Mittlerweile werden auch schöne Schoko-Tartes mit einer süßen Fruchtcreme und zahlreiche andere Leckereien vom Patissier zum Mittagstee aufgetischt. Isabell und Eleonore protestieren gleich: „Seid ihr verrückt? Wir können doch jetzt nicht mehr solche Kalorienbomben essen, bis zur Hochzeit muss noch so einiges heruntergehungert werden. Ich muss als Braut perfekt aussehen!“ „Aber Isabell, mein Schatz, ich liebe dich doch gerade, so wie du bist, wenn du noch dünner wirst, übersehe ich dich noch bei unserer Hochzeit.“ „Nichts da, bis zur Hochzeit berühren meine Lippen keinen Kuchen mehr.“ Albert erkennt seine Isabell nicht wieder, wie kann so eine Hochzeitsplanung doch das Gemüt ändern, Isabell macht sich jetzt schon Stress, obwohl die Hochzeit erst in über einem halben Jahr in Berlin stattfindet.
Während des Mittagstees wurden von den Damen schon die wildesten Ideen besprochen, während Albert und Franz nur stumm zuhören konnten. Bei einem Vorschlag von Isabell kam sogar ein geschmückter Elefant vor, aber das hat sie hoffentlich nicht ernst gemeint. Auch wenn der Termin noch nicht festgelegt ist, hat man schon mal eine grobe Richtung. Nachdem der Mittagstee beendet wurde, brechen Eleonore und Isabell auf, um gleich zu Monsieur Rossignol zu gehen und Sophie darf die beiden auch begleiten.
Auf dem Weg zum großen Modeschöpfer, fällt den dreien auch die Wahlwerbung in der Stadt auf. Es kommt ihnen sogar ein Mann mit einem Handkarren entgegen, der im Namen der Partei „Pur Parisienne“ kleine Häppchen an die Bürger der Stadt verteilt, um ihre Stimme zu bekommen.
Sophie hat ganz schön Hunger, sie war ja beim Tee nicht dabei, also hält sie kurz am Wagen mit den leckeren Schinken- und Pastetenbrotstückchen an und will eines abschwatzen. „Was ist denn los Sophie, wo bleibst du? Wir haben dafür keine Zeit. Beeil dich, wir haben einen engen Zeitplan!“ ruft Isabell ihrer Freundin auf Deutsch zu.
„Non! Das ist nur für unsere Pariser Bürger und nicht für so ein Pack wie Sie, verschwinden Sie!“ wird Sophie von dem Mann mit dem Handkarren angeschnauzt, während sich zwei bis drei andere, die anscheinend aus dieser schönen Stadt kommen, gleich mehrere Stücke von diesen lecker riechenden belegten Brotstücken nehmen. Jetzt merkt Sophie, dass diese Partei wohl etwas gegen Ausländer hat. Aber es gibt auch andersdenkende Pariser, so zerrt eine Frau ihren Mann mit und schimpft ihn, dass er bloß nichts von diesen Rassisten annehmen soll.
Die drei erreichen das Atelier des großen Meisters und müssen leider feststellen, dass dieser nicht da ist, aber immerhin bekommen sie einen Termin in zwei Tagen, um alles zu besprechen.
Kaum verlassen sie die Traumwerkstatt, da macht Sophie ihre Freundin Isabell auf etwas aufmerksam. „Schau da drüben, bei dem Karren mit den leckeren Schnittchen, die dieser Kerl von diesen „Pur Parisienne“ verteilt. Ist das nicht Konstanze?“ Tatsächlich, Konstanze von Trapnitz steht da und hat doch tatsächlich eines dieser leckeren belegten Schnittchen in der Hand und will gerade zubeißen.
„Ja so kenn ich unsere Konstanze, wenn es etwas umsonst gibt, steht sie zur Stelle!“ Konstanze hält inne, als sie Isabells Stimme hört, blickt auf und ruft ihr auf Deutsch zu: „Ich kann es mir erlauben so etwas zu essen, aber du meine liebe Isabell solltest da vorsichtiger sein, sonst wirst du noch dicker als du eh schon bist!“
Als der Mann, der die Schnittchen verteilt, merkt, dass Konstanze auch keine Pariserin ist, schlägt er ihr das Schnittchen aus der Hand und pöbelt sie an, sie solle verschwinden. Sophie lacht in sich hinein, wenn ich nichts bekomme, dann wenigstens diese dumme Kuh auch nicht.
