Helmut Lauschke - Namibia - Von der Weite der Landschaft zur Enge des Denkens

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Was den Wohlstand und die Armut angeht, ist die Welt in drei 'Klima'-Zonen unterteilt, in denen die Armut mit dem Hunger und den Seuchen durch verschmutztes Trinkwasser vom Norden nach Süden in einer Exponentialfunktion zunimmt. Zur südlichsten Zone mit dem Elend, der hohen Geburten- und Analphabetenrate, der hohen Mütter- und Kindersterblichkeit und der kurzen Lebenserwartung im Allgemeinen zählt der afrikanische Kontinent in seiner ganzen Größe.
Während der Apartheid halfen die Kirchen schwarzen Studenten mit dem Geld und ermöglichten ihnen das Medizinstudium an südafrikanischen Universitäten. Junge Menschen studierten meist in Durban, weil es dort mit der schwarzen Haut leichter war, einen Studienplatz zu bekommen. Andere gingen aus politischen Gründen ins Exil und transformierten dort die politischen Absichten und Gründe zur beruflichen Ausbildung. SWAPO (South African People's Organisation) verteilte die jungen Menschen auf die sozialistischen Bruderländer, was Kuba einschloss, wo sie die Schulen und dann die Universitäten besuchten. Der gemeinsame Nenner bei Bittsteller und Gastland war die Marxsche Doktrin vom Klassenkampf gegen den Imperialismus und zur Befreiung der Völker aus der Kolonisation und weißen Apartheid.
Es war das Resultat, als die 'fertigen' Ärzte aus dem Exil zurückkamen: Sie fanden nur wenige Kollegen im Norden Namibias vor, denn die südafrikanischen Jungärzte, die ihren Militärdienst in Uniform mit dem Stethoskop abgeleistet hatten, waren seit mehr als einem Jahr vom Hospital abgezogen und nach Südafrika zurückgeflogen worden. Die wenigen verbliebenen Ärzte taten ihre Arbeit unter den schwierigsten Bedingungen und Umständen des Krieges und des chronischen Mangels an Medikamenten, Instrumenten, Blutkonserven und anderen dringendst benötigten Gegenständen wie Bettwäsche und Schaumgummimatratzen.

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Die Hähne krähten mit gewohnter Regelmäßigkeit, und doch hatte Dr. Ferdinand verschlafen, weil er den ersten Ruf verträumt hatte. Er sprang aus dem Bett, kürzte das Brausen auf wenige Minuten ab, machte sich auf den Weg und dachte an eine Tasse Kaffee, zu der es nicht mehr reichte. Er legte einen Schritt zu und passierte den Kontrollpunkt leicht außer Atem, was einer der Wachhabenden als sportliche Betätigung ansah, während der von gestern ihn fragte, ob er an diesem Morgen ausgeschlafen sei, sich persönlich von den verbliebenen Schlaffalten im Gesicht des Arztes überzeugte und ihm dieses Gesicht schon besser abnahm. Er hastate am Pförtner vorbei, der ihm den Morgengruß schenkte, was ihm erst einfiel, als er den Vorplatz überquert und die „Intensiv“-Station betreten hatte. Es war halb sieben, und die Schwestern der ausgehenden Nachtschicht wunderten sich wie am Morgen zuvor über sein verspätetes Kommen. Er redete sich nicht heraus und sagte, dass er es verschlafen hatte, was die Schwestern seinem Gesicht auch glaubten. Einige der Patienten konnten auf die allgemeinen Säle verlegt werden, da sich ihr Zustand deutlich gebessert hatte. Die Runde durch die anderen Säle kürzte er ab, denn er wollte nicht der Letzte sein, der zur Morgenbesprechung