Und auch Kan’to wird nicht sprechen darüber. So wie er nie über etwas gesprochen hat, das er gehört oder gesehen hat als Beschützer des Thain, er hat ihn lachen sehen, weinen, er hat ihn fluchen hören und liegen mit seiner Thaini, er hat ihn gekannt, wie ein Mensch einen anderen nur dann kennt, wenn er immer neben ihm ist. Nie ist ein Wort von alledem über seine Lippen gekommen, er hat nichts preisgegeben, er hätte sich eher vierteilen lassen als zu verraten, was er erfahren hat, wenn er als sein Beschützer einen Schritt hinter Thain Deramo gestanden hat. Mit den Händen auf den Heften seiner blau schimmernden Klingen, bereit sie gegen jeden zu ziehen, der ihm Böses will. Und er zieht sie blitzschnell, schneller als eine Schlange zuschlagen kann, Tenaro hat es mit eigenen Augen gesehen.
Er hat auch nicht preisgegeben, dass er ihm folgen wird in den Tod. Tenaro hat ihn gefunden in seinem kleinen Haus, das er bewohnt im Hof der Feste, er hat ihn gesucht, weil er nicht erschienen ist zu den Mahlzeiten in den drei Tagen, seit sie die Platte über der Gruft geschlossen haben. In einem zweigeteilten Anzug aus ungefärbter Strauchwolle, so wie er ihn getragen hat, wenn er sie die Kunst des Kampfes ohne Waffen gelehrt hat, mit einem Dolch an der Kehle, er hat mit geschlossenen Augen ein Gebet gesagt. Tenaro hat ihn nur gefragt, er hat dem Hause ab’Daikim dreißig Jahre lang treu gedient, warum er jetzt seinen Thain verlassen will, der ihn braucht. Kan’to hat ihm geantwortet, aber er hat ihn nur gebeten, ihn in einem einfachen Grab zu bestatten, ohne Namen, ohne Schmuck, so wie es einem Schwertmeister zukommt, der versagt hat darin, den zu beschützen, dem er Schutz versprochen hat. Tenaro hat es ihm zugesagt, aber erst, wenn es wirklich so weit gekommen ist, gegen den Feind, der seinen Vater getötet hat, hat auch er mit seinen Klingen nichts ausrichten können. Kan’tos Augen haben sich geöffnet, sie haben sich lange nur stumm angesehen, und am nächsten Tag hat er gestanden hinter Tenaros Stuhl, so wie er auch hinter Thain Deramo gestanden hat, in seinem langen geteilten Rock, dem Hemd, das über der Brust übereinandergelegt ist, und dem offenen Wams aus gestepptem Leder mit den überstehenden Schultern, einen breiten Stoffgürtel zweimal um seine Mitte geschlungen mit den gekreuzten Klingen darin. Eine ehrfurchtgebietende Gestalt, mit einem Gesicht, das keine Regung zeigt, er steht etwas seitlich versetzt hinter dem Thain mit den Händen auf den Heften der Waffen, bereit, sie gegen jeden zu ziehen, der dem Mann vor ihm Böses will. Mirini muss sich keine Sorgen machen um Tenaro, sie weiß ihn gut beschützt.
Aber er ist froh und erleichtert, als er endlich offenbaren kann, was er seit fünf Monden mit sich herumträgt. Vor seinen Nun’thainu, vor seinem Bruder Mereno, der der Mar’thain ist von Beth’narn, vor Ginjen, dem Marun von Beth’lai, und vor Damiro, dem neuen jungen Barar von Beth’kalar. Und er gibt auch preis, dass sie die Särge von Melak und Daikim dort gesehen haben, in einer Aushöhlung an der Rückseite der Statue, und dass sich dahinter die Höhle der Gaben befindet. Und es ist wie immer Mereno, der den besten Einfall hat, wie man den Menschen in den Ländern den Verlust der Statue ersetzen kann. Sie werden die Halle schließen, er wird seinen Baumeister schicken mit seinen Gehilfen, sie sind vertrauenswürdig, sie werden nicht darüber sprechen, was sie vorgefunden haben in der Halle, wenn sie zusammen daran arbeiten mit dem Baumeister der Feste. Die Trümmer entfernen, den Fall in der Höhle der Gaben wieder zum Fließen bringen, und die eisenbeschlagenen Truhen, in denen die Rollen und Bücher lagern, die die Geschichte des Landes beschreiben in den letzten drei Jahrhunderten, dort hinein bringen. Die Nebenhöhle, in der sie bisher gestanden haben, schmücken mit Daikims Sternen, ein großes Siegel aus Gold an der Rückwand, und dann die Särge hineinstellen, mit neuen Deckeln, wenn sie beschädigt sind, und den Eingang verschließen mit einem goldenen Gitter. Und eine neue Statue schlagen lassen aus Blöcken des weißen Steins von Beth’nindra, so groß, dass sie gerade noch hineingehen durch den Torbogen. Sie aufeinander schichten wie eine Mauer, bis an die Decke der Höhle, mit ein wenig Abstand zur rückwärtigen Wand, damit die Höhle der Gaben noch betreten werden kann. Es wird eine Zeitlang dauern, aber sie können mehr als einen Steinmetz daran arbeiten lassen, jeder in Beth’anu weiß, wie die Statue ausgesehen hat, und sie haben Vorlagen genug. Und vielleicht, wenn sie steht an derselben Stelle und der Wasserfall in der Höhle der Gaben wieder fließt, wird auch wieder Wasser eindringen von oben durch die löchrigen Schichten des Steins, der die Decke der Höhle bildet, dann wird sie auch wieder Tränen weinen für sie. Und wenn sie die Halle wieder öffnen für die Menschen, werden sie nicht nur die Statue ihres Gottes finden darin, vor der sie Verbindungen schließen, Kinder vorstellen und um ihre Toten trauern können, sie werden auch knien vor dem goldenen Gitter, hinter dem der Sarg des Mannes steht, der als Erster seinen Fuß gesetzt hat auf das Land westlich des Drat’kalar und es gemacht hat zu seinem Thainan. Das wird sie erfreuen, und vielleicht ein wenig ablenken davon, dass die Statue jetzt etwas anders aussieht und steht. Es erscheint allen die beste Lösung zu sein, so werden sie es machen, und Ginjen seufzt, unverhofft kommt oft, Danima wird noch ein wenig länger warten müssen auf ihre Residenz. Aber wichtiger als ihr neues steinernes Haus ist es, den Menschen in Beth’anu die Hoffnung zu erhalten, dass ihr Gott sie nicht verlassen hat.
