Geshe Kelsang Gyatso - Die mündlichen Anleitungen des Mahamudra

Die Leerheit, die in Buddhas Sutra Lehren erklärt wird,

Und die große Glückseligkeit, die in Buddhas tantrischen Lehren erklärt wird-

Die Vereinigung dieser beiden ist die eigentliche Essenz der vierundachtzigtausend Unterweisungen Buddhas.

Möge die Lehre des Eroberers Losang Dragpa für immer erblühen.

In Je Tsongkhapas Lehren finden wir eine klare, fehlerlose und vollständige Erklärung der Leerheit und ebenso eine klare, fehlerlose und vollständige Erklärung der großen Glückseligkeit. Dies ist das besondere Merkmal der Lehre Je Tsongkhapas. Indem wir das verstehen, sollten wir uns aus tiefstem Herzen über unser großes Glück freuen, der Lehre Je Tsongkhapas begegnet zu sein.

Es heißt, dass Mahamudra, Lamrim oder die Stufen des Pfades, und Lojong oder die Geistesschulung, der fehlerlose Dharma sind. Deshalb sollten wir uns sehr bemühen, diese Anleitungen selbst zu praktizieren und andere darin zu unterrichten, da sie die eigentliche Essenz des Buddha­dharma sind. Tun wir dies, dann hat unsere Begegnung mit Je Tsongkhapas Lehren ihren wirklichen Sinn erfüllt.

Im Urtext heißt es «Geden Kagyu». Dies bedeutet «Münd­liche Ganden Überlieferungslinie». In diesem Zusammenhang bezieht sich «Ganden», was «die Freudvolle» bedeutet, auf Je Tsongkhapas Lehre, und die Praktizierenden, die dieser Lehre folgen, werden «Gandenpas» genannt.

Einige Schriften erklären, dass Leerheit das «große Siegel» oder «Mahamudra» ist, doch «Mahamudra» ist lediglich ein Name für Leerheit. Das wirkliche Mahamudra ist die Vereinigung von großer Glückseligkeit und Leerheit.

Mahamudra oder die Vereinigung von großer Glückseligkeit und Leerheit hat zwei Teile: große Glückseligkeit und Leerheit. Im Höchsten Yoga Tantra ist große Glückseligkeit notwendigerweise eine Glückseligkeit, die durch das Schmelzen der Tropfen innerhalb des Zentralkanals entsteht, weil die inneren Winde der rechten und linken Kanäle durch die Kraft der Meditation in den Zentralkanal eintreten, dort verweilen und sich auflösen. Nur Übende des Höchsten Yoga Tantra und Buddhas erleben eine solche Glückseligkeit.

Der zweite Teil dieser Vereinigung, Leerheit, wurde von Buddha in den Sutras der Vollkommenheit der Weisheit erklärt und Je Tsongkhapa, Nagarjunas Kommentaren zu den Sutras der Vollkommenheit der Weisheit folgend, erklärte klar und ausführlich die Bedeutung der Leerheit.

Die Bedeutung der Vereinigung von großer Glückseligkeit und Leerheit ist, dass unser eigener Geist der großen Glückseligkeit und Leerheit durch die Kraft der Meditation nichtdual wird, nur eins, wie zwei Räume, die sich mit­ein­ander mischen. Dies ist äußerst tiefgründig und subtil und heutzutage sind diejenigen, die die Bedeutung dieser Vereinigung aus eigener Erfahrung kennen, so selten wie Sterne, die am helllichten Tag erscheinen.

Große Glückseligkeit ist Erscheinung und Leerheit ist leer. Die Vereinigung dieser beiden ist die Vereinigung von Erscheinung und Leerheit. Konventionelle Wahrheit ist Erscheinung und endgültige Wahrheit ist leer. Und die Vereinigung dieser beiden ist ebenfalls die Vereinigung von Erscheinung und Leerheit. Wir selbst, als getragene Gottheit erzeugt, und das ganze tragende Mandala sind Erscheinung und Leerheit ist leer; und die Vereinigung dieser beiden ist ebenfalls die Vereinigung von Erscheinung und Leerheit. Wir sollten wissen, dass es viele Ebenen dieser Vereinigung von Erscheinung und Leerheit gibt. Normalerweise nehmen wir Erscheinung und Leerheit als zweierlei wahr, nicht als eins. Diese Wahrnehmung ist dualistische Erscheinung, die das Haupthindernis ist, um Erleuchtung zu erlangen. Dualistische Erscheinung und dualistisches Festhalten, die im Allgemeinen bekannt sind, beziehen sich auf Erscheinung und Leerheit, die als zweierlei erscheinen, und auf den Geist, der daran festhält.

