Helmut Lauschke - Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens

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Was den Wohlstand und die Armut angeht, ist die Welt in drei 'Klima'-Zonen unterteilt, in denen die Armut mit dem Hunger und den Seuchen durch verschmutztes Trinkwasser vom Norden nach Süden in einer Exponentialfunktion zunimmt. Zur südlichsten Zone mit dem Elend, der hohen Geburten- und Analphabetenrate, der hohen Mütter- und Kindersterblichkeit und der kurzen Lebenserwartung im Allgemeinen zählt der afrikanische Kontinent in seiner ganzen Größe.
Während der Apartheid halfen die Kirchen schwarzen Studenten mit dem Geld und ermöglichten ihnen das Medizinstudium an südafrikanischen Universitäten. Junge Menschen studierten meist in Durban, weil es dort mit der schwarzen Haut leichter war, einen Studienplatz zu bekommen. Andere gingen aus politischen Gründen ins Exil und transformierten dort die politischen Absichten und Gründe zur beruflichen Ausbildung. SWAPO (South African People's Organisation) verteilte die jungen Menschen auf die sozialistischen Bruderländer, was Kuba einschloss, wo sie die Schulen und dann die Universitäten besuchten. Der gemeinsame Nenner bei Bittsteller und Gastland war die Marxsche Doktrin vom Klassenkampf gegen den Imperialismus und zur Befreiung der Völker aus der Kolonisation und weißen Apartheid.
Es war das Resultat, als die 'fertigen' Ärzte aus dem Exil zurückkamen: Sie fanden nur wenige Kollegen im Norden Namibias vor, denn die südafrikanischen Jungärzte, die ihren Militärdienst in Uniform mit dem Stethoskop abgeleistet hatten, waren seit mehr als einem Jahr vom Hospital abgezogen und nach Südafrika zurückgeflogen worden. Die wenigen verbliebenen Ärzte taten ihre Arbeit unter den schwierigsten Bedingungen und Umständen des Krieges und des chronischen Mangels an Medikamenten, Instrumenten, Blutkonserven und anderen dringendst benötigten Gegenständen wie Bettwäsche und Schaumgummimatratzen.

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Mein Vaterland

I

Ein geteiltes Land – mein Vaterland treibt wie ein gespaltenes Floß auf dem reißenden Strom einer von Sehnsucht durchdrungenen gemeinsamen Sprache gespeist aus zahlreichen Flüssen und Quellen aus Keltischem und Slawischem, aus gewachsenen Dialekten. Vaterland ist das Land der Dichter und Lieder bis denkend hin zu den Kriegen, zu Gewalt und Tod. Begonnen mit den Idealen einer unbelasteten Jugend mit der Selbstverständlichkeit der Selbstopferung mit unermüdlicher Tüchtigkeit im Lernen der Tugend verabscheute sie von Anfang an Milde und Schonung. Und wieder hat die Geschichte eine andere Sprache gesprochen. Denn wieder wurde die Grenze nicht beachtet. Blut floss vor allem Unschuldiger zur entsetzlichen Lache, hinterher, immer dann erst, wird das geronnene Übel betrachtet. Gebrochen wird die Jugend, ihr Herz, zerbrochen die Scholle, verrosteter Stacheldraht wurde durch neuen ersetzt. O Vaterland der Särge und Kreuze, du geliebtes Land.

II

Trüb ist das Wasser geworden. Schwermut und Trauer fließen wieder durch Generationen, in der Weite des Stromes geht die Suche verloren. Zwischendurch gab es einen ersten flüchtigen Frühling, doch fehlten die Menschen, die ihn verstanden, und die Alten waren schon blind. Von der Sprache brachen manche Ecken zu Boden, Kinder spielten Fußball damit oder warfen sie fort. Schnörkel vergangener Zeiten werden geräumt, Väter liegen schlaflos und rätseln vor dem Morgen. Gewaltig hat sich verändert der einst vertraute Ort, die Idylle wurde mit dem Roden, den modernen Maschinen platt gemacht. Alte Lieder und Märchen wurden verlacht, Geachtetes wurde mit den Eisschollen fortgetragen. Das Neue, es ist nicht mehr als die unverstandene Fremde der einstigen Heimat. Es ist die Blindheit vor der Nacht, die den alten Baum verkennt mit dem Wort „Liebe“ in der Rinde. Einer schwamm bei Nacht in der Elbe, es war eine kalte Novembernacht, als er von Ufer zu Ufer schwamm. Geschossgarben gaben ihm das Geleit von Deutschland nach Deutschland.