So ernst und traurig die Dinge sind, die die Männer zu besprechen haben im Kronsaal, so lustig geht es zu im Garten der Thaini. Der jetzt einfach Karimas Garten ist, sie hat die Krone weitergegeben an Mirini, als Tenaro Thain geworden ist. Aus Eisen gemacht, wie alle Kronen in den drei Ländern, sie ist schwer, aber als einzige geschmückt mit roten Steinen. Ein Reif mit fünf Zacken als Zeichen der Thainwürde, jeder besetzt mit einem Roni, Tenaro hat sie auf ihre Stirn gelegt, als sie vor ihm gekniet hat in Melaks Halle, nachdem der alte Nun’thain von Anu’betain ihm die Krone des Thain auf sein Haupt gesetzt hat. Sie hat die Bürde gefühlt, die ihr damit auferlegt wird als Thaini von Beth’anu, aber sie hat ihren Kopf nicht gesenkt unter dem Gewicht, sie hat sie hoch erhobenen Hauptes in Würde getragen.
Aber nicht, wenn sie versammelt sind im Garten und ihren Kindern bei ihrem Spiel zusehen. Die Ahnkinder Karimas, Miteno, der Sa’Rimar, er ist ein wenig unleidlich, es ist noch nicht lange her, dass die Ärzte des Thain die Zeichen eingeritzt und gefärbt haben auf sein rechtes Schulterblatt. Er hat keinen Schmerz gespürt auf dem Schoß seines Vaters, sie haben die Haut betäubt mit einer Paste aus Kräutern, aber die Schnitte sind noch nicht verheilt, die Haut spannt über den frischen Narben, es juckt, aber er darf nicht kratzen an den Krusten. Er wird es überstehen, wie jeder Sa’Rimar vor ihm, und die Bedeutung der Worte, Praesis ut Prosis Non ut Imperes, Sei Erster um zu dienen, nicht um zu herrschen, er wird ihre Bedeutung vorgelebt bekommen von seinem Vater. Dessen Ebenbild er ist, nicht nur in seinem Aussehen, auch in seinem Wesen, er wird einmal wagemutig und draufgängerisch sein wie er. Aber nicht heute, er sitzt lieber auf dem Schoß seiner Ahnmutter im Pavillon und lässt sich trösten von ihr.
Seine Schwester Milina sitzt mit Sirimas Töchterchen Denira einträchtig auf einer weichen Decke, sie werfen die Türme aus bunten Klötzchen wieder ein, die Tenjen unermüdlich für sie stapelt. So wie er es auch für Dorimi getan hat, und auch sie quietschen und patschen in ihre kleinen Händchen vor Vergnügen wie sie. Kirini und Waniri streiten darum, wer den kleinen Wagen mit dem Püppchen darin ziehen darf, und wo zwei sich streiten, freut sich die dritte, es ist Dorimi, die ihn erobert und kichernd mit ihrer Beute abzieht. Derani sitzt mit ihrem Sohn Datiro auf der Seilschaukel, es ist genau das eingetreten, was Thain Deramo einst vorausgesehen hat, sie hält es wie früher die Barari von Beth’kalar. Sie schaukelt mit ihm, sie kriecht mit ihm auf dem Boden herum und sieht unter das Bett, wenn ein Soldat aus Zinn vermisst wird, sie kitzelt ihn, bis er quietscht vor Vergnügen und kichert dabei schlimmer als früher mit Sirima. Die alte Nun’thaini von Anu’betain verdreht manches Mal die Augen über sie, aber sie ist auch beeindruckt von der Würde und Haltung, die sie an den Tag legt, wenn sie an der Seite ihres Mannes Gäste empfängt am Sitz des Nun’thain. Auch wenn sie es nur widerwillig zugibt, ihrem Sohn hat es sehr gut getan, sich zu verbinden mit der kleinen Kicherlinse. Und Datiro ist geboren neun Monde und zwei Tage nach ihrer Verbindungsfeier, es scheint, sie hat den beiden damals Unrecht getan mit ihrer Vermutung.
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