„In Larangva und dann kurz in Khelgardsland, bis mein Vater wieder an den Fürstenhof von Yantosi zurückgerufen wurde“, sagte Kiéran. Doch er achtete kaum darauf, was er sagte. Irgendetwas Seltsames geschah plötzlich, und all seine Sinne schrien Alarm. Um die Stelle herum, an der er das Feuer vermutete, tanzte ein silbriger Schatten. Er bildete Formen, die nicht zufällig aussahen, und manchmal wirkten sie sogar wie die Parodie einer menschlichen Gestalt. Was bei allen Göttern konnte das sein?
„Was ist?“ flüsterte Jerusha.
„Ich weiß es nicht genau. Siehst du irgendetwas Ungewöhnliches um das Feuer herum?“
„Nein, nichts. Und was siehst du ?“ Ihre Aura flackerte und wurde schwächer, als sie es sagte. Er hatte keine Ahnung, was das zu bedeuten hatte.
„So eine Art Schatten. Nur hell.“ Kiéran warf einen schnellen Blick auf die Pferde, die in der Nähe grasten; sie waren ganz ruhig, hatten nicht einmal die Köpfe gehoben. Vorsichtig streckte Kiéran die Hand aus, versuchte an den Schatten heranzukommen. Doch er glitt weg, kam dann kurz wieder und war mit einem Sprung erneut verschwunden. Es wirkte fast, als versuche er Kiéran zu narren. Kiéran hatte ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache. War dieser silbrige Schatten eine Methode, mit der die Magier sie ausspionierten? Wenn ja, dann hatten sie bald Ärger zu erwarten.
Er wollte gerade ankündigen, dass er die erste Wache übernehmen würde, als Jerusha ihm zuvorkam. „Wäre es in Ordnung, wenn ich als Erste Wache halte?“
Das kam ihm seltsam vor, denn ganz offensichtlich war sie müde. Eben hatte sie kaum ein Gähnen unterdrücken können. Oder lag das daran, dass er sie gelangweilt hatte? Eher nicht. Sie hatte andere Gründe. Und er hätte zu gerne gewusst, welche.
„Ja, gut“, sagte er. „Aber weck mich gleich, wenn etwas Ungewöhnliches geschieht. Und halt das Feuer niedrig. Besser, wir machen nicht zu viele Leute auf uns aufmerksam.“
Kiéran dachte gar nicht daran, zu schlafen.
Kiéran wünschte ihr eine gute Nachtruhe, dann bastelte er sich ein Kopfkissen aus Gras, das beneidenswert weich aussah, und rollte sich in der Nähe des Feuers in seinen Umhang.
Jerusha setzte sich ein Stück von ihm entfernt auf einen umgestürzten Baumstamm und warf noch einmal einen Blick auf Amadera und Reyn, die dösend am Rand der Lichtung standen. Am liebsten hätte sie noch ein paar Aststücke aufs Feuer gelegt, sie fror schon wieder elendig. Außerdem wäre es schön gewesen, mit dem warmen gelben Licht die Dunkelheit zurückzudrängen. Jenseits des Lichtscheins erstreckte sich eine schwarze Unendlichkeit, die schwer zu ertragen war.
Jerusha zog ihren Umhang enger um sich. Das Knacken des Feuers und das Rauschen der Baumkronen im Wind waren die einzigen Geräusche, die an ihre Ohren drangen. Hin und wieder drehte der Wind kurz, und die Rauchfahne wehte ihr ins Gesicht. Jerusha unterdrückte einen Hustenreiz. Schlief Kiéran schon? Sie rief ihn, ganz leise – keine Antwort. Na also. So leise wie möglich stand Jerusha auf und ging ein Stück weiter, damit ihre Stimme ihren Begleiter nicht aufweckte „He, wo bist du?“ flüsterte sie.
„Meine Liebe, das wurde aber auch Zeit“, wisperte es aus der Schwärze zurück. „Ich habe es kaum noch geschafft, den Mund zu halten. Dieser Wald ist furchtbar! Die Schatten sind völlig falsch!“
„Was meinst du damit?“
„An vielen Stellen habe ich das Gefühl, dass jemand eingreift, alles so formt, wie es ihm gefällt. Wahrscheinlich diese Magier. Immerhin, gemeine Andere Wesen scheint es hier nicht zu geben.“ Grísho seufzte tief und veränderte seine Gestalt, bis er einen Atemzug lang groß und klobig aussah wie ein Eisenfresser. „Nur ein paar Hunderthänder habe ich gesehen, aber die sind ja vor allem lästig.“ Schon zerflossen Gríshos Umrisse wieder und verschmolzen mit Jerushas Schatten, den das Mondlicht geschaffen hatte.
Jerusha war nicht sehr wohl zumute. Wenn die Magier Sharedor so stark kontrollierten, wussten sie dann schon, dass sie und Kiéran hier waren? „Und, was hältst du von Kiéran?“
„Ich glaube, er hat mich tatsächlich erblickt. Blind, haha! Er weiß noch gar nicht, was er alles sehen kann. Besser, ich halte mich fern von ihm. Es wäre ausgesprochen unvorteilhaft, wenn er versuchen würde, mich zu vernichten.“
„Schattenspringer können vernichtet werden?“ Jerusha hob die Augenbrauen.
„Ja, aber ich verrate nicht, wie – je weniger Leute es wissen, desto besser. Dann kommt niemand auf dumme Gedanken.“
„Kiéran würde nicht versuchen, dich zu vernichten.“
„Bist du sicher? Es ist ein Krieger. Es liegt in seiner Natur, Dinge zu vernichten. Aber mir scheint, du magst ihn.“
Jerusha wollte den Kopf schütteln, es trotzig abstreiten, doch die Lüge mochte ihr nicht über die Lippen kommen. Es stimmt. Ich mag ihn sehr. Und gerade deswegen hoffe ich, dass wir bald wieder getrennte Wege gehen. Sie öffnete den Mund, um es zu gestehen, und spürte plötzlich, wie jemand sie von hinten packte. Vor Schreck und Überraschung wollte Jerusha aufschreien, doch eine Stimme flüsterte: „Kein Wort. Du würdest doch nur versuchen, eine Formel zu sprechen. Aber glaub mir, das wäre dein Tod.“
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