kam, auch wenn ihm das Gequassel über die Sicherheit des Hospitals auf die Nerven ging. Auf dem Weg zum Besprechungsraum sprach ihn der schwarze Kinderarzt wegen eines dreijährigen Kindes an, bei dem er die Diagnose eines Darmverschlusses gestellt hatte, was der dringenden Operation bedurfte, bei der er, der Kinderarzt, assistieren wollte. Dr. Ferdinand wollte sich das Kind vorher im Kindersaal ansehen und hatte gegen den Wunsch des Kinderarztes nichts einzuwenden. Sie betraten gemeinsam den Besprechungsraum, der bereits bis auf den letzten Platz gefüllt war, so dass sich die beiden Verspäteten ihre Stühle aus dem Sekretariat holten und sich unweit vom Schreibtisch des Superintendenten setzten, der noch mit seiner Nasentoilette beschäftigt war. Dann putzte er die Gläser der Brille, setzte diese bedeutungsvoll auf die Nase, stopfte das Taschentuch weg und eröffnete die Besprechung. Er kam gleich auf die Unterredung zu sprechen, die er am vergangenen Nachmittag mit dem ärztlichen Direktor hatte und trug Folgendes vor: „Der Direktor ist über die Verschlechterung der Sicherheitslage besorgt. Die Diebstähle aus der Hauptküche, dem Pharmazielager und dem Fuhrparkgelände sind für ihn eindeutige Zeichen der heruntergekommenen Moral und der Kollaboration von Hospitalbediensteten mit Elementen der SWAPO. Er hat die Kriminalpolizei mit einer gründlichen Untersuchung beauftragt und drückte die Befürchtung aus, dass die Kriminalität das Hospital an den Abgrund bringen werde, wenn nicht drakonische Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Der Kommandeur der Koevoet hat ihm seine Unterstützung zugesagt, was bedeutet, dass die Männer dieser Spezialeinheit noch häufiger das Gelände abfahren und kontrollieren werden. Der Direktor ermahnte alle noch einmal eindringlich, an die Verantwortung zu denken, die jeder für die Sicherheit zu tragen hat, und drohte bei jedem Versäumnis mit disziplinarischen Maßnahmen.“ Dazu hatte eigentlich keiner etwas zu sagen, weil es keinem einleuchtete, was die Diebstähle mit der SWAPO zu tun hatten, von der keine Spur zu sehen war, die aber seit Monaten wie ein Geist in den Köpfen des ärztlichen Direktors und des Superintendenten herumspukte. Dr. Lizette drückte die Hoffnung aus, dass die kriminalistische Untersuchung da Licht hereinbringen werde, wer hinter den Diebstählen steckt, denn das mit der zunehmenden Unsicherheit bedrückte sie schon, wenn sie auch an den SWAPO-Spuk nicht so ohne Weiteres glauben wollte. Über die Botschaft des Truppenkommandeurs, die ihm der Major tags zuvor überbrachte, fiel kein Wort. Da schwieg sich der Superintendent aus, als wäre es ein persönlicher Rat, aber noch nicht das letzte Wort gewesen. Die alten Themen kamen auf den Plattenteller: die fehlenden Türschlösser zu den Sälen, die zerbrochenen Fensterscheiben, die gebrochenen Bettgestelle mit den längst ausgelegenen, urinrüchigen Schaumgummimatratzen, die verstopften Toiletten mit den gebrochenen Schüsseln und die verklemmten Wasserhähne. Der Superintendent hörte es das hundertste Mal und machte ein gelangweiltes Gesicht. Ein Wort dazu zu sagen hatte er nicht mehr. Darüber wunderten sich nur die, die neu gekommen waren, wie die philippinischen Kollegen. Es ärgerte aber Dr. Ferdinand und einige andere, die das für eine