Ein Auszug aus einem Brief, den eine Hamburger Tierschützerin an mich schickte, die 2007 in einer Tierauffangstation in Kusadasi / Türkei gearbeitet hat, soll die Situation verdeutlichen, mit der viele Tierschutzorganisationen rund ums Mittelmeer zu kämpfen haben.
„Im Tierheim sind zurzeit um die 250 Hunde, einer schöner als der andere, aber das hilft ihnen überhaupt nicht. Es ist nicht einmal gewährleistet, dass sie jeden Tag etwas zu essen bekommen. Das ist im Moment das größte Problem und natürlich müsste kastriert werden und da sind Mütter mit Welpen in den Holzställen, die nicht geimpft und entwurmt werden können …. Wer helfen möchte, dem sei gesagt, dass alles den Hunden zu Gute kommt. Um die Hunde einen Monat satt zu bekommen, brauchen wir 380,00 €. Dafür bekommen wir Nudeln, kein Futter.“
Die Situation vor Ort ist von Organisation zu Organisation etwas unterschiedlich, aber ein Zuckerlecken ist die Arbeit dort auf keinen Fall. Neben den finanziellen und organisatorischen Problemen ist die Arbeit für die Helfer eine enorme psychische Belastung, denn man wird tagtäglich mit dem akuten Tierelend konfrontiert und kann leider nur in einem sehr kleinem Umfange sofortige Hilfe leisten.
Neben dieser unmittelbaren Hilfe für die Tiere wird zusätzlich vielerorts durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit versucht, die einheimische Bevölkerung über die richtige Haltung von Haustieren aufzuklären. Weiterhin versucht man, so viele Tiere wie möglich vor Ort zu vermitteln. Die Vermittlung nach Deutschland steht an letzter Stelle. Die Vermittlungsarbeit vor Ort aber auch nach Deutschland dient in erster Linie der Schaffung von Platz für nachrückende Notfälle. Jedes Tier, was gerettet werden kann, kann vor der Todesspritze bewahrt werden. Die Tiere, die geretteten und auch diejenigen, die nicht gerettet werden können, weil es einfach viel zu viele sind, können für ihre Situation nichts. Die Streuner sind nicht Streuner, weil sie es so wollten. Sie sind es geworden, weil verantwortungslose Menschen entweder nach schnellem Profit streben, weil viele Halter beim überschnellen Welpenkauf nicht wissen, worauf sie sich einlassen und auch weil viele Jäger mit ihren Hunden völlig verantwortungslos umgehen. Das Problem der Streuner ist einzig und allein vom Menschen gemacht.

Was es in vielen Regionen Süd- und Osteuropas in der Regel noch zu wenig gibt, sind überregionale. den Tierschutz gezielt koordinierender Vereinigungen bzw. Dachverbände der Tierschutzorganisationen. Natürlich gibt es an vielen Orten sehr gut arbeitende mehr oder minder kleine oder große Tierschutzorganisationen. Eine gezielte Zusammenarbeit mehrere dieser Organisationen einer ganzen Region unter einer einheitlichen Leitung würde möglicherweise noch viel mehr bewirken können, als bisher möglich ist. Beobachtet man die Entwicklung in den sozialen Netzwerken, so ist deutlich zu erkennen, dass immer mehr am Tierschutz interessierte Personen an Zusammenschlüssen interessiert zu sein scheinen. Eine, auf die Initiative spanischer Tierschützer gegründete FaceBook-Gruppe 9wies bei Redaktionsschluss bereits knapp 3500 Mitglieder auf. Auch wenn vielleicht nur ein Teil der Mitglieder aktiven Tierschutz betreibt, ist doch deutlich erkennbar, dass die Problematik ganz langsam immer mehr Menschen interessiert. Meistens sind es Jüngere, aber gerade auf diese Generation baut die Zukunft des Tierschutzes.
