Die Gestürzte schüttelte sich kräftig und ermahnte sich, dass alles aus ihr selbst heraus kam; also war auch die Geliebte, die soeben zu ihr gesprochen hatte, nicht mehr als eine unechte, ganz und gar ausgedachte. Sie suchte sich einen festen Punkt, auf den sie schauen konnte, und fand ihn an der Decke. Minutenlang verharrte sie auf diese Weise, bis es ihr albern vorkam, sich vor sich selbst zu verstecken. Die unechte Geliebte hatte sie herausgefordert. Sie richtete sich im Bett auf, spielte die Unbekümmerte und gab ihrem Tonfall eine natürliche Lässigkeit, die wie folgt klang: dass sie ja schon immer mal hatte wissen wollen, was in ihrem Unterbewusstsein so alles los sei. Man selbst käme da ja schlecht heran, eigentlich nur, wenn man träume. Aber die Geliebte, als quasi frisch Aufgestiegene, könne da sicherlich Abhilfe schaffen und aus erster Hand berichten. Allerdings wisse sie natürlich, und an dieser Stelle bemerkte die Gestürzte, wie sie langsam wieder Oberwasser bekam, dass sich in ihrem Unterboden nichts Weltbewegendes abspielen könne; am liebsten sitze sie nämlich zu Hause auf dem Sofa, mache Brettspiele und sehe auch hin und wieder fern. Sie fand ihre Rede überzeugend, legte darauf bequem den Kopf zurück und wartete ab, wie die Geliebte reagieren würde. Die schwieg lange und sah der Gestürzten dann direkt in die Augen. Ihr Blick war spöttisch und kleine Flämmchen glommen darin. So hatte die Geliebte noch nie geschaut. Sie wollte nun ihrerseits wissen, wie man es zu einem solchen Unterbewusstsein bringen konnte. Ihr eigenes Leben verliefe leider in allzu ordentlichen Bahnen. Sie selbst habe ihren Unterboden zwar noch nie besucht, vermute aber, dass dort keine jungen Männer verlassen in Ecken säßen und die Räumlichkeit eher einer komplett eingerichteten Zweiraumwohnung gliche. An dieser Stelle hielt die Geliebte inne und nahm die Gestürzte fest ins Visier. Allerdings, meinte sie weiter und ihr Tonfall wurde erneut streng, solle die Gestürzte ein wenig aufpassen und den Bogen nicht überspannen. Es schwanke so ziemlich alles bei ihr, daher sei es nicht verwunderlich, dass sie nun deformiert und blass im Krankenbett liege. Was ihr fehle − dabei hob die Sprechende den Finger in die Höhe, vermied aber den Hüftschwung −, seien Struktur und Disziplin. Die Wissenschaft sei ihr nicht leichtgefallen, gestand die Geliebte, auf vieles hatte sie deshalb verzichtet, aber sie hatte immer gewusst, warum, und es hatte sich gelohnt. Ihr Mann, und jetzt holte sie doch zum Hüftschwung aus, sei kameradschaftlich, liebevoll und helfe im Haushalt. Darauf verstummte sie. Die Gestürzte hatte bei den letzten Worten nachsichtig genickt. Es war nur zu deutlich zu hören, wie gern auch die Geliebte bis Mittag im Bett gelegen hätte. Aus dieser Perspektive fand sie die Geliebte wenig vorteilhaft und schlug deshalb vor, das Thema zu wechseln. Beide unternahmen weitere kleinere Ausflüge, und die Flämmchen in den Augen der Geliebten vergrößerten sich. War sie einmal in Gang gekommen, so kam es nicht selten vor, dass sie unaufhörlich redete und die Gestürzte nur zuhörte. Dabei sprach die Geliebte in einschmeichelndem Ton, der die Gestürzte ganz besäuselte. Dies waren die glücklichsten Stunden ihres Zusammenseins. „Du bist für mich die Treppe heruntergefallen“, plauderte die Geliebte einmal mit einem gewissen Stolz, und was das Schönste sei, nach all der Flatterhaftigkeit habe sie das Große und Ganze gefunden, und die Wahl sei ausgerechnet auf sie selbst gefallen. Die Gestürzte schlug bei solchen Worten die Augen nieder und wollte abwehren. Doch die Geliebte blieb bei ihrer Meinung. Sie selbst, und dies behauptete sie immer wieder, hatte die große Liebe nicht gefunden. Die Gestürzte wollte ihr das kaum glauben. Die Geliebte blieb aber beharrlich und behauptete sogar, ihr gegenüber eine gewisse Unbeholfenheit zu spüren. Die Gestürzte wehrte ab: Sie solle sich nur locker fallen lassen, sie werde sie schon auffangen. In den Tagen ihrer gemeinsamen Plaudereien am Krankenhausbett fiel die Gestürzte mehrmals auf die Geliebte, und ihre Ausflüge endeten immer unter der Decke des Krankenhausbettes.
