Jozi Salzberg - 99,9 %.

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Wohin führen all die (realen) Krisen diese Welt? Das Buch eröffnet ein unschönes Szenario, aber nichtsdestotrotz ein realistisches. Immer dabei: Liebe und Tod, Abenteuer, ganz neue Art von KämpferInnen und Technologien, eine Neuordnung der Gemeinschaft in der Unterwelt von Wien.

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Inhaltsverzeichnis

Langfristig 1%

2027. Sieben und was bisher geschah

Eine von 99,9 %

Er

eh noch gut

tausend Tode

Tarnung

Freiheit für wen?

Occupy – die 99 %

Gottesanbeterin

Familie

Jackpot

ausspioniert und unterwandert

Toni

Das Große Sterben

hinterhältig

Tag der Wahrheit - 2020

Zuhause

Es wird Zeit

Anmerkungen

Hinweis:

Über alle im Buch vorkommenden historischen Personen, Ereignisse, Statistiken und Fakten gibt das Internet reichlich Auskunft. Alle anderen Personen und Situationen sind frei erfunden. In diesen Fällen sind Ähnlichkeiten mit Lebenden und Verstorbenen sowie mit realen Ereignissen reiner Zufall.

1 Langfristig 1%

1953, 7. Januar. Washington, D. C., Oval Office. Präsident Dwight D. Eisenhower initiierte auf Betreiben seiner Geschäftsleute-Regierung eine wirtschaftspolitische Arbeitsgruppe. Treibende Kraft : der General-Motors-Chief Charles E. Wilson. Das Ziel war die Adaptierung F. D. Roosevelts „New Deal“ (in Englisch bedeutet das „die Neuverteilung der Karten“). Die Karten sollten jetzt wieder neu verteilt werden – diesmal zugunsten der Investoren und Wirtschaftstreibenden. So war es vor dem New Deal gewesen und so sollte es wieder sein, eben „normale“ Zustände mit Reichtum für die 10 % der sogenannten „Oberen Zehntausend“. Die hohe Politik koalierte wie selbstverständlich mit den Reichsten der Reichen – eine „unselige“ Koalition? Unselig für wen? Beide beteiligte Seiten würden davon profitieren, die einen mehr, die anderen weniger.

Man kam überein, dass baldmöglichst ein Treffen stattfinden sollte, an dem die mächtigsten Clans die Zukunft der Welt beschließen würden.Heute schon bestätigten alle Versammelten im Oval Office, dass Wilson recht habe: Roosevelts Wirtschafts- und Sozialreformen hätten lange genug gewirkt.“It's nothing for the long run?“, wie ein anwesender Oligarch lapidar bemerkte und mit wegwerfender Handbewegung schon mal hinter sich ließ. Langfristig könnte das so nicht bleiben, damit wäre man nicht einverstanden. Das wäre schon genug Wohlstand für die ArbeitnehmerInnen gewesen. Die US-Wirtschaft wäre gestärkt worden, die Geldpolitik reformiert und die Finanzmärkte reguliert. So weit, so gut. Die Wirtschaftsleute, die wahren Herrscher der USA beanspruchten den Profit wieder allein für sich, die Oligarchie (Oligarchie ist die Herrschaft der wenigen), ohne ihre Forderung begründen zu können. Aber das mussten sie auch nicht. Sie hatten die Macht, das Ruder zu ihren Gunsten herumzureißen, also nahmen sie ihr „Recht“ in Anspruch. Offiziell wurde Roosevelts Politik ohne besondere Erklärungen für beendet erklärt. Der Reichtum sollte nicht zersplittert werden. Den musste man zusammenhalten. Oder treffender formuliert: man wollte ihn zusammenhalten. Und man konnte ihn zusammenhalten.

