und dann ist hier ruckzuck alles wieder in Ordnung."
Jasons Vater Vincent, um die neunzig, war ein Mann vom alten Schlag, zäh, hart arbeitend, geradeaus. Mit seinem Sohn, nebst Enkel Ben, wohnte er in einer bestens organisierten Männer-WG. Jason Frau verschwand vor Jahren auf Nimmerwiedersehen. An einer Neuen hegte sein Sohn keinerlei Interesse, obwohl Betty Carter ihn vehement vom Gegenteil zu überzeugen versuchte. Und so übel war sie nicht, fand er. Der Älteste dieser WG erledigte notgedrungen die Hausarbeiten. Der Jüngste der Gemeinschaft führte jetzt die Tischlerei. Bisweilen half Jason, wenn die Aufträge überhandnahmen, was leider zu selten vorkam. Zu oft stand er bloß im Wege, fühlte sich nutzlos, überflüssig, bis der vorherige Küster starb, dessen Aufgabe er hocherfreut übernahm. Es bereitete ihm Freude, die Messe vorzubereiten. Endlich durfte er die Glocken läuten, was er als Kind brennend gern getan hätte. Die Pflege des Friedhofs, die Stille dort, schenkten ihm Ruhe und Zufriedenheit.
Rick riss den Blick vom Horizont, zwang sich realistisch zu sein:
"Okay, dann gehe ich an die Arbeit. Leute befragen, ob ihnen was aufgefallen ist und dergleichen. Sagt mir Bescheid, wenn euch noch etwas einfällt."
Gemeinsam strebten sie dem Ausgang zu, Noah und Rick vorweg. Ein paar Schritte zurück folgte Jason. Rick schreckte aus seinen Gedanken hoch. Hinter ihm telefonierte der Küster lautstark. Grinsend schauten die beiden Männer einander an. Jason wiederholte sich ständig, was darauf schließen ließ, dass es mit dem Hörvermögen seines Vaters nicht zum Besten stand.
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