unverantwortliche Sauerei hielten. Die Matronen schüttelten die Köpfe, nicht etwa, weil sie nicht glaubten, dass es so war, sondern weil sie den Glauben an den Verstand verloren hatten, und daran, dass da zu Lebzeiten noch etwas passierte. Ein Ersatz für den gestohlenen Wasserschlauch zum Abspritzen des Vorplatzes stand ebenfalls noch aus. Dabei hatte die Anschaffung des Schlauches Dr. Witthuhn, als er noch auf dem Stuhl des Superintendenten saß und der Schreibtisch auf der anderen Seite stand, ein halbes Jahr unermüdlichen Einsatz von der Bestellung bis zum Eintreffen gekostet. Dass die Koevoet dann diesen Schlauch buchstäblich gestohlen hatte, belegte ihre rüpelhafte Rücksichts- und Skrupellosigkeit. Wie bei den meisten Morgenbesprechungen war auch diesmal kein Raum für die medizinischen Reporte der vergangenen Nacht, so dass über alles Mögliche gesprochen wurde, was aufgrund der Wiederholung wie bei einer Tretmühle bloße Zeitverschwendung war, aber nicht über das Wichtigste, die Patienten. Der fehlende Informationsaustausch im Rahmen dieser Besprechung hatte für die Patienten schon einige Male tragische Folgen. Die Besprechung war zu Ende ohne ein einziges Ergebnis von Substanz. Dr. Ferdinand gab dem Schweizer Kollegen Recht, der einst diese Besprechungen als Affenzirkus bezeichnete und sich persönlich davon ausschloss.

Dr. Ferdinand ging mit dem Kinderarztkollegen zum Kindersaal, um nach dem kleinen Patienten zu sehen, der am Tropf lag und aus der Magensonde grünbraune Flüssigkeit förderte. Der Bauch war gespannt, eine Rolle zu tasten und auf dem Röntgenbild ein Spiegel im rechten Unterbauch zu sehen. Er hatte sich im Umkleideraum umgezogen, berichtete Dr. Lizette, die im Teeraum bei einer Tasse Tee auf ihn wartete, von der Notoperation und fügte auf der OP-Liste den Namen des Kindes mit Station und Diagnose hinzu. Die Operation sollte als zweite nach der Nagelung einer Oberarmfraktur erfolgen, und so gab er dem Kollegen die ungefähre Zeit an, der schon vor dieser Zeit im „Doctors tearoom“ saß und es sich bei einer Tasse Tee gemütlich machte. Sie gingen zum „theatre 3“, wo der kleine Patient schon auf dem OP-Tisch lag und Dr. Lizette die Narkose einleitete, die bei Kindern in diesem frühen Alter so einfach nicht war. Eine erfahrene Schwester packte das Sieb auf dem Instrumententisch aus und rieb den Bauch mit der braunen Lösung ein. Die Bauchhöhle war eröffnet und die Rolle im rechten Unterbauch zu sehen und zu tasten, wo sich Dünndarm in Dünndarm ( Invagination ) geschoben hatte. Dr. Ferdinand erinnerte sich noch an die Operation mit der zweifachen Einstülpung, wo ein Großteil des unteren Dünndarms bis hoch zur rechten Dickdarmkrümmung reichte und ein Teil infolge der Gefäßstrangulation abgestorben war und herausgeschnitten werden musste. Der assistierende Kinderarzt sagte wenig bei der Operation, als wäre er mit seinen Gedanken nicht ganz dabei, was in der kritischen Situation mit dem ganzen Durcheinander, in dem sich die Menschen befanden und auf das Ende der weißen Apartheid hofften, kein Wunder war. Der eingestülpte Darm wurde herausgezogen, ohne verletzt worden zu sein. Eine Resektion hatte sich damit erübrigt, was den Eingriff wesentlich erleichterte. Der Kinderarzt hielt bis zur letzten Hautnaht durch, dann verließ er