1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 «Mein Schwanz ist gar nicht so klein!», sagte Marc überraschend, er schlug Miri gegen den Oberarm. «Sag es ihr.»
«Und ich bin kein Schwachmat», fügte Daniel hinzu, schaute dann zu Marc und meinte: «Ist das dein Ernst? Du verteidigst nun die Größe deines Schwanzes? In dem du deine Ex bittest ihn zu verteidigen? Ach komm schon.»
«So groß ist er wirklich nicht», meinte Miri.
«Du lügst doch!», schimpfte Marc frustriert und setzte sich.
«Wie alt bist du?», fragte Daniel. «Fünfzehn?»
«Alter, halte dich da raus.»
Da war es wieder. Dieses «Alter». Daniel holte einen fünfzig Euro Schein aus der Tasche und legte ihn auf den Tisch. «Sorry. Ich muss gehen.»
Miri schaute ihn an. «Ich dachte, du hast uns eingeladen? Nun gehst du ohne uns?»
«Die Einladung steht noch», sagte Daniel. «Ich dachte jedoch, jetzt wo er da ist, habt ihr Redebedarf.»
«Nein, haben wir nicht», sagte nun überraschend Jenny. Sie nahm ihre Tasche und stand auf. «Wir gehen mit dir mit.»
Kein Fenster. Nur künstliches Licht. Maja war nicht mehr gefesselt und so konnte sie in ihrer kleinen Zelle auf und ab gehen und sich bewegen wie sie wollte. Es gab einen Lichtschalter. Mehrmals hatte sie ihn an und ausgeschaltet. Schaltete sie das Licht aus, dann war es stockdunkel. So dunkel, wie sie es noch nie erlebt hatte. Zumindest nicht bewusst.
Wie viele Stunden waren nun vergangen? Sie wusste es nicht. Es gab keine Möglichkeit sie zu zählen. Sie hatte keine Uhr und an der Sonne konnte sie sich auch nicht orientieren. Eine Zeitlang hatte sie sich Gedanken gemacht, was es für Alternativen gab. Sogar an die Möglichkeit ihre Herzschläge zu zählen hatte sie gedacht. Aber das war natürlich Unsinn. Und ohnehin war es vollkommen egal. Sie musste hier raus. So schnell wie möglich.
Sie erschrak, als sich jemand an der Türe zu schaffen machte. Jemand öffnete mit einem Schlüssel das Schloss. Nervös kauerte sie in der Ecke des Bettes. Ihr Herz pochte. Dann ging die Türe auf.
«Essen für dich, Kleines», meinte die blonde Frau. Das angebliche «Model». Aber das war sie vermutlich nicht. Genauso wenig wie sie Tamara hieß. Alles nur Lüge. Da war sich Maja sicher.
Die Frau stellte einen Teller auf das kleine Tischchen, das neben dem Bett stand. «Lass es dir schmecken.»
Es roch gut. Maja starrte darauf. Ein Stück Fleisch, ein paar Kartoffeln mit Soße und etwas Salat. Für einen Moment überlegte sich Maja doch tatsächlich, ob sie nicht den Teller nehmen und ihn wütend auf die Frau schmeißen sollte. Aus Protest. Machte man das nicht so, wenn man gefangen war? In den Hungerstreik gehen? Doch sie entschied sich dagegen. Wahrscheinlich würde es keinen interessieren. Das war hier kein Film. Und sie war ohnehin nicht die Rebellin.
«Iss schon!», meinte die Frau. «Sein Koch ist gut.» Sie setzte sich neben Maja aufs Bett. «Du willst nicht wissen, was die Anderen bekommen.»
Die Anderen? Maja gehorchte. Zögerlich nahm sie die Gabel und das Messer. Und auch hier überlegte sie sich für einen Moment, ob sie agieren sollte. Ob sie das Messer nehmen und die Frau damit bedrohen sollte, um so herauszukommen. Aber auch da entschied sie sich dagegen. Sie würde nicht weit kommen, das war ihr klar. Sie konnte Kampfsport, hatte ihn aber noch nie außerhalb des Trainings eingesetzt.
«Schmeckt, oder?», fragte die Frau nachdem Maja den ersten Bissen genommen.
«Ja», sagte sie leise und kaute. Es war wirklich gut.
«Du solltest dich damit arrangieren», meinte die Frau. «Sonst wird es verdammt schwer, glaube es mir.»
Maja antwortete nicht. Sie aß tapfer von ihrem Teller. Vielleicht war es vergiftet, dachte sie sich nach einer Weile. Aber auch diesen Gedanken verwarf sie wie viele in der bisherigen Zeit ihrer Gefangenschaft. Das würde keinen Sinn machen.
Die Frau stand auf. Für einen Moment blickte sie zu Maja, dann ging sie hinaus.
