Renate ging in die Küche rüber, drehte den Wasserhahn auf, schmiss die Zigarette ins Waschbecken und hielt ihre Hände unters fließende Wasser. Der abgestandene Essensgeruch bereitete ihr erneut Übelkeit. Überall stand schmutziges Geschirr herum, schmierige Flecken hafteten auf dem Fußboden. „Was für eine Schweinerei“, murmelte sie vor sich hin, „hier wollte ich leben? Mit einem Kind? Ich muss ja verrückt gewesen sein. Edgar hat Recht, ich habe den Verstand verloren. Die Hormone sind schuld. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen.“
Heiner stand in der Tür. Er sah aus, als hätte er es sich anders überlegt. Und tatsächlich bot er ihr an, diese eine Nacht in seiner Wohnung zu bleiben. Renate solle in Ruhe überlegen, wie sie die Sache mit ihrem Mann wieder einrenken könne. Er würde für die nächsten Stunden verschwinden, weil er arbeiten müsse.
Renate nahm sein Angebot dankbar an. Als Heiner gegangen war, legte sie sich auf die Couch im Wohnzimmer, zog sich eine Decke über und versuchte einzuschlafen. Heulen wie ein Kind, dem man seine liebste Puppe weggenommen hatte, das wünschte sie sich. Die Beteuerungen der Mutter, sie würde eine neuere und viel schönere kaufen, fielen auf taube Ohren. Nie würde die Mutter verstehen, weshalb sie gerade diese eine Puppe liebte. Oh nein, ich hasse Heiner, ich liebe ihn nicht, dachte Renate, ich liebe niemanden, ich hasse Edgar, ich hasse mich und mein Leben. Vielleicht werde ich auch das Baby hassen, vielleicht bin ich zu alt dafür. Ich habe eine Scheißangst. Muss ich in meinem Alter unbedingt ein Baby haben wollen. Soll ich dafür bestraft werden? Nein, das darf ich mir nicht einreden. Aber dass mein Plan wirklich bescheuert war, das stimmt. Ich habe Edgar mit seinem Freund Friedrich betrogen. Ein einziges Mal schlafe ich mit einem anderen Mann, und zack, bin ich schwanger. Wieso hat es mit Edgar nie geklappt? Nutzlos, darüber nachzugrübeln. Mit Ed ist es vorbei. Ich kann ihm nicht mehr in die Augen schauen. Wenn er erfährt, dass ich mit Friedrich im Bett war, dreht er mir glatt den Hals um. Diesen Betrug wird er mir nie verzeihen. Wenn ich nicht von Heiner schwanger bin, und nichts habe ich mir mehr gewünscht, dann bin ich es von Friedrich. Dieser eine Abend im Hotel, bei dieser Hitze im Juni. Mein Gott, was habe ich mir dabei gedacht! Wie konnte ich das tun! Eiskalt und berechnend war ich. Es war alles geplant, der Ort, die Zeit, sein Versprechen, Edgar gegenüber zu schweigen. Für immer. Und ich wollte Ed vorgaukeln, das Kind sei von ihm. Das war mein Plan. Möglich, dass er funktioniert hätte. Aber ich musste mich in Heiner verlieben, ich doofe Kuh. Eine Woche nach jenen Stunden mit Friedrich im Hotel traf ich im Hallenbad auf Heiner. Wenn ich an jenem Freitag aufs Schwimmen verzichtet hätte…Heiner und ich, wir hätten nicht im Wasser mit den Köpfen zusammen stoßen können…wer weiß…vielleicht hätte ich es geschafft, Ed anzulügen.
Und nun? Ich habe erreicht, was ich wollte, ich bin schwanger. Dafür ist meine Ehe ruiniert, und mein Liebhaber lässt mich sitzen. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll.
Renate wachte mit einem angenehmen Gefühl auf. Heiners Hand massierte ihre Brust. Zum ersten Mal erschreckte sie sich vor ihm. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, es war stockdunkel geworden. „Wie spät ist es?“, fragte Renate und roch seine Bierfahne, als er sich tiefer über sie beugte.
„Einmal noch, he Renate, jetzt, wo es absolut ungefährlich ist, könnten wir es ohne tun. Das ist besser, viel intensiver.“ Er schob den BH weiter herunter und küsste ihre Brust. Renate hielt still. Sie wartete, ohne recht zu wissen, worauf. Heiners Hand glitt in ihren Schritt. Zum Glück hatte sie die Jeans anbehalten, als sie sich hingelegt hatte. Energisch stieß sie Heiner von sich, sprang auf und lief aus dem Zimmer.
„Warte!“, rief er ihr nach und holte sie ein. Er fasste sie mit beiden Händen an der Taille und zog sie an sich. „Ein Abschiedsfick“, flüsterte er ihr ins Ohr.
„Bist du übergeschnappt! Mit dir will ich nicht mehr, du Mistkerl!“ Auf einmal sah sie es völlig klar. Sie hatte diesen eitlen, arroganten, selbstverliebten Mann nicht nötig, eigentlich brauchte sie überhaupt keinen Mann, sie würde es allein schaffen. Renate wand sich in Heiners Armen, während er versuchte, sie ins Schlafzimmer zu drängen. Für ihn war es ein Spiel, ein Schabernack. Für Renate war es bitterer Ernst. Sie kriegte eine Haarsträhne von ihm zu fassen und zerrte daran. Überrascht schrie Heiner auf und gab sie frei. Renate flüchtete in die Küche, weil er den Wohnungsausgang versperrte. Er war sofort bei ihr. Sie kämpften erneut miteinander. Heiner gewann schließlich die Oberhand, er packte sie von hinten, klemmte ihr die Arme vor den Bauch, dass sie bewegungsunfähig wurde.
„Okay, okay“, schnaufte Renate, „ich gebe auf, du hast gewonnen. Das Baby, Heiner, du schadest ihm. Bitte, lass mich los. Du kriegst deinen Willen.“
Er löste seinen Griff. „Warum der Aufstand, Renate. Seit wann prügeln wir uns, wenn wir miteinander schlafen wollen?“
„Vorher trinken wir ein Glas Wein, ja?“, schlug sie vor, „und mit ein bisschen Schick, bitte. Ist immerhin das letzte Mal.“
„Wie du willst, Darling.“ Heiner holte zwei Gläser aus dem alten Küchenbüfett. Renate lehnte sich an die Tür, bemüht, Gleichmut zu zeigen. Heiner reichte ihr ein mit Wein gefülltes Glas und prostete ihr zu: „Auf dein Baby!“
„Mit dir Arschloch trinke ich nicht auf mein Baby!“ Sie schleuderte ihm ihren Wein ins Gesicht, warf das Glas auf den Boden, wo es zersplitterte, sah seine verblüffte Miene, und als er einen Schritt auf sie zukam, stieß sie ihn mit beiden Händen von sich weg. Heiner rutschte aus und verlor den Halt. Er fiel rückwärts gegen das Büfett, sein Kopf knallte gegen eine hervorstehende Kante, etwas knirschte. Der Mann blieb regungslos auf dem Fußboden liegen. Sein Weinglas schepperte gegen ein Stuhlbein.
„Heiner? Heiner!“ Renate beugte sich über ihn. „Heiner, steh auf! Mach keinen Quatsch, bitte!“ Vorsichtig rüttelte sie an einem Arm. Heiner rührte sich nicht. Sie entdeckte Blut neben seinem Kopf. „Oh Gott, bitte, bitte, hilf mir, lass ihn nicht tot sein!“
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