III

Ein Kuckuck ruft mal hier mal dort, die Sprache ist dieselbe. Er ruft, dass etwas nicht in Ordnung ist und sich bewegt im Schutz der Nacht. Lichtsignale eilen über stumme Flächen, sie kreuzen sich und bleiben stehn, ein System will sich am anderen rächen, vom Wachturm haben Augen was gesehn. Schon rattern wieder die Gewehre, zwei Hasen springen hoch und sind zerrissen. Abgetrennt von jener scharfen Schere türmen Grenzkadaver sich vor den Gewissen.

IV

Fremde Sprachen sind in der zerstörten Stadt, tuscheln vor dem Geburtshaus meines Vaters, das längst in Trümmern liegt. Sicherheitsgründe sind’s, dass das Haus zertrümmert bleibt, wenige Meter weiter liegen schon die Minen. Es ist eine neue Zeit, das Geschichtsbuch ist veraltet, und der große Strom ist gar nicht weit, getrennt wird er verwaltet.

V

Das Sprachempfinden ist gewachsen, unaussprechlich ist der Schmerz. Mein Land – du geteiltes Vaterland, ganz behalt ich dich im Herz. Jenseits der Worte weinen die Gedanken von der Sonne des Tages harsch geblendet überschattet vom gähnenden Abgrund der Nacht. Wo ist nur der Pfad der eigenen Geschichte, verschmutzt fließt der Strom der großen Sprache, wenngleich die Quellen sauber sind. Es funktionieren die Gerichte, Minister haben ihre Wache, draußen fegt ein frischer Wind.

VI

Was Freiheit ist, man muss es lernen, die einen sagen es so, die andern sagen es anders. Eingebettet ruht sie in den Sternen, konkret zu fassen ist sie nirgendwo. So geh ich meiner Arbeit nach, der Worte sind genug gesprochen. Das ist mein Weg zum Vaterland.

Dr. Ferdinand fasste zusammen, was eigentlich nicht zu fassen war. Hier wie dort waren es die Menschen, die sich nach Freiheit sehnten. Hier waren es die Minenfelder mit und ohne Stacheldraht, dort war es die durchgezogene Mauer aus Beton plus meterhohem Stacheldraht mit dem breiten Todesgürtel. Ob Burenoder Betonköpfe, die Quadratschädeligkeit der Macht hatte die rigiden Systeme mit Blut verkrustet und leblos, steinhart gemacht. Der Anachronismus war Ausdruck der Blindheit und wütenden Unmenschlichkeit, die mit dem Blindenstock nicht zu korrigieren war. Das hart Vertrocknete musste zerschlagen werden, weil es von allein nicht vergehen wollte. Die da drüben gingen bereits auf die Straße und hielten brennende Kerzen in der Hand, die hier liefen ohne Schuhe über den aufgewühlten Sand und hatten nichts in den Händen, weil sie sich solche Kerzen nicht leisten konnten. Wie dem auch war, das alt Erstarrte musste weg, es durfte sich nicht länger halten, denn die Güter des Lebens waren zu lange ungerecht verteilt, weil das Soziale ins Sozialistische verpresst oder durch das Hautfarbendenken weiß überstrichen war. Keine dieser Verpressungen hatte ein Anrecht aufs Überleben, denn beide Systeme, ob politisch oder hautfarblich motiviert, waren moralisch, ethisch und menschlich vollkommen entgleist.