Auf Mallorca gibt es einen solchen Dachverband namens BALDEA bereits, dem die überwiegende Zahl der Tierschutzorganisationen der Insel angehört. Dieser Verband hat sich zur vordergründigsten Aufgabe gemacht, einen Bewusstseinswandel in Hinblick auf den Tierschutz bei der örtlichen Bevölkerung aber auch bei der Regierung der Balearen, bei den örtlichen Behörden und bei der Polizei herbei zu führen. Bereits 2007 machte BALDEA den Politikern konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Haltung und der Lage der Haustiere sowie für Verbesserungen im städtischen Tierheim Son Reus. Weiterhin wurde den Politikern anhand der Erkenntnisse der lokalen Tierschutzvereine eine flächendeckende Studie für einen bedarfsgerechten Tierschutzplan vorgelegt. BALDEA setzt sich des weiteren für eine generelle Überarbeitung der zurzeit geltenden Tierschutzgesetze ein, um über kurz oder lang das unnötige und massenhafte Einschläfern von Haustieren zu vermeiden. Tiermisshandlungen und nicht artgerechter Tierhaltung nachzugehen, sind ebenfalls Aufgabe dieses Verbandes.
Seit 2011 versucht BALDEA über ein Schulprojekt insbesondere die junge Generation für die Bedürfnisse der Haustiere zu sensibilisieren. In dem hierzu gestalteten Werbeflyer heißt es wörtlich: „Internationale Studien haben ergeben, dass Kinder, die respektvoll mit Tieren umgehen, ihren Mitmenschen gegenüber ebenfalls mit mehr Einfühlungsvermögen und Toleranz reagieren. Die Verantwortung für ein schutzbedürftiges Lebewesen zu übernehmen, dessen Andersartigkeit zu akzeptieren und auf dessen artspezifische Bedürfnisse einzugehen, lehrt Kinder Rücksichtnahme und Verantwortung gegenüber anderen Menschen zu übernehmen. Das Projekt „ Mehr Sozialkompetenz durch Haustiere“, beinhaltet die pädagogische Erarbeitung des Unterrichtes gemeinsam mit BALDEA für die verschiedenen Altersstufen und für die Lehrerschaft, den Erwerb didaktischen Materials, die Schulung von Lehrern in den Sommerferien, da diese eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung und Weiterführung spielen, die Vorstellung des Projekts beim Schulministerium und der eigentliche Unterricht der Schüler, die auf spielerische und interaktive Art und Weise an das Thema der artgerechten und verantwortungsbewussten Haustierhaltung herangeführt werden sollen.“ 10
Die folgende Grafik (Quelle: BALDEA) soll veranschaulichen, wie viele Nachkommen eine einzige Streunerhündin hervorbringen könnte, würden alle Tiere überleben. Diese Zahlen sind natürlich rein hypothetischer Art, denn das harte Leben der Streuner verhindert eine derart extensive Populationsentwicklung.
Eine gemeinsame Initiative von Ärzten für Tiere und Tierschutzorganisationen aus vielen europäischen Ländern, darunter auch BALDEA, weist darauf hin, dass im Jahre 2009 der EU-Reform-Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist, in dem sich die Mitgliedsstaaten der EU verpflichtet haben, dem Wohlergehen der Tiere Rechnung zu tragen. Bis heute blieb es beim Zustandekommen und der Ratifizierung. Eine Umsetzung in nationales Recht – Fehlanzeige. Aus diesem Grunde entschieden sich die Initiatoren, eine Petition an das Europäische Parlament und den Rat zu richten, welche folgenden Inhalt hatte:
„ Petition
Die EU-Kommission und das Parlament müssen bindende Rechtsvorschriften erlassen, die das Recht der Straßentiere auf ein tiergerechtes Leben sichern.
Wir fordern daher:
Verbot der Einrichtung von Tötungsstationen - unter welchen Tarnnamen auch immer
Verbot jeglicher, medizinisch nicht indizierter Tötungen von Straßentieren - im Fall bestehender tiermedizinischer Indikationen - die Anwendung von schmerzlosen Euthanasiemethoden
Einführung bindender staatlicher Impf- und Kastrationsprogramme
Einführung von (Mindest-) Standards für Tierheime
Überprüfung bestehender jagdrechtlicher Vorschriften, welche die leichtfertige Tötung von Heim- und Straßentieren zulassen
Verbot des Missbrauchs von Straßentieren für Laborversuche
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