den OP-Raum, nachdem er vorher noch ein Späßchen mit den Schwestern in ihrer Sprache machte und sie damit zum Lachen brachte. Dr. Ferdinand, der junge Kollege und Dr. Lizette setzten ihr Programm im „theatre 2“ fort, wo der äußere Rollhügel, der vom Kondylenmassiv des linken Oberschenkelknochens gebrochen war, in anatomische Position zurückgebracht und mit zwei Schrauben am inneren Rollhügel befestigt wurde. Dabei war auch eines der kräftigen Kreuzbänder zu nähen, die für die Festigkeit des Knies von großer Bedeutung sind. Am Ende der Operation wurde noch eine Gipshülse angelegt, um das Knie für vier Wochen in leichter Beugung ruhig zu stellen. Als letzte Operation kam der vierzehnjährige Junge, der noch wie ein Achtjähriger aussah, dem die unvollständige Knochenbildung das Laufen zeitlebens verbot, der bereits über ein Jahr wie ein trauriger Buddha im Bett saß und seitdem von Vater, Mutter und Geschwistern verlassen war, dem vor einiger Zeit das verstellte rechte Bein im Hüftgelenk abgesetzt wurde, weil er sich beim Sitzen mit dem eingeknickten rechten Fuß ein tiefes Geschwür ins linke Gesäß gedrückt hatte. Diesmal war der große Haut-Muskel-Defekt, der bis zum Sitzbeinhöcker reichte, mit einem Weichteillappen zu decken, was nur mit einer Verschiebeplastik zu machen war. Es war eine mühsame Operation. Der Patient war in Bauchlage auf dem OP-Tisch, und das kontrakte linke Bein war ständig im Wege. Es dauerte gut zwei Stunden, bis sie beendet war, der Patient auf die Trage herübergehoben und auf der Seite liegend in den Aufwachraum gefahren wurde. Für Dr. Ferdinand war es ein Schlag aufs Auge, den Patienten nach dieser schwierigen plastischen Operation dann im Bett auf einem verdreckten Bezug und der ausgelegenen, stinkenden Schaumgummimatratze zu finden. Er konnte es nicht verstehen, wenn die pflegerische Nachsorge der Schwere der vorangegangenen Operationen nicht entsprach. Die Schwestern hätten einen frischen Bezug überziehen können. Eine neue Schaumgummimatratze, die konnten auch sie nicht beschaffen, denn in Sachen Matratzen geschah seit Jahren nichts. Der Superintendent bat Dr. Ferdinand, zwei Leichenöffnungen in der „Mortuary“ hinter dem Polizeigebäude vorzunehmen. Ein weißer Polizist mit einer breiten Offiziersepaulette, dem vielleicht noch zehn Jahre bis zur Pensionsgrenze fehlten, fuhr ihn in einen Seitenhof eines Komplexes aus zwei parallel gestellten Flachbauten ganz in der Nähe des zweiten Wasserturms mit den zwei MGs auf dem Dach, etwa hundert Meter hinter der Sperrschranke des zweiten Dorfausgangs. Um dorthin zu gelangen, fuhr er zwischen zwei von sechs „Casspirs“ durch, die sich am Straßenrand so dicht hintereinander aufgestellt hatten, dass beim Durchfahren zwischen dem vierten und fünften „Casspir“ auf beiden Seiten nur wenige Zentimeter bis zu den kantig stählernen Stoßstangen fehlten. Der Seitenhof war von Leuten der Koevoet gefüllt, die in grauen Uniformen herumstanden oder auf ausrangierten Reifen saßen, Zigaretten rauchten, Coca-Cola aus Büchsen tranken, die Stummel in die geleerten Büchsen warfen und beides in die Felgenöffnung der Reifen oder, einfacher, in Richtung eines großen Baumes schmissen, der ihnen den Schatten dazu gab. Im Leichenraum stand ein Sektionstisch aus Stahlblech, dem eine große Wand mit etwa