Die Nacht war ruhig, und Dr. Ferdinand fühlte sich ausgeschlafen, als er dem Wachhabenden an der Sperrschranke lächelnd sein „Permit“ genau dann vorhielt, als die Hähne sechs Uhr krähten. Der Wachhabende war mit einer solchen Erscheinung zufrieden und wünschte dem Doktor ein „lekker werk“ ( gute Arbeit ), was der Passierende sich zu Herzen nahm. Der Koevoetoffizier hatte sein Wort gehalten, zu dem er nur zwei Minuten Bedenkzeit brauchte. Das Einfahrtstor zum Hospital war nicht nur repariert, sondern durch stärkere Seitenpfosten und neue Torflügel ersetzt worden. Der Pförtner hatte sich bereits von seinem Schlafstuhl erhoben und öffnete den rechten Flügel mühelos und nicht ohne Stolz. Dr. Ferdinand vermisste beim Überqueren des Vorplatzes die urinöse Geruchspenetranz und wollte es nicht glauben, dass auch der Wasserschlauch zurückgekommen war, den die Koevoetleute vor Wochen zum Abspritzen ihrer Fahrzeuge mitgenommen hatten. Der Morgen war noch zu früh, als dass er begreifen konnte, dass es noch Menschen gab, die ihr Wort hielten. Dennoch freute er sich, weil es den Menschen mit den leeren Händen und mageren Gesichtern zugute kam. Aus diesem Grunde war seine Stimmung gehoben, als er die „Intensiv“-Station betrat und mit den Schwestern, die ihre letzte Stunde der Nachtschicht machten, nach den Patienten schaute. Es gab keine Besonderheiten, und Dr. Ferdinand notierte es zufrieden in den Krankenblättern. Die Schwestern machten am Ende seiner ersten Saalrunde ein besorgtes Gesicht und sagten ihm, dass sie gehört hatten, dass die Wehrmachtsärzte am Ende des Monats abgezogen würden. Er traute es dem Militär zu, obwohl er selbst vom Zeitpunkt des Rückzugs überrascht war. „Wie soll es mit dem Hospital weitergehen?“, fragten sie ihn. Er konnte eine Antwort nicht gleich geben, weil ihm bewusst war, dass mit einer Hand voll Ärzten ein so großes Hospital nur schwer zu betreiben war. „Wir werden auch das durchstehen.“ Mit diesem Mutmacher wünschte er den Schwestern einen guten Schlaf und ging zu den anderen Sälen, um seine Runde fortzusetzen. Die Säle waren völlig überbelegt, viele Patienten lagen auf dem Boden. Zwei und drei Kinder teilten sich ein Bett. Er entließ Patienten, die eigentlich noch nicht entlassungsreif waren und gab ihnen die weiteren Verhaltensregeln mit auf den Weg, die ihnen von den Saalschwestern in ihre Sprache über setzt wurden. Ein neuer Gesichtspunkt durchzog das Denken, denn das Denken vom Vortag reichte nicht aus. Es musste gestrafft werden, was in einem heruntergekommenen Hospital noch zu straffen war, wenn es für das Notwendigste gehalten werden sollte. Eine Strategie der Verteidigung war vonnöten, jetzt musste mit größter Hingabe gehandelt werden, um den Menschen in schwerster Zeit noch helfen zu können. Dr. Ferdinand machte sich selbst Mut, um anderen den Mut zum Durchhalten zusprechen zu können. Auf dem Weg zum Besprechungsraum sprach ihn der schwarze Kinderarzt an, um ihm zu sagen, dass ein schwarzer Chirurg zur Zeit im Windhoeker Zentralhospital arbeite, der dann die Chirurgie hier übernehmen wolle. Er fragte, ob Dr. Ferdinand etwas dagegen habe. Der hatte grundsätzlich nichts dagegen, schlug aber aufgrund seines chirurgischen Schwerpunkts vor, dass beide Spezialisten sich jährlich in der Chirurgie und Orthopädie abwechseln sollten. Der Kinderarzt nahm es zur Kenntnis und wollte den Vorschlag seinem schwarzen Kollegenfreund unterbreiten. Das Problem war eben, dass er selbst kein Orthopäde, sondern auch Chirurg war, und das orthopädische Krankengut große Anforderungen stellte. Dr. Ferdinand war durch diese Mitteilung einerseits erleichtert, weil ein erfahrener Kollege dringend gebraucht wurde, andererseits war er sich nicht sicher, ob der anvisierte Kollege dem Vorschlag zustimmte und Kollege genug war, ein solches Übereinkommen zu halten. Die Zukunft würde es zeigen. Sie betraten den Besprechungsraum, der bis auf den letzten Platz gefüllt war, so dass sich die beiden Kollegen, die noch in der Zeit waren, die Stühle aus dem Sekretariat holten und sich neben den Schreibtisch des Superintendenten setzten. Die Überraschung war nicht gering, als der weiße Kollege mit dem blassen Gesicht, der erst vor einigen Monaten mit dem Vorwand, die Augenheilkunde zu betreiben, angefangen hatte und bereits eine gutgehende Privatpraxis im Hospital betrieb, sich