„Geht leider nicht! Ich habe Order, Sie zum Kollegen zu verweisen!“
„Wo befindet sich der?“
„Da hinten, der hat so 'n Ring über dem Kopf!“
„Na gut, wenn 's nicht anders geht!“
„Schönen Tag noch!“
„Ja ja!“, sagte Hans Müller und schlurfte traurig davon.
„Der nächste, bitte!“
„Mein Name ist Graf Dracula!“
„Moment, ich schaue eben in der Liste! Graf, Graf, ne, ich finde Sie nicht!“
„Wie kann das sein? Ich stehe mit Sicherheit auf der Liste!“
„Moment, wir haben noch eine Subliste für besondere Fälle!“
„Was soll das denn heißen, besondere Fälle?“
„Kleinen Moment, bitte!“
Der Behörnte holte die Subliste hervor. Er suchte und fand.
„Ach, da sind Sie ja schon! Graf Dracula! Blutsauger und Herrscher der Nacht ! Zugang für Aufzug Z!“
„Aufzug Z? Und wieso nicht Aufzug H?“
„Weiß ich nicht, ich mache hier nur meinen Job!“
„Ich möchte mit Ihrem Chef sprechen!“
„Jetzt?“
„Ja!“
„Aber es ist schon spät!“
„Ich bestehe darauf!“
„Hm, er wird nicht begeistert sein! Na ja, egal!“
Der Behörnte nahm wieder sein Handy.
„Hier der Herr aller Unterwelten!“
„Hallo, Chef! Tut mir leid!“
„Macht nichts, das Fernsehprogramm ist sowieso doof!“
„Ich hatte dir doch den Kinderkanal empfohlen!“
„Geht nicht, zu viel heile Welt! Was gibt es denn?“
„Ein Graf Dracula möchte mir dir sprechen!“
„Dann gib' ihn mir mal!“
Der Behörnte reichte das Handy dem Grafen.
„Hier Dracula! Mit wem spreche ich?“
„Mit dem Herrn aller Unterwelten! Was kann ich für Sie tun?“
„Entschuldigen Sie bitte die späte Störung, aber ich wollte gerne den Aufzug H nehmen! Stattdessen wurde mir der Aufzug Z zugewiesen!“
„Dann müssen Sie auf der Subliste stehen! Für die Leute, die auf der Subliste stehen, ist Aufzug Z vorgesehen!“
„Gibt es da keine Möglichkeit?“
„Ich fürchte nicht!“
„Das ist inakzeptabel!“
„Sie können gerne eine formlose Beschwerde einreichen! Aber das wird aller Erfahrung nach nicht viel nützen!“
„Und wieso nicht?“
„Aufzug Z ist für die besonderen Fälle reserviert!“
„Ich bin also ein besonderer Fall?“
„Wenn Sie auf der Subliste stehen, sind Sie ein besonderer Fall!“
„Und was macht mich zu einem besonderen Fall?“
„Ich denke, das wissen Sie selbst am besten!“
„Gar nichts weiß ich!“
„Sie wissen das nicht?“
„Nein!“
„Es fällt mir schwer, das jetzt zu sagen, aber ich sage es!“
„Was denn?“
„Laut Gesetz sind die besonderen Fälle die, die sich nicht an die Regeln halten!“
„Verstehe ich nicht!“
„Sie haben sich nicht an die Regeln gehalten, Graf! Adolf Hitler hatte das, auf sein Konto gehen die Leben von 55 Millionen Menschen! Er tötete sie, wohl nicht direkt, aber es geschah unter seiner Anweisung! Jack, the Ripper machte dies auch so, er schlitzte Menschen auf! Adolf und Jack brachten im üblichen Wege die Menschen vom Leben zum Tod! Aber Sie, Graf, sie verwischen die Grenzen zwischen Natürlichem und Übernatürlichem! Sie bringen nicht einfach so Leute um, Sie beißen sie, und die verwandeln sich! Da gibt es keine Eindeutigkeit von Tod und Leben! Saugt man jemandem das Blut aus, müsste der eigentlich tot sein! Bei Ihnen ist das aber nicht so, der Gebissene lebt weiter als Untoter!“
„Ist das jetzt ein Problem?“
„Eigentlich nicht, nur ein Problem der Kategorisierung! Und diese Kategorie verweist eindeutig auf Fahrstuhl Z!“
„Und damit soll ich mich jetzt zufrieden geben?“
„Tut mir leid, Vorschrift ist Vorschrift!“
„Also, ich muss jetzt zum Fahrstuhl Z?“
„Genau!“
„Und was erwartet mich da?“
„Das werden Sie sehen! Andere Frage!“, sagte der Herr aller Unterwelten.