Inoffiziell hatten nur wenige Personen eine Ahnung von den Gründen für die Beendigung des New Deal. Öffentliche Diskussionen wurden unterdrückt. Die Besitzenden, die mächtigen Familienclans hatten Roosevelts sozial angehauchte Politik eine weile zugelassen, denn damit hatte man gleich „viele Fliegen mit einer Klatsche erledigt“. Erstens hatte man Unruhen und Aufstände während der Krise vermeiden können, weil man die Unzufriedenen durch die Ermöglichung des Massenkonsums ruhig gestellt hatte. Zweitens hatte man durch die Massenproduktion und den Massenkonsum das Wachstum der Wirtschaft ermöglicht. Drittens konnte man ganz nebenbei wegen des wachsenden Wohlstands die Gewerkschaften sowie die Kommunisten schwächen (wer brauchte die dann noch?). Viertens hatte der „New Deal“ einen unschätzbaren psychologischen Effekt gehabt: Im Gedächtnis des Volkes würde sein bescheidener Wohlstand für alle Zeiten als Bestätigung dafür verankert bleiben, dass sich Leistung lohne. Nun sollte es aber genug sein. Zukünftige Leistung sollte allein jenen zufallen, die die Produktionshallen bauten und das Produktionsmaterial bereit stellten. Mag ja sein, dass Hallen allein keinen Profit brächten. Mag ja sein, dass erst duch die den Einsatz von Arbeitskräften ein neu erzeugtes Produkt entsteht, das mehr wert wäre als die einzelnen Materialien vorher. Aber die Früchte der Wertschöpfung durfte man doch nicht wie die sprichwörtlichen „Perlen den Säuen“ vorwerfen. Es wurde Zeit, dass wieder unmissverständlich jene zum Zug kamen, welche das Kapital und damit die wahre Macht besaßen. Und weil sie das Sagen tatsächlich hatten, konnten sie diese verdammte Umverteilerei an die Arbeiter beenden. Reziprok hieß das: wer hat, der schafft. Wie sagte schon der alte Kinsey vom Kinsey-Clan zu seinem Stammhalter treffend: „Du kannst kein Geld vermehren, indem Du darauf brütest. Du kannst aber etwas ausbrüten, wie Du andere dazu bringst, den Wert Deines Geldes zu vermehren. Tun sie es nicht freiwillig, gib ihnen Zuckerbrot. Vergiss aber die Peitsche nicht. Mache es wie ein Cowboy, DU treibst die Herde, DU lenkst das Vieh.“

Wass viele Amerikaner und Amerikanerinnen nicht wussten: Es wurden zwei Pläne von zwei verschiedenen Gruppen ausgearbeitet. Die eine war offiziell eingesetzt worden, die andere nicht. Der offizielle Plan wurde regierungsintern diskutiert, der inoffizielle nicht.

Die Hintermänner des zweiten Plans hatten selbstredend nicht vor, außerhalb ihres Kreises - „des Kreises“ - stehende Personen an den Zukunftsplänen mitarbeiten zu lassen, weder die Arbeitnehmer-Vertreter noch die unbedeutenden Farmer und Rancher (deren Land man sich ohnehin nach und nach einverleiben würde). Sollte ihr Strategie-Arbeitskreis verraten werden (die lauschenden Ohren der Dienstboten konnte man nicht vermeiden, wollte man nicht auf die gewohnten Bequemlichkeiten verzichten) und sollte der Plan öffentlich in die Schlagzeilen geraten, so würde man den Gewerkschaftsführer Hoffa & Kumpane, die sich idealerweise unlauterer, ja verbrecherischer, um nicht zu sagen terroristischer Aktionen befleißigten als Sündenböcke hochstilisieren und vom gänzlichen Ausschluss der Arbeitnehmerseite an den Gesprächen ablenken. Das wäre kein Problem, weil man die benötigten Medien (Zeitungen, Fernsehen und Radio) besaß.

Von vorne herein gab es keinen Zweifel am Begehr der Besitzenden und der mit ihnen eng verbündeten, verwandten und verschwägerten Politiker, sich die Macht und den Reichtum zu teilen – diese „US-Player“ würden von nun an auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen sein, sollte die Idee von sogenannten demokratischen Entscheidungsverfahren nicht völlig unkontrolliert aus dem Ruder laufen. „Demokratie“ sollte in Hinkunft vielmehr etwas sein, dass zwar offiziell den WählerInnen die Macht gab, jemanden ihr genehmen zu wählen - so wären die Amerikaner und Amerikanerinnen zufriedengestellt. Jeder gewählte Polit-Newcomer hätte aber inoffiziell gleich nebenan – quasi Tür an Tür - die Interessenvertreter des „Kreises“ sitzen. Diese Leute sollten die Überzeugungsarbeit leisten – und sie würden die nötigen Mittel dafür haben, um die Macht des „Kreises“ zu sichern. Später sollte dies nach Möglichkeit auf allen Kontinenten so sein. Zu diesem Zweck würde man sich insbesondere Europa „warm halten“ - eine Leichtigkeit, weil die Menschen des zerstörten Kontinents für die Wiederaufbauhilfen dankbar sein würden.

Die auf Wunsch der Konzern-Eigner beziehungsweise der Großaktionäre vor der Öffentlichkeit geheim gehaltene erste Zusammenkunft der Clan-Patriarchen fand an einem Samstag Ende Februar zur mitternächtlichen Stunde auf dem Gelände einer abgelegenen Farm statt. Mit dabei waren hochrangige Regierungsvertreter, Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses. Die Öffentlichkeit würde ihre Namen niemals erfahren. Der Plan wurde einstimmig angenommen. Bei der ersten passenden Gelegenheit sollten die Initiativen sukzessive gesetzt werden.

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