In dieser Zeit hatten sich oft Zuckungen im Unterleib der Gestürzten eingestellt, und ihr Blick war bei den Gesprächen mehrmals auf dem Dekolleté der Geliebten hängen geblieben und auch tiefer gerutscht, was diese als besonderes Interesse am Gesprächsthema gedeutet hatte. Mittlerweile kannte die Gestürzte alle Vorteile des Tagträumens. Sie konnte der Geliebten mitten im Gespräch den Mund zuhalten und sie kurzerhand auf das Bett werfen. Ein fester Griff und ein feuriger Kuss auf die Lippen, und die Geliebte war still und flachgelegt. Da sich aber die wahre Geliebte immer noch in gehöriger Entfernung zu ihr aufhielt, musste sie sich mit der eigenen Hand und den eigenen Schenkeln behelfen. Es bedurfte keiner besonderen Kunstgriffe der Hand mehr, um den Unterleib in Erregung zu versetzen. Nachdem die Hand im Slip gelandet war, fand sie nach kurzen Irrungen immer ihr Ziel. Besonders die obere Hälfte ihres Geschlechts konnte durch kreisende Bewegungen stark in Wallung versetzt werden. Dass die Geliebte dabei vor ihren Augen verschwamm und für kurze Zeit ins Unterbewusstsein abtauchte, nahm sie bei der angenehmen Feuchte zwischen ihren Beinen kaum wahr. Seufzend ließ sie ihren Kopf tief ins Kissen zurückfallen, während die Hand in ihren Bewegungen kräftiger und rascher wurde. Dabei geriet stets auch das Bett in Bewegung und quietschte hörbar im Rhythmus. Das wäre an sich nicht schlimm gewesen, da sich die Gestürzte allein im Zimmer aufhielt. Einmal jedoch, als sie die Geliebte gerade flachgelegt hatte und auf den Höhepunkt zusteuerte, der sich durch ein leichtes Stöhnen ankündigte, hörte sie Schritte. Jemand musste sich in ihre Nähe bewegt haben und sich neben ihr aufhalten. Sie wagte nicht, die Augen zu öffnen. Erregt, wie sie war, hatte sie die Gefahr einer Entdeckung unterschätzt. Da half es auch nicht mehr, die Hand sehr unauffällig und langsam aus dem Slip zu ziehen. Sie fühlte sich ertappt, öffnete blinzelnd die Augen und wünschte sich, die Schwester möge das fällige Donnerwetter möglichst schnell auf sie herablassen. Noch benommen, raffte sie sich hoch und öffnete die Augen ganz. An der Schwester war nichts Auffälliges zu bemerken. Sie nahm die Bettdecke in die Hände, schüttelte sie mehrmals kräftig und warf sie über die Kranke. Auch die Art des Wurfs unterschied sich nicht von den Vortagen. Sie hatte die Angewohnheit, das Deckbett so weit zu werfen, dass die Gestürzte ganz darunter verschwand. Trotzdem blieb sie misstrauisch und vermutete, dass die Schwester besonders ausgebufft war. Sie wusste aus Erfahrung, dass sittsame Menschen – der Schwester hing ein kleines Kreuz auf der Brust und die Haare waren streng gekämmt – ein großes Talent für Verstellung und Scheinheiligkeit besaßen. Wollte sie wieder ruhig schlafen und vor allem die Anwesenheit der Schwester ohne Scham ertragen, dann musste sie den passenden Aufhänger finden, um zu erfahren, woran sie war. Sie überlegte, auf welche Weise sie der Schwester ihre Gedanken entlocken könnte. Das quietschende Bett stellte einen unmittelbaren Bezug her und war trotzdem als Thema sehr allgemein und unverfänglich. Die Gestürzte wollte bei der Erwähnung der Worte Bett und quietschend genau auf das Gesicht der Schwester achten. Würde die erröten oder unsicher werden oder gar einen Stock herausholen, um sie zu züchtigen, dann gab es keinen Zweifel mehr: Sie war ertappt worden und musste sich für alle Zeit schämen. Sie rappelte sich hoch, brachte sich in eine stabile Sitzposition, faltete die Hände über den Bauch und begann zu sprechen. Im Prinzip fühle sie sich ganz wohl hier, erläuterte sie, nirgendwo schneie man so plötzlich herein und werfe derart präzise die Decken über die Patienten. Nur in einem Punkt mache sie sich allerdings Sorgen. Neben den Bettlägerigen und Steifen, die sich nur unter Zuhilfenahme fremder Arme und Beine bewegen konnten, gebe es auch die relativ Mobilen, deren Beweglichkeit sich schon durch häufiges Drehen und Wenden im Bett bemerkbar mache. Selbst bei großer Vorsicht ließe sich ein Quietschen dabei nicht verhindern. Das könne jedoch zu der Schlussfolgerung führen, diese Kranken befänden sich bereits auf dem Weg der Besserung und benutzten das Bett neben der Genesung noch für andere Dinge. In ihrem Fall, zum Beispiel, könne eine solche Annahme schlimme Folgen haben, da ihre Füße noch halb starr wären und sie sich nicht wohl befinde. Darauf verstummte die Gestürzte, entfaltete ihre Hände und blickte gespannt zu der Schwester. Die jedoch hatte bei keinem der entscheidenden Wörter mit der Wimper gezuckt. Erleichtert atmete sie auf und war sich nun sicher, dass die Schwester nicht einmal wusste, wie sie das Ding zwischen ihren Beinen nennen sollte. Als die Tür geschlossen wurde und die Gestürzte wieder allein war, bemerkte sie, dass sich durch den abrupten Abbruch eine Verspannung im Unterleib eingestellt hatte. Erst am späten Abend, nachdem die Hand zum zweiten Mal in den Slip gelangt war, wurde es da unten angenehm locker und selbst der noch halb verbeulte Kopf fühlte sich wohl.
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