„Edward, nimm bitte die Taschen und trag sie ins Auto. Ich werde Emily nehmen“.
Edward Baxter war schlagartig wieder da. Freundlich lächelnd nahm er die Taschen der Kinder und stellte sich neben die Eingangstür, um auf seine Frau zu warten.
„Wo sind Fina und Chana?“
„Ähm ... In ihrem Zimmer. Soll ich sie holen?“, fragte Nora und wollte schon zur Treppe laufen, wurde jedoch von Clarissa aufgehalten.
„Lassen Sie ruhig. Ich mache das schon. Edward, du kannst schon mal die restlichen Sachen ins Auto tragen. Ich werde gleich da sein“, sagte sie noch zu ihrem Mann, bevor sie die ersten Stufen nach oben ging
„Ich warte auf dich“, antwortete Edward und erntete dafür einen missmutigen Blick, bevor sie weiter nach oben ging. Von dort hörte man wenig später die Stimmen der Kids, die fröhlich durcheinanderredeten und dabei lachten.
„Wollen Sie wirklich nichts trinken?“, fragte Nora noch einmal, doch Edward lehnte wieder dankend ab.
„Aber sagen Sie später nicht, ich wäre unfreundlich und hätte Ihnen nichts angeboten. Das würde Chris mir nicht verzeihen“.
„Machen sie sich keine Gedanken“, lächelte Edward und blickte Nora lange an. In diesem Moment kam jedoch Clarissa mit den Kindern die Stufen runter.
„Opa ... Opa“, riefen die Zwillinge und rannten stürmisch auf ihren Großvater zu, um sich ihm in die Arme zu werfen.
„Hallo ihr beiden Süßen. Oh, wie groß ihr doch geworden seid. Ich habe euch so vermisst“, sagte Edward und drückte seine Nase tief in das Haar der Kinder. Nora traten Tränen in die Augen beim Anblick dieses Bildes. Was musste in einer Person vorgehen, wenn man seine Familie voneinander trennt? Nora konnte machen was sie wollte, sie kam einfach zu keinem Ergebnis. Vielleicht sollte sie einfach Chris bei Gelegenheit danach fragen! dachte sie sich und wandte sich lächelnd Clarissa, Edward und den Kids zu.
„So dann wollen wir mal. Komm mein Kleines“, sagte Clarissa und nahm Emily auf ihren Arm. Kaum hatte sie Emily auf dem Arm fing diese auch schon fürchterlich an zu heulen und wandte sich immer stärker in den Armen ihrer Großmutter.
„Was hast du denn?“, fragte Clarissa und versuchte Emily so gut es ging zu beruhigen, jedoch ohne Erfolg. Emily brüllte, was das Zeug hielt und dann kam das Unerwartete. Clarissa und Edward versuchten das Kind zu beruhigen, während Nora nur Augen für Emily hatte, deren Kopf schon hochrot war.
„Komm her mein Schatz. Nicht weinen“, sagte Nora zu ihr und nahm Emily auf ihren Arm, worauf diese sich eng an Nora presste.
„Vielleicht sollten wir warten bis Chris kommt wegen Emily, sie weint sonst wieder“.
„Nein, ich werde sie zum Wagen tragen und ihr zureden. Falls sie doch quengeln sollte, können sie Emily immer nach Hause bringen und die beiden Zwerge natürlich auch“.
Clarissa stimmte zufrieden zu und alle begaben sich zu der Familienkarosserie von Chris‘ Eltern, die auch schon bessere Tage gesehen hatte, fand Nora. Nora schnallte Emily vorsichtig und unter Zuspruch in den Kindersitz des Autos, während ihre Großeltern sich um ihre Geschwister kümmerten, dass diese, ebenso wie Emily, richtig angeschnallt waren. Nora brach es fast das Herz in Emily‘s verweintes Gesicht zu blicken und jeden Moment damit rechnen zu müssen, dass sie wieder anfing zu weinen.
„Ich habe dich lieb. Nicht mehr weinen, Baby. Morgen bist du wieder bei mir“, sagte Nora und streichelte Emily die Tränen weg, worauf diese Nora ein kleines Lächeln schenkte. Das Auto rollte langsam die Auffahrt hinaus und Nora musste zusehen, wie ihre Babys sich immer weiter von ihr entfernten. Tränen traten in ihre Augen, und sie ließ sich langsam auf die Stufen zum Haus nieder, wo Fred sie wenige Minuten später weinend vorfand.
„Nora? Alles ok mit Ihnen?“, fragte er und näherte sich langsam. Nora hob den Kopf und schüttelte diesen dann.
„Wollen Sie mir vielleicht erzählen, was los ist?“
Nora wischte sich mit der Hand über das Gesicht und seufzte auf.