Je Tsongkhapa sagte in einem Gebet:

Möge ich, indem ich die Bedeutung der Vereinigung richtig identifiziere,

Dauerhaft von fehlerhafter Erscheinung frei sein.

In diesem Zusammenhang bedeutet Vereinigung, dass Erscheinungen und Leerheiten nichtdual sind, von einer Natur. Verwirklichen wir diese Vereinigung direkt, so werden wir dauerhaft von jeder fehlerhaften Erscheinung frei sein. Verwirklichen wir durch Schulung, dass Erscheinungen und Leerheiten nichtdual sind, von einer Natur wie zwei Räume, die sich miteinander mischen, dann sollten wir dieses tiefgründige Wissen oder diese Erfahrung Tag und Nacht halten, ohne sie jemals zu vergessen. Machen wir das, werden wir schließlich in der Lage sein, für immer als ein Heruka im weiten Raum der Vereinigung von Erscheinung und Leerheit zu verweilen. Das ist die Vereinigung von Heruka. Somit werden wir Erleuchtung erlangt haben.

Kurz gesagt, wenn sich unser Geist wie oben erwähnt durch die Kraft der Meditation in den Geist großer Glückseligkeit umwandelt, und dieser Geist Leerheit direkt verwirklicht, dann ist dies die Vereinigung von großer Glückseligkeit und Leerheit, die eigentliche Verwirklichung des Mahamudra. Dann werden wir mit Sicherheit in diesem Leben Erleuchtung erlangen.

Viele Schüler Je Tsongkhapas und deren Schüler wiederum wurden im gleichen Leben zu erleuchteten Buddhas, indem sie durch die Praxis der Anleitungen der mündlichen Ganden Überlieferungslinie die Verwirklichung der Vereinigung von großer Glückseligkeit und Leerheit erlangten. Dennoch fällt es Menschen schwer zu glauben, dass dies wahr ist, da ihr Geist durch gewöhnliche Erscheinung behindert ist.

WIE WIR MAHAMUDRA ÜBEN

Im Urtext des Mahamudra steht:

Was dies anbelangt, gibt es drei – die Vorbereitungen, die eigentliche Praxis und die abschließende Praxis . . .

Das heißt, dass wir diese drei praktizieren müssen, um die Verwirklichung des Mahamudra zu erlangen. Deshalb wird nun unter drei Überschriften erklärt, wie man Mahamudra übt:

1. Die Praxis der Vorbereitungen

2. Die eigentliche Praxis des Mahamudra

3. Die Praxis der nachfolgenden Erlangung

DIE PRAXIS DER VORBEREITUNGEN

Es ist allgemein bekannt, dass es vier große hinführende Vorbereitungen gibt:

1. Die erste große hinführende Vorbereitung, Schulung in aufrichtiger Zufluchtnahme, dem Tor zum Eintritt in den Buddhismus, und Schulung im mitfühlenden Geist des Bodhichitta, dem Tor zum Eintritt in das Mahayana, den Hauptpfad zum Zustand der Erleuchtung.

2. Die zweite große hinführende Vorbereitung, Schulung in der Praxis der Reinigung, dem Tor zur Reinigung von nichttugendhaften Handlungen und Behinderungen.

3. Die dritte große hinführende Vorbereitung, Schulung in der Praxis der Mandala Darbringung, dem Tor zur Anhäufung der Ansammlung von Verdiensten und zur Erlangung eines erleuchteten Reinen Landes.

4. Die vierte große hinführende Vorbereitung, Schulung in Guru Yoga, dem Tor zum Empfangen von Segnungen.

DIE ERSTE GROSSE HINFÜHRENDE VORBEREITUNG

SCHULUNG IN AUFRICHTIGER ZUFLUCHTNAHME, DEM TOR ZUM EINTRITT IN DEN BUDDHISMUS

Der Ehrwürdige Sakya Pandita sagte, wenn du keine Praxis der Zuflucht zu den Drei Juwelen – Buddha, Dharma und Sangha – hast, bist du kein Dharma Praktizierender. Das bedeutet, dass wir nicht in den Buddhismus eintreten, wenn wir nicht in der Lage sind, Zuflucht in reiner Weise zu praktizieren. Und wenn wir nicht in den Buddhismus eintreten, werden wir keine Möglichkeit haben, dauerhafte Befreiung von Leiden oder das höchste Glück der Erleuchtung zu erlangen. Dann hat unser menschliches Leben seinen Sinn verloren.

Verstehen wir dies, fassen wir einen Entschluss und denken: