1 ...7 8 9 11 12 13 ...38 „Ein Magier aus Uskaja. Einer der Besten. Vielleicht schafft er es sogar selbst, den Fluch zu lösen. Und wenn nicht – er kennt viele Leute. Möglicherweise auch denjenigen, der eurem Clan geschadet hat. Ich wette, der Bastard hat längst vergessen, dass er mal in eurem Wirtshaus schlecht gespeist hat und ist bereit, den Fluch wieder zu lösen.“
„Falls er überhaupt noch lebt“, wandte Jerusha ein. „Vergiss nicht, es ist alles lange her.“ Sie wusste nicht, ob sie beeindruckt oder erschrocken sein sollte, dass ihr Verlobter für solche mächtigen Magier arbeitete. Doch eher beeindruckt. Und froh, dass vielleicht alles nicht so schlimm war wie gedacht. Jerusha fühlte, wie ihre aufgewühlten Gedanken sich beruhigten und so etwas wie Frieden in ihren Geist einkehrte.
„Wie bald kannst du diesen Kerl fragen?“
„Ich schicke ihm gleich morgen eine Botschaft. Hoffentlich ist der Preis für seine Hilfe nicht zu hoch, aber ich bin ja schließlich nicht arm. Und jetzt mach dir bitte keine Sorgen mehr und geh ins Bett, du siehst aus, als würdest du jeden Moment zusammenbrechen. Willst du hierbleiben?“
Seit sie verlobt waren, konnte niemand mehr dagegen Einwände erheben, wenn sie die Nacht zusammen verbrachten. Doch an diesem Abend spürte Jerusha, wie sich etwas in ihr dagegen sträubte. „Nein, lieber nicht. Meine Mutter wird sich Sorgen machen, wenn ich nicht zurückkomme. Nach all dem, was sie und Großmutter mir erzählt haben.“ Außerdem zog etwas sie zurück zu Liri. Sie wollte bei ihrer kleinen Schwester sein, ihren ruhigen Atem hören, während sie schlief. Sicher sein, dass ihr nichts geschah. Etwas, vor dem eine ruhige Hand und ein guter Bogen sie nicht beschützen konnten.
„Ich bin´s.“ Kiéran hatte sehr leise gesprochen, doch er wusste, dass Reyn ihn längst gesehen und gewittert hatte. Und tatsächlich, der Hengst donnerte nicht mehr mit den Hufen an die Wände seines Verschlags. Kiéran hörte ihn schnauben. Ob er sich schon näherte? Durch die weiche Streu, die den Hufschlag dämpfte, war es schwer zu sagen.
„Es ist Thar, dieser verdammte Schmied, der mir die Pferde scheu macht.“ Es war die Stimme des Stallmeisters Zarius. „Ich weiß, die Messer zu fertigen ist wichtig für den Tempel, die Dinger sind ja berühmt in ganz Ouenda, aber ständig zieht der Rauch hier herüber, das hält kein Mensch aus, von so einem armen Tier ganz zu schweigen, und dieses Gehämmer! Schrecklich. Dabei ist gerade Minitte so nervös.“
Seit er hier war, plapperte dieser Mann drauflos, der Wortschwall nahm kein Ende.
Schweigend hob Kiéran die Hand, und zum Glück begriff der Stallmeister und hielt endlich den Mund.
Das Geräusch eines Pferdes, das näherkam. Kiéran fühlte sich schrecklich unsicher. Um ihn herum war nichts als Dunkelheit. Wie soll ich erkennen, wie Reyn dreinblickt und die Ohren stellt, wie er sich bewegt, ob er gleich schnappen wird? Ich könnte Zarius fragen. Nein, auf keinen Fall! Lieber lasse ich mich von Reyn beißen.
„Los, komm her, Schwarzer“, sagte Kiéran, streckte die Hand aus und rechnete fast damit, dass er es bereuen würde. Seine Finger streiften über glattes Fell, dann spürte er den nach Heu riechenden Atem, den Reyn ihm entgegenblies, und weiche Nüstern drückten sich gegen seinen Arm. Der Hengst zupfte nur einmal kurz mit den Zähnen an seinem Ärmel, aber das wirkte eher spielerisch.
Einen Moment lang konnte Kiéran kaum sprechen, während er Reyn streichelte. Ein Freund an diesem düsteren Ort, wie viel das wert war. Sein Schwert war auf dem Schlachtfeld geblieben, wahrscheinlich prahlte jetzt einer der Männer aus Thoram damit. Womöglich Cerdus Maharir persönlich. Nein, der nicht, angeblich war auch er schwer verletzt worden. Vielleicht einer seiner Truppenführer. Wahrscheinlich würde AoWesta ihm ein neues gutes Schwert schenken, wenn er zurückkam – aber wohl kaum noch mal eines aus Sternenstahl, die waren zu selten.
„Euer Hengst ist ein prächtiges Tier“, wagte Zarius jetzt zu sagen. „Aus der Zucht von Tinad´alshar?“
„Ja. Und er weiß es zu schätzen, wenn man sich gut um ihn kümmert“, sagte Kiéran freundlich, aber mit Nachdruck. „Ihr werdet ihn ab jetzt auf die Weide führen?“
„Natürlich.“ Zarius zögerte. „Wenn wir ihn vielleicht als kleine Gegenleistung zu ein paar Stuten lassen könnten? Ich glaube, Iwella wird bald rossig.“
„Gut, warum nicht. Er hat schon ein paar schöne Fohlen gezeugt.“ Sollte Reyn ruhig seinen Spaß haben.
Nach der Mittagsvesper, in der immer einer der Priester heilige Schriften rezitierte, begannen die Arbeitsdienste. Es war eine Zeit, in der sich Kiéran besonders nutzlos fühlte. Vielleicht konnte er jetzt, wo er wieder auf den Beinen war, irgendwo mithelfen – sogar in der Küche mit anzupacken wäre eine nette Abwechslung. Ein hoher Offizier der Terak Denar beim Kartoffelschälen – warum nicht? Es sah ihn ja niemand aus der Quellenveste dabei. Und er war richtig gut darin, in seinen ersten beiden Jahren bei der Truppe war er oft genug dazu abkommandiert worden. Doch Kiéran hatte den Verdacht, dass seine Hilfe in der Küche gar nicht erwünscht war, der Dienst dort war laut Gerrity bei den Novizen sehr beliebt. Es war die einzige Zeit, in der sie der eisernen Disziplin des Tempels entfliehen konnten – nach der Vesper schollen regelmäßig Lachstürme herumalbernder Novizen aus der Küche, und keiner der Priester schritt ein.
Zuerst musste er jetzt aber dringend eine weitere Nachricht an Xen TeRopus, seinen Kommandanten, abschicken. Wenn er genau darüber nachdachte, war seine erste Botschaft arg gekritzelt gewesen, vielleicht hatte niemand sie lesen können. Besser wäre gewesen, er hätte sie jemandem im Tempel hier diktiert. Oder konnte sie irgendwie verloren gegangen sein? Womöglich dachten Santiago, Tarxas und die Rautenführer seiner Truppe – der Escadron Blau – er sei von den Soldaten aus Thoram gefangen genommen worden.
„Soll ich Euch auf dem Rückweg geleiten?“ fragte Zarius, doch Kiéran winkte ab und machte sich alleine auf den Weg von den Ställen zum Hauptgebäude. Doch es war schwieriger, als er gedacht hatte. Immer wieder kam er vom gepflasterten Pfad ab und spürte weiche Erde unter seinen Schuhen. Wahrscheinlich lief er in einem irren Zickzackkurs, hoffentlich sah ihm dieser Zarius nicht hinterher. Er war froh, als er schließlich die Steinmauern des Tempels unter seinen Fingern spürte, um ein Haar hätte er sich die Stirn daran angeschlagen. Den ganzen Tag schon lief er gegen irgendwelche Wände.
„Habt Ihr etwas vergessen?“ Die verwunderte Stimme von Zarius.
Verdammt, ich bin im Kreis gelaufen!
„Ich wollte Euch nur noch sagen, dass Ihr Reyn nicht zuviel Hafer geben solltet, dann wird er sicher ruhiger.“
„Ja, natürlich.“ Das klang leicht beleidigt. Wahrscheinlich hielt der Kerl ihn für einen kompletten Idioten. Jeder, der mit Pferden zu tun hatte, wusste, dass sie mit dem Hafer knapp gehalten werden mussten, wenn sie kaum Bewegung bekamen.
Kiéran drehte um und ging mit vorsichtigen Schritten weiter. Doch schon nach kurzer Zeit berührten seine Hände hüfthohe Sträucher. Wo war er denn jetzt? Er hatte keine Ahnung mehr, wo sich der Eingang zum Hauptgebäude befand. Hilflose Wut auf sich selbst stieg in ihm auf. Verirrt! Auf diesem kurzen Weg. Xatos´ Rache, wenn ich doch nur sehen könnte! Ein kurzer Blick würde genügen, dann wüsste ich, wo ich bin.
„Sucht Ihr den Weg zum Tempel, Kiéran SaJintar?“ Eine weiche, angenehme Stimme und der Geruch nach Kräuterkaramellen: Das war Rinalania, die Zweite Priesterin und Heilerin des Tempels.
„Das Gelände ist ein bisschen unübersichtlich hier“, murmelte Kiéran und spürte, wie Rinalania ihn am Ellenbogen ergriff und sanft in eine bestimmte Richtung lenkte. Was für eine Demütigung! Aber er konnte noch froh sein, dass es nicht der geschwätzige Stallmeister gewesen war, der ihn hatte retten müssen.
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