dreißig kleinformatigen Kühlschranktüren gegenüberlag. Auf dem Tisch lag ein Toter, bei dem das Alter mit dreißig angegeben wurde. Er war schwarz und hatte eine scharf geschnittene Wunde über dem Scheitel, als wäre sie mit dem Panga gemacht. Der Sektionsgehilfe, ein schwarzer Koevoetmann, entfernte das blutig eingerissene Hemd, wobei eine Stichwunde am linken Brustkorb zum Vorschein kam, dann die blutig verschmierte Hose und die kotig eingeschmierte, graue Unterhose. Der Gehilfe verfügte über die nötige Erfahrung und eröffnete Brustkorb und Bauch in wenigen Zügen, wobei er die Rippen auf beiden Seiten an der Knorpel-Knochen-Grenze mit einem Messerschnitt durchtrennte. Dr. Ferdinand eröffnete den Herzbeutel, der mit dunklem Blut gefüllt war, und trennte das Herz von den großen Gefäßen ab. Das Messer hatte die Muskelwand unterhalb der Herzspitze durchstoßen und die vordere Segelklappe in der linken Herzkammer eingeschnitten. Die Innen- und Außenhaut des Herzens waren an der Einstichstelle blutig unterlaufen. Andere Verletzungen am Herzen fanden sich nicht. Der emsige Gehilfe hatte inzwischen das Hals-Thorax-Paket mit den anhängenden Lungenflügeln auf den erhöhten Organtisch gelegt. Dr. Ferdinand trennte Zunge und Speiseröhre vom Kehlkopf und der Hinterwand der Luftröhre ab. Dabei fand er eine Stichverletzung im Unterlappen des linken Lungenflügels, der dem Herzen anlag. Die Schädelhöhle war eröffnet, das Front- und linke Scheitelbein durch den Pangaeinschlag gebrochen, und dunkles Blut hatte sich unter der harten Hirnhaut angesammelt, das sich über die ganze linke Hirnhemisphäre verteilte. Außerdem lag noch eine Hirnschwellung mit Abflachung der Großhirnwindungen vor und hinter der zentralen Hirnfurche zwischen Stirn- und Scheitellappen vor. Dr. Ferdinand schrieb sein Protokoll und erfuhr erst auf Befragen, dass der Tote ein Koevoetmann gewesen war, der angeblich von drei Männern angefallen wurde, von denen er einen erschoss, worauf die beiden anderen ihn mit dem Messer in den Brustkorb stachen und mit dem Panga auf den Schädel schlugen. Dr. Ferdinand fügte diese Angaben ins Protokoll ein und behielt die Fragen, die da unweigerlich auftauchten, für sich, denn er rechnete nicht mit der Wahrheit vonseiten der Koevoet, was den Tod eines Koevoetmannes betraf. Der Gehilfe hatte inzwischen die Organe in die Brusthöhle zurückgelegt und die Haut mit einem kräftigen Faden von oben bis unten in fortlaufender Naht verschlossen. Der Körper wurde vom Tisch genommen und ins Kühlfach geschoben. Die zweite Leiche, die zur selben Zeit wie die erste aus einem anderen Kühlfach gezogen wurde und auf dem Boden lag, kam nun auf den Tisch. Dieser Körper gehörte einem schwarzen Mann von etwa vierzig Jahren, dem der Gehilfe die Kleidung im Nu herunterholte und mit erstaunlicher Fertigkeit die Körperhöhlen öffnete. Hier war es ein Geschoss, das aus kurzer Entfernung aus einer Pistole abgeschossen wurde, welches ihm durch den Kopf jagte und große Teile des Gehirns zertrümmerte. Dr. Ferdinand verfasste auch hier sein Protokoll und unterstrich die Worte „onnatuurlike dood“ ( unnatürlicher Tod ). Er fragte den Sektionsgehilfen, der wieder seinen Gehilfen fragte, ob dieser Körper jenem Mann gehörte, der einer der drei Männer des Überfalls war, welcher von dem