mit vollen Jackentaschen hinter den Schreibtisch setzte und mitteilte, dass er nun der Superintendent sei, da der Vorgänger den Schreibtisch des ärztlichen Direktors eingenommen habe. Dr. Eisenstein, der in Colonelsuniform seit einigen Jahren den höchsten Verwaltungsposten im Hospital innehatte und es dabei buchstäblich verkommen ließ, weil er sich mehr um seine Zahnsanierung und andere Dinge, wie die so genannten Sicherheitsprobleme, kümmerte, als selbst einmal von Saal zu Saal zu gehen, um sich von den miserablen Zuständen persönlich zu überzeugen, hatte den Dienst quittiert und ging seinem schlecht verdienten Ruhestand entgegen, den er in Südafrika mit gutem Augenmaß für die verfahrene Lage im Kreise der Familie genießen wollte. Dr. Johan sprach flüssig und stellte sich nicht ungeschickt an. Was er aus den Morgenbesprechungen der vergangenen Monate gelernt hatte, war, als Superintendent dann den Mund zu halten, wenn Fragen zur dringenden Behebung von Missständen gestellt wurden, die kein Missverständnis aufkommen ließen und beantwortet werden sollten. Er fummelte anfänglich noch an Wortversuchen herum, die bei näherer Betrachtung so schnell umkippten und wegrutschten, dass selbst der vielleicht gemeinte Sinn im Gesagten versagt war und sich schon in Luft aufgelöst hatte, als die drei letzten Worte noch im Ohr lagen. Nein, Dr. Johan war kein Dummkopf. Er hatte sein Ziel klar vor Augen und machte deshalb keine falschen Versprechungen, weil er wusste, dass jede Versprechung ein Versprecher war, der dazu führen konnte, dass man ihn der Lügerei bezichtigte. Nein, das wollte er auf keinen Fall. Er hatte sich deshalb etwas einfallen lassen, was für sein analytisches Denkvermögen sprach und ihn gleichzeitig vor den gehäuften Fragen in eine getarnte Stellung brachte, der man die Vernunft deshalb nicht absprechen konnte. Er öffnete einen epischen Raum für die Berichterstattung ärztlicher Tätigkeiten während der Nacht- und Wochenenddienste. Es war ein kluger Zug, den sich der gewitzte neue Superintendent da rasch ausgedacht hatte, bevor das Image der Person Schaden erlitt, weil es von jeher eine Kunst war, zu reden, ohne etwas zu sagen. Und ein Versagen wollte er sich so schnell nicht nachsagen lassen, wenn er da auch auf den Augensinn der Kollegen für die Realitäten des Hospitals vertraute, die einem Nichtblinden und einem, der sich nicht mehr blind stellen wollte, so kräftig auf die Augen schlugen, dass ihnen die Tränen kommen konnten. Es wurde also weiter gelabert, ohne den Boden unter die Füße zu bekommen, der nötig war, um die Probleme zumindest ansatzweise in den Griff zu bekommen. Der Superintendent belegte sein gutes Sehvermögen mit der Feststellung, dass die Einfahrt zum Hospital wieder hergerichtet und mit stärkeren Seitenpfosten versehen sei, und fügte dieser Feststellung, die er schon mit einem unverdienten Stolz versah, den Wasserschlauch hinzu. Dr. Ferdinand unterließ es, die diesbezüglichen Verdienste ins richtige Licht zu rücken, und so blieb es ungesagt, dass es noch Menschen gab, die ihr Wort hielten, wobei er an den Koevoetoffizier dachte, der nach persönlicher Besichtigung des Schadens ihm unrasiert und nach nur zwei Minuten Bedenkzeit versprach, dass diese Sache innerhalb einer Woche behoben sei. Er hatte sein Versprechen gehalten, und das war etwas ganz Außergewöhnliches. Der neue Superintendent sollte es von ihm nicht erfahren, damit er sich keine richtige Vorstellung machen musste, was für sein erwünschtes Image nicht gerade förderlich sein würde. Auch er sollte seinen mildernden Umstand haben. Was hatte diese Morgenbesprechung gebracht? Zunächst zwei neue philippinische Gesichter mit der unverkennbaren, euro-asiatischen Genvermischung und der Kopfform eines Würfels. Diese im Alter schon fortgeschrittenen Kollegen kamen wie ihre Vorgänger mit Frau und Kindern aus der Natalprovinz, wo sie in ländlichen Hospitälern bereits einige Jahre gearbeitet hatten, und wollten hier den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien verdienen. Für sie kam der günstige Umstand hinzu, dass ihre Frauen das Lehrervakuum an den verwahrlosten Schulen sofort auffüllen konnten, was den Brotgewinn von Anfang an erheblich erleichtern würde. So waren ökonomische Gesichtspunkte erkennbar, die diesen Nachzüglern so verlockend erschienen, dass sie die Gefahren, die