Überrascht und ohne diesen Kerl eines weiteren Blickes zu würdigen, geht Konstanze auf Isabell zu. „Da scheint dieser Kerl anderer Meinung zu sein. Der denkt wohl auch, du bist zu fett, deswegen gibt er dir nichts zu essen!“ „Ach was, das ist doch nur ein Spinner, wir können ja mal deinen Albert fragen, wer von uns beiden die Schlankere ist?“ „Das lass mal schön bleiben, der gehört mir!“ „Ich habe dir doch schon gesagt, so lange kein Ring an deinem Finger steckt…“ Da unterbricht Isabell ihre Kontrahentin und klimpert mit ihren Fingern vor Konstanzes Gesicht herum. Konstanze bleiben die Worte im Hals stecken, als sie den Ring sieht. „Ist das…? Soll das…? Bedeutet das etwa, du bist mit ihm verlobt?“ reagiert Konstanze schockiert. Dabei begutachtet sie den Ring und erwähnt abfällig: „Naja, der ist ganz nett, aber da sind nicht einmal Diamanten drauf, ist das dann überhaupt ein Verlobungsring? Gebraucht ist er auch noch, da bedeutest du Albert wohl nicht so viel, wenn er bei dir spart?“ „Blödsinn, das ist schließlich der Ring seiner Großmutter, also hat er einen sehr großen ideellen Wert, der hat mehr Bedeutung, als so ein neuer Brillantring.“ „Ja, ja, rede dir das nur ein, ich glaube eher, du hast das falsch verstanden, und er gab dir den Ring nicht als Verlobungsring, sondern einen Ring als Abschiedsgeschenk, damit du immer an ihn zurückdenken kannst.“ „Da irrst du dich, oder fällt jemand der einen verlassen will, vor einem auf die Knie und bekundet seine Liebe? Vor allen Leuten, hoch oben auf dem Eiffelturm während Geigenmusik spielt?“ Da fehlen Konstanze die Worte, die Einzelheiten über den Antrag wollte sie jetzt nicht hören, aber Isabell musste ihr das einfach unter die Nase reiben. Schmollend und ohne jeden weiteren Kommentar macht sich Konstanze vom Acker, während die anderen Damen gutgelaunt von dannen ziehen.
In einem prachtvollen Rittersaal im Stile Ludwig des XVI, an einer ebenso prächtigen Tafel, sitzen fünf Männer, allerdings ist die Stirnseite nicht besetzt. Hinter dem leeren Platz hängt ein Gobelin mit eigenartig geknüpften Sprüchen und Symbolen. Im Zentrum des Symboles ist eine geballte Faust zu sehen, welche von einem roten Kreis umgeben ist. Am Ringfinger dieser Faust prangt ein goldener Ring mit einem Monogramm „P.P.“. Außerdem steht ein Spruch um den roten Kreis herum. „Eine reine Stadt - ist eine saubere Stadt!“
Der Mann, der rechts neben dem leeren Platz sitzt, steht auf und gibt ein Handzeichen. Daraufhin verlassen die Diener den Raum, und der Mann beginnt zu reden: „Meine Herren, wir haben uns heute hier versammelt, da wir immer noch keine Spur von unserem hochgeschätzten Vorsitzenden Delac haben. Nach unserer Satzung müssen wir einen neuen Vorsitzenden wählen. Vor allem so kurz vor den Stadtratswahlen. Das Pariser Schiff braucht einen Steuermann!“ Die verbleibenden vier Männer nicken zustimmend. „Ich stelle mich dieser Herausforderung und stehe als Kandidat zur Verfügung. Hat sonst noch jemand Interesse?“ fragt der Wortführer mit strengem Blick in die Runde. Keiner der Anwesenden meldet sich, dieser Mann hat sie anscheinend gut im Griff. „Gut, wenn sich sonst niemand zur Verfügung stellt, schreiten wir zur Wahl. Wer stimmt für mich?“ Von den vier übrigen Männern heben drei ihre Hand, ebenso der Kandidat selbst. „Wer stimmt gegen mich?“ Auf diese Frage gibt es allerdings keine Reaktion. Einer enthält sich also seiner Stimme, er macht sich wohl Hoffnung, dass der bisherige Vorsitzende Delac doch wieder auftaucht, und da will er diesen nicht verärgern.
„Also dann ist die Wahl eindeutig, und ich nehme ihre Entscheidung dankend an.“ Applaus ertönt, während sich der Gewählte feiern lässt. Als erste Amtshandlung beginnt er mit dem Stühlerücken und wechselt auf den leeren Platz an der Stirnseite.
„Da nun die Personalie geklärt ist, kommen wir zu unserem Hauptproblem. Durch diese Weltausstellung treibt sich in unserer schönen Stadt das Gesindel aus allen Herren Länder herum, man hört kaum noch unsere schöne Sprache. Der Präsident schaut nur zu, wie alles den Bach herunter geht. Wir müssen die Stadtratswahlen gewinnen! Wenn wir an der Macht sind, werden wir dem Präsidenten zeigen, wo es lang geht, dann dauert es nicht mehr lange, und wir sitzen auch im Elysee-Palast! Wir müssen den Wählern die Gefahren aufzeigen, die dieses Gesindel mit sich bringt. Seit Beginn dieser Ausstellung haben unsere Bürger sicherlich schon gemerkt, wie sich alles ändert. Die Straßen sind überfüllt, die Preise steigen ins unermessliche und die Kriminalität nimmt rasant zu. Dieses Pack verführt auch unsere Frauen, und wenn sie unsere schöne Stadt wieder verlassen, bleiben diese ohne Ehre zurück. Wir können nicht länger zuschauen, wie sie Schande über unsere Töchter bringen, wir sind die einzige Rettung für Paris!“ Es folgt ein stürmischer Beifall der Anwesenden, der neue Vorsitzende hat wohl den Nerv der Mitglieder getroffen. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir weiter vorgehen. Auch wenn ich unseren vorherigen Vorsitzenden Delac verehrt habe, muss ich sagen, dass er zu schwach war. Die Sache mit Dreyfus hatte nicht die gewünschte Wirkung, das Militär ist weiterhin unterwandert. Wenn wir Erfolg haben wollen, müssen wir erst das kranke Geschwür am Kopfe dieser Stadt, oder besser, dieses Landes entfernen!“ Dies bleibt nicht die einzige Hetzrede in dieser Runde, man kann nur hoffen, dass sie nicht alles ernst meinen.
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