Koevoetmann, dem der erste Körper gehörte, erschossen wurde. Der zweite Gehilfe bestätigte es dem ersten, und beide Gehilfen sagten dem noch protokollierenden Obduzenten, dass es in der Tat so war, was Dr. Ferdinand so hinnahm und doch nicht glauben konnte. Er sagte jedenfalls nichts dazu, las beide Protokolle noch einmal durch, setzte einige Worte dazu und Kommas dazwischen, bis er das Protokollierte schließlich mit seinem Namen unterschrieb. Es war doch über eine Stunde vergangen, als er den Obduktionsraum verließ und die Luft draußen ohne den Todesgeschmack atmete. Die Koevoetleute standen, saßen, rauchten und tranken Coca-Cola aus Büchsen im kleinen Seitenhof, wie sie es vor einer Stunde schon taten. Sie schauten den Doktor argwöhnisch an und bliesen ihm beim Vorübergehen den Zigarettenrauch ins Gesicht, aber direkt sprechen wollten sie mit ihm nicht. Dr. Ferdinand erkannte einige Gesichter von den nächtlichen Razzien im Hospital wieder, was sie überhaupt nicht störte, denn sie waren sich dessen gut bewusst, dass sie auf der Seite der Macht standen, wogegen auch der Doktor nicht ankommen konnte. Die Gelegenheit bot sich, als ein weißer Koevoetoffizier mit tief gebräuntem Gesicht, dunklen Haaren und unrasiert auf Dr. Ferdinand zuging, um ihn zu fragen, was er bei den Obduktionen gefunden hatte. Er sagte es dem Offizier, der gut zuhörte und ihn mit keiner Silbe unterbrach. Am Schluss sagte er noch, dass die Verstorbenen Cousins waren. Er sagte es ganz sachlich, ohne eine Gemütsfaser zu bewegen, und bot Dr. Ferdinand eine Zigarette an. Auf halber Zigarettenlänge sagte der Offizier ebenso sachlich und fast beiläufig, dass der Krieg an Schärfe zugenommen habe. Dr. Ferdinand nahm den Faden auf und kam auf die nächtlichen Razzien zu sprechen. Er schilderte seine Beobachtungen, wie einer der Koevoetmänner einem älteren Mann die Prothese regelrecht vom Bein schlug, dieser sich einbeinig mit den Händen am hinteren „Casspir“-Einstieg festhielt, um nicht zu fallen, wie er von zwei Männern gepackt und wie ein Stück totes Vieh in den „Casspir“ geworfen wurde und ein dritter Mann ihm dann noch die Prothese hinterherschmiss. Das andere Beispiel, das Dr. Ferdinand erwähnte, war der Patient mit der eingerenkten Hüfte, dem ein Koevoetmann den etwas herausstehenden Fuß infolge der gespreizten Beinlagerung mit solcher Gewalt nach innen schlug, dass der Patient vor Schmerzen aufschrie und die Nacht nicht mehr schlief, obwohl er eine Spritze gegen die Schmerzen bekommen hatte. Der unrasierte Koevoetoffizier verzog keine Miene, als er sich die Beschwerden anhörte und eine „Camel“ ohne Filter mit dem braunen Feuerzeug anzündete, das zur militärischen Grundausrüstung zu gehören schien. „Was Sie da sagen, mag schon stimmen“, meinte er, „aber dagegen machen können Sie nichts. Es sind grobe Burschen, die vom Benehmen keine Ahnung haben. Ich habe sie ermahnt, verwarnt, sogar verprügelt. Doch ändern tun sie sich nicht. Sie benehmen sich wie Tiere, als kämen sie gerade von den Bäumen runter.“ Dr. Ferdinand wollte es so nicht hinnehmen: „Dann müssen sie im Umgang mit Menschen eben unterrichtet und nicht nur ermahnt und verprügelt werden. Sie sollten von Leuten geführt werden, die vom Menschen etwas verstehen, besonders dann, wenn sie ihre Razzia im Hospital durchführen.