„Ja, was denn?“, fragte der Graf.
„Würden Sie mir den Kinderkanal empfehlen, Graf?“
„Kinderkanal? Sie meinen KiKa?“
„Ja, genau!“
„Hm, schwierig zu sagen! Ich hatte den mal geguckt, und da hatte ich irgendwie alles um mich herum vergessen!“
„Scheint entspannend zu sein!“
„Ja, auf jeden Fall! Aber es besteht die Gefahr, dass man die Realität aus den Augen verliert!“
„Letzte Woche war ich beim Psychiater, der empfahl mir, dass ich irgendetwas Entspannendes machen soll, sonst bestünde bei mir die Gefahr eines burn-outs!“
„Müssen Sie so viel arbeiten?“
„Ja, ich habe einen Umsatz von zweihunderttausend Seelen, täglich!“
„Uih, das ist viel!“
„Ich muss alles überwachen und regeln und Listen erstellen! Und ständig kommen Anfragen, weil jemand angeblich auf der falschen Liste steht oder in einem anderen Aufzug fahren möchte! Das geht jetzt nicht gegen Sie!“
„Habe ich auch nicht so verstanden!“
„Verstehen Sie? Das ist der totale Stress!“
„Verstehe ich!“
„Seit ein paar Wochen habe ich so einen Druck auf der Brust! Der Psychiater sagte, das sei ein Stresssymptom!“
„Das kann durchaus so sein! Haben Sie Schlafstörungen?“
„Glücklicherweise noch nicht!“
„Haben Sie es schon mal mit Medikamenten versucht?“
„Hat mein Psychiater auch vorgeschlagen, aber will ich nicht! Ich will nicht so 'n chemisches Zeug, da gibt es auch Nebenwirkungen!“
„Es gibt aber auch pflanzliche Präparate wie zum Beispiel Johanniskraut!“
„Meinen Sie, das hilft?“
„Ich weiß es nicht, hatte ich selbst noch nicht versucht!“
„Na ja, ich denke, ich versuche es erst mal mit dem Kinderkanal! Vielleicht hilft das schon! Jedenfalls vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben!“
„Gerne! Alles Gute!“
„Warten Sie, Sie können den Aufzug Z1 nehmen!“
„Was ist der Aufzug Z1?“
„Das sagt Ihnen der Kollege! Auf bald!“
„Ja, bis dann!“
Sie legten auf, und der Graf gab das Handy zurück.
„Und?“, fragte der Behörnte.
„Ich soll zum Aufzug Z1!“, sagte der Graf.
„Okay, Z1 finden Sie da hinten am Ende des Ganges!“
„Vielen Dank! Was ist der Aufzug Z1?“
„Die harmlosere Variante von Aufzug Z!“
„Hört sich gut an! Danke!“
„Gerne! Der nächste, bitte!“
„Napoleon Bonaparte!“, sagte Napoleon Bonaparte.
„Moment, ich schaue nach! Ja, da sind Sie! Napoleon, selbst gekrönter Herrscher, machte viel Unsinn und wurde auf zwei Inseln verbannt ! Wunderbar, herzlich willkommen!“
„Merci beaucoup!“
Der Behörnte guckte.
„Was haben Sie gesagt?“
„Ich sagte merci beaucoup !“
„Was auch immer das heißen mag, aber ich möchte Sie bitten, hier anständig zu reden!“
„Wie Sie wollen!“
„Der nächste, bitte!“
„Maurice Ravel!“, sagte Maurice Ravel.
„Maurice Ravel, ich schaue eben, kleinen Moment, bitte! Ah, da sind Sie! Hm! Maurice Ravel, genialer Komponist, bereitete mit seiner Musik viel Freude, Eintritt verweigert ! Tut mir leid, Herr Ravel, Sie sind hier leider falsch!“
„Oh!“
„Gehen Sie bitte den Gang in diese Richtung, da empfängt Sie mein Kollege!“, sagte der Behörnte und wies den Weg.
„Merci beaucoup!“, sagte Ravel und verschwand.
Der Behörnte schaute ihm hinterher.
„Schon wieder so einer, der so redet! Na ja, egal, der nächste, bitte!“
„Nero!“, sagte Nero.
„Ja, okay! Kleiner Moment! Ich schaue gerade in der Liste! Ach ja, das sind Sie! Nero, römischer Imperator, zündet gerne Städte an! Herzlich willkommen!“
„Vielen Dank!“
Die nächsten waren auch alle sauber und durften in Aufzug H mitfahren. Es fehlten noch zwei Personen, damit der Behörnte die zwanzig Personen voll bekam. Aber es kamen keine. Die Zeit verging, und alle warteten. Und allen wurde langweilig.
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