der Krieg mit sich brachte, dafür in Kauf nahmen. Ein philippinischer Kollege wurde der Orthopädie, der andere der inneren Medizin zugeteilt. Für Dr. Ferdinand konnte es eine Erleichterung in der Bewältigung der operativen Arbeit sein. Die Besprechung frischte außerdem die Gedächtnisse bezüglich der miserablen Zustände in den Sälen auf, wo es weiterhin an ganzen Betten und Schaumgummimatratzen fehlte, wo die Wasserhähne klemmten und tropften, die Toiletten es nicht richtig taten und die verstopften Drainagen Ursache für die Scheißgerüche blieben. Die neuen Kollegen mochten sich darüber gewundert haben, weil sie das von den Toiletten in den Hospitälern der Natalprovinz anders gewohnt waren, doch für die hier länger tätigen Kollegen und die erfahrenen Matronen hatte diese Auflistung den Reiz des Neuen längst verloren. Die Erfahrenen wussten, dass es eine Routineübung war, die rein theoretischen Charakter hatte, der praktisch keine Bedeutung beizumessen war, weil sich an dem kotig verfleckten, zerrissenen und zu Bruch gegangenen Zeug, auf dem die Patienten widerspruchslos lagen und dem erbärmlichen Gestank, der den Nasen seit Jahren zugemutet wurde, nichts geändert hatte. An ein Wunder glaubte hier keiner mehr, dafür waren die Menschen realistisch genug, die wussten, dass dieses Hospital in der Zone der letzten Entscheidungsschlacht, wie sie vom Brigadegeneral genannt wurde, von der weißen Administration seit Langem nach dem Motto aufgegeben war: „Die sollen mit ihrem Dreck gefälligst alleine fertig werden.“ Der neue Superintendent hatte sich beim Wort genommen und keine Versprechungen gemacht. Er sagte kein Wort, und das war klug, wenn seine Augen auch unruhig hin und her fuhren. Ihm war kein Versprecher unterlaufen, dem man eine Lüge hätte anhängen können. Er hielt sich verdeckt und ließ die anderen reden, die doch nichts ausrichten konnten. Wie schon gesagt, es wurde in der Besprechung Platz gemacht für die Tätigkeitsberichte der Kollegen des Nachtdienstes, und der Platz war groß genug, um es ausführlich zu tun. Für die jungen Kollegen war das eine Herausforderung, sich umfassend und folgerichtig zu artikulieren, die Fallbeschreibung mit Hand und Fuß zu versehen und die Fragen präzise zu beantworten. Die Nützlichkeit des Sachvortrags zeigte sich, als ein junger, sympathischer Kollege, der seinen Dienst in Uniform verrichtete, von einem älteren Patienten berichtete, der seit Tagen über Schmerzen im rechten Unterbauch klagte. Er hatte den Patienten untersucht und mit der Diagnose „Appendizitis“ aufgenommen. Der Frage, was die rektale Fingeruntersuchung ergeben hatte, hielt er allerdings nicht stand. Er kippte um, weil er diese Untersuchung nicht durchgeführt hatte, die in den klinischen Semestern als unerlässlich gelehrt wurde. So machte der freundliche Kollege ein zerknirschtes Gesicht, und das zu Recht, denn er hatte sich an diesen klinischen Lehrsatz im entscheidenden Augenblick nicht erinnert. Er steckte die Schlappe ein, bei dieser elementaren Frage umgekippt zu sein. Er durfte die Lehre zur diagnostischen Gründlichkeit ziehen und sich später mit einem Schmunzeln daran erinnern, wenn er selbst diese Frage an einen jungen Kollegen stellte. Die Besprechung hatte nicht bestätigt, was die Schwestern am frühen Morgen Dr. Ferdinand anvertrauten, dass die Militärärzte am Ende des Monats aus dem Hospital abgezogen würden. Darüber verlor der neue Superintendent kein Wort, der es hätte wissen müssen. Er mochte seine Gründe zum Verschweigen dieser schwer wiegenden Botschaft gehabt haben, obwohl ihm keiner einen Vorwurf gemacht hätte, dies bereits jetzt mitgeteilt zu haben, weil die Konsequenzen noch nicht absehbar waren. Mit dieser Maßnahme, die an den Hauptnerv des Hospitals ging, würde die verbleibende Leistungsfähigkeit erneut auf den Prüfstand gestellt. Dr. Ferdinand wollte den Superintendenten nicht zu einer Erklärung dieses Einschnitts herausfordern, weil er ihm noch eine Schonfrist zubilligte und persönlich überzeugt war, dass sich ein so gravierender Umstand nicht lange geheim halten ließe. Die Besprechung war zu Ende. Die neuen Kollegen behielten ihre Plätze ein, um die Einzelheiten ihrer Unterkunft mit dem Superintendenten zu besprechen, bei denen es um Häuser ging, die auch ihre Familien fassten.

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