“ Hier interessierte ihn, was der Koevoetoffizier von diesen Razzien hielt, und er fragte ihn nach seiner Meinung. „Offen gesagt, nichts“, antwortete er und begründete es damit, dass bislang noch kein SWAPO-Kämpfer dort gefunden wurde, und er persönlich an diesen Spuk nicht glaube, da die SWAPO-Leute längst wüssten, dass sie sich gerade im Hospital nicht verstecken können. „So blöd sind die auch nicht. Die Razzien finden statt, auch wenn da nichts rauskommt, weil ihr Direktor dem Brigadier täglich in den Ohren liegt und sie ihm voll klagt, der es dann an uns auslässt.“ Er versprach, mit seinen Leuten über das unmögliche Verhalten zu sprechen, hatte jedoch seine Zweifel, dass diesen Burschen überhaupt ein zivilisiertes Benehmen beizubringen war. Dr. Ferdinand sprach ihn auch bezüglich des gestohlenen Wasserschlauches an, der zum Abspritzen des Vorplatzes gebraucht wurde, um die Penetranz des Uringeruchs durch die Verdünnung mit Wasser erträglicher zu machen. Der Offizier bot dem Doktor eine Zigarette an, gab ihm Feuer und steckte sich auch eine an. Er war eigentlich gar nicht so unsympathisch, und Dr. Ferdinand verstand nicht, dass so ein Mann, hinter dem er sogar etwas Bildung vermutete, der das unrasierte Gesicht keinen Abbruch tat, bei so einem groben Haufen gelandet war. Sicherlich gab es dafür viele Gründe, vor allem aus dem privaten Bereich, weshalb ihn diese Sache nichts weiter anging. Als der Offizier dem Doktor bestätigte, dass er diesen Schlauch in einem Camp gesehen hatte, wo die Männer ihre Fahrzeuge abspritzten, hatte Dr. Ferdinand wieder Hoffnung. Der Offizier sicherte ihm seine Unterstützung zu und sagte, dass er diejenigen bestrafen werde, die den Schlauch gestohlen hatten. „Diese Kerle haben nicht nur kein Benehmen, sie stehlen wie die Raben und kennen dabei nichts.“ Dann kam die Rede auf die zusammengefahrene Hospitaleinfahrt mit den verknickten Pfosten und dem herausgerissenen Einfahrtstor. „Mit hat keiner eine Meldung davon gemacht“, sagte der Offizier. Dr. Ferdinand berichtete ihm über die frischen Reifenspuren der „Casspirs“, die er am nächsten Morgen auf dem Vorplatz gefunden hatte, von denen eine direkt auf den abgeknickten Torpfosten zuging. „Warum hat mich nicht gleich der Direktor oder ein anderer aus dem Hospital angerufen?“, fragte er erstaunt. „Das wäre doch das Mindeste gewesen.“ Dr. Ferdinand zuckte mit den Schultern und sagte: „Weil die sich damit nicht persönlich belasten wollen.“ „Was heißt persönlich belasten, wenn es ums Hospital geht?“, meinte er ärgerlich. „Da gibt es doch Verantwortung, die nicht dadurch aufgehoben wird, dass man dem Kommandeur in den Arsch kriecht, der sich da vor Würmern nicht mehr retten kann.“ Der Koevoetoffizier wollte sich die Sache selbst ansehen und gegebenenfalls dafür sorgen, dass die Einfahrt wieder in Ordnung gebracht wird. Er brachte Dr. Ferdinand persönlich zum Hospital zurück und schaute sich die verknickten Pfosten und verbeulten Tore der Einfahrt gleich mit an. Er brauchte keine zwei Minuten und versprach, dass die Sache in einer Woche erledigt sei. Dr. Ferdinand dankte ihm für seinen Verstand, worauf der Offizier meinte, dass die Koevoet so schlecht auch nicht sei, und die Zeit nicht besser werde.

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