„Gerade eben haben Chris‘ Eltern die Kinder abgeholt, über das Wochenende und ... Und Emily hat geweint und dann ...“.
„Was dann?“
„Es tut so weh, sie gehen zu lassen. Dabei ist es ja nicht mal mein Baby!“
Fred sah sie mit großen Augen an, als ob er es nicht glauben konnte, was er da gerade gehört hatte.
„Stellen Sie sich das vor. Ich liebe dieses Kind so sehr, als wäre es meines. Aber ich bin nicht ihre Mutter“.
„Nora, in den Augen des Kindes sind Sie es. Emily sieht in Ihnen ihre Mutter, und Sie sollten ihr die Beste sein, die sie je haben würde. Danielle wollte Emily nicht, sie liebte die Kleine nicht. Aber Sie tun es“.
„Ja, ich liebe die Kinder. Sehr sogar“.
„Na sehen Sie. Und nun machen Sie sich keinen Kopf mehr“.
Nora nickte und verabschiedete sich dann von Fred. In dreißig Minuten würde Chris kommen und sie war noch nicht einmal geduscht. Chris fuhr mit einem Pfeifen auf den Lippen nach Hause. Heute Abend würde er mit Nora schön zu Abend essen, sich mit ihr unterhalten und dann vielleicht sogar die Nacht mit ihr verbringen. Sie kannten sich nun schon fast ein Jahr, ohne je darüber gesprochen zu haben. Sie begehrten zwar einander und hatten sich auch schon des Öfteren geküsst und berührt, aber das Thema Sex war nie von Bedeutung, doch heute würde sich das ändern. Chris wollte Nora und sie ihn, das spürte er. Chris parkte den Wagen vor der Garage und stieg aus. Er betrat durch die Hintertür das Haus und fand Nora im Wohnzimmer. Sie stand mit dem Rücken zu ihm am Fenster und starrte in das Leere.
„Hey“, sagte er und Nora drehte sich zu ihm um. „Alles ok?“
„Aber sicher doch!“
„Prima! Hör zu, ich geh schnell duschen, zieh mich um und dann können wir los. Ich habe einen Tisch beim Chinesen bestellt. Nach dem Essen von letzter Woche dachte ich, du musst das mögen“.
„Ja. Ich liebe chinesisch“.
„Ist wirklich alles in Ordnung?“
„Ja, das sagte ich doch. Und nun geh duschen“, gab Nora ihm zur Antwort und drehte sich wieder zum Fenster. Chris nickte und eilte nach oben. Chris wurde das Gefühl nicht los, das irgendwas nicht in Ordnung war. Nora wirkte so zermürbt und in Gedanken. Während er sich einseifte, dachte er auch daran ob sie vielleicht Ärger mit ihrer Familie haben könnte, denn in letzter Zeit kam es ja des Öfteren zu Spannungen zwischen ihr und ihrem Bruder. Chris stellte sich wieder unter den Wasserstrahl, bevor er das Wasser abstellte um die Dusche zu verlassen. Er würde Nora darauf ansprechen, denn er wollte nicht, dass dieser Abend in trüber Stimmung stattfand. Gerade als Chris aus dem Badezimmer kam, lief Nora an ihm vorbei. Den Blick gesenkt und irgendwie abwesend. Als sie auf gleicher Höhe von ihm war, hielt er sie zärtlich auf und hob ihren Kopf etwas an.
„Nora, ich merke doch dass etwas nicht stimmt. Wenn es etwas mit diesem Abend zu tun hat, dann lass es mich vorher wissen und wir blasen das Essen ab“.
„Chris nein, das ist es nicht. Es ist ... Oh Gott!“, sagte sie noch und rannte dann weinend in ihr Zimmer. Chris folgte ihr nicht. Sie sollte sich zuerst beruhigen, um ihm dann erzählen zu können, was denn los war. Er begab sich in sein Schlafzimmer und zog sich an. Da dieser Abend ein schöner werden sollte, wählte er eine helle Hose und ein schickes Hemd. Eine Krawatte ließ er weg. Chris gelte sich noch etwas die Haare und ging dann durch Emily Kinderzimmer zu Nora. Er hatte schon die Hand zum Klopfen gehoben als sein Blick auf etwas in der hinteren Ecke neben Emily´s Bett fiel - Nora.
„So, nun reicht es mir aber“, sagte er, zog Nora vom Boden und marschierte mit ihr in ihr Schlafzimmer.
„Setz dich und sag mir was los ist“.
„Nichts“.
„Nora ich hasse es wenn ich angelogen werde, und ich weiß du lügst. Also raus damit, was ist passiert?“
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