Maja blieb zurück. Schweigend aß sie ihr Essen. Das Schrecklichste an dieser Gefangenschaft war die Ungewissheit. Und die vorhandene Zeit. Sie konnte sich die schlimmsten Dinge ausmalen. Das war besonders grausam. Sie konnte sich an keinen Zeitpunkt ihres Lebens erinnern, wo sie so viel Zeit hatte sich Gedanken zu machen.
Erneut ging die Tür auf.
«Und? Bist du fertig?», fragte Blondie.
Maja nickte. Ja, sie war fertig. Und sie hatte aufgegessen. Weil sie Hunger gehabt hatte.
Tamara kam näher und nahm den Teller. «Sehr gut, Kleines. Und jetzt ruhe dich aus. Wer weiß, wann er mit dir spielen will.»
«Spielen?», Maja schaute sie entgeistert an.
«Nenne es, wie du willst. Er nennt es spielen», sagte die Blondine und ging dann hinaus.
Spielen? Maja stand auf. Sie ging zur Türe und schlug dagegen. «Bitte! Mach auf! Bitte!»
Doch es kam keine Antwort.
Sie wurde wahnsinnig. Schien den Verstand zu verlieren. Maja schrie. So laut sie konnte. Vielleicht würde sie jemand hören. Vielleicht war es ja irgendwie möglich nach draußen zu dringen, wenn man nur laut genug war. Sie schrie so laut sie konnte. Aber lange hielt sie nicht durch. Schnell versagte die Stimme.
Es war keine gute Idee, das wusste Daniel. Offiziell gab es ihn nicht mehr. Gefallen in Afghanistan. Opfer eines Angriffes der Taliban. So lautete die offizielle Version und daran hielt er auch selbst fest. Seit nunmehr sieben Jahren. Doch Daniel hatte überlebt. Schwerverletzt. Die afghanische Armee hatte ihn gefunden und ihm das Leben gerettet. Nun lebte er ein eigenartig ruhiges Leben. Zumindest bevor Johnny wieder in sein Leben getreten war. Niemand hatte sich für ihn interessiert und er wollte, dass das wieder so wurde. Und da half es nicht gerade, wenn er irgendwelche Frauen in sein Haus einlud.
«Schöne Wohnung», meinte Jenny.
«Wollt ihr einen Wein?», fragte Daniel, wartete aber keine Antwort ab, sondern nahm gleich drei Weingläser aus dem Schrank. «Macht es euch gemütlich.»
«Was machst du beruflich?», Miri schaute sich um.
«Was Langweiliges», erwiderte Daniel und öffnete dann die Weinflasche. Rund 14 Euro hatte sie ihn gekostet. Aber das war es ihm wert. Allgemein war ihm guter Wein etwas wert, obwohl er eigentlich eher ein Biertrinker war.
«Was heißt das?», fragte Jenny und kam zu ihm in die Küche.
Daniel gab ihr eines der drei Gläser, nahm dann die anderen beiden und ging ins Wohnzimmer. Jenny folgte ihm. Er gab Miri das andere Glas. Dann schaute er sie beide abwechselnd an. «Habt ihr schon mal zusammen rumgeknutscht?»
«Äh, nein!», meinte Miri und stieß mit ihm an.
«Wie langweilig» sagte er und trank einen kräftigen Schluck.
«Entschuldige mal», Jenny wirkte entrüstet. Oder zumindest war es ihr Ziel, dass er das glaubte.
«Ihr werdet es tun!», meinte er und trank einen weiteren Schluck. «Heute.»
«Eher nicht», grinste Miri.
Daniel nickte. Er widersprach ihr nicht, obwohl er wusste, dass sie es tun würden. Und sie würden noch viel mehr tun. Er hatte ein Gespür dafür und konnte es genau einschätzen. Er spürte, dass sie es wollten. Vielleicht nicht unbedingt diesen Kuss. Aber vor allem deshalb, weil sie sich damit wahrscheinlich noch nicht auseinandergesetzt hatten. Aber sie wollten ihm gehorchen. Sonst wären sie nicht hier.
«Der Wein ist gut», meinte Jenny. Sie trank schnell. Ihr war die Nervosität anzumerken. Und die kam nicht von ungefähr. Daniel hatte eine gewisse Erwartungshaltung. Die beiden Frauen waren sich dessen bewusst, auch wenn sie es herunterspielten.
«Er ist auch teuer», meinte Daniel nickend. Er war überzeugt, dass er ihr auch einen billigen Wein hätte hinstellen können, sie hätte den Unterschied nicht gemerkt.
«Wohnst du alleine hier?», fragte Miri. Sie schaute sich um, als würde sie nach Fotos an der Wand suchen. Oder irgendeinen sonstigen Hinweise.
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