Ihre Mutter Ahmes war schon immer knauserig gewesen und ihr Vater der Pharao interessierte sich für derartiges sowieso nicht. Er dachte praktisch und all das Gebimmel und Gebammel, mit dem man sich ausstaffieren konnte, war ihm nur lästig. „Lass doch das Kind, wenn es ihr Freude macht“, entgegnete er seiner Großen königlichen Gemahlin als sie wieder einmal die Verschwendungssucht der Tochter zur Sprache brachte. Er hoffte dabei immer nur inständig, dass seine kleine Tochter den großen Rahmen, den sie für sich absteckte, auch würde mit Leben erfüllen können, ohne sich lächerlich zu machen. Doch Hat-schepsut tat genau das Richtige: Sie wählte die erlesensten Dinge, die sie umgeben sollten und zeigte sich dabei jedoch als bescheiden gekleidetes, humorvolles und den Menschen stets wohlwollend zugewandtes Mädchen. „Erobere die Herzen der Menschen“, hatte Ah-hotep ihr geraten. „Deine Untertanen müssen die loyalsten Verbündeten sein, die du hast. Lass das Volk dich lieben.“
Tag und Nacht wurde am Umbau des Palastes gearbeitet, damit Hat-schepsut gleich nach Ah-hoteps Beisetzung zur Gottesgemahlin des Amun ernannt werden konnte und ihr neues Domizil auch bezugsfertig war. Als hätte sie es darauf angelegt, wurde Ah-hotep prompt während der Epanogemen bestattet, jener fünf Zusatztage des Kalenders, die als Geburtstage der Götter Osiris, Horus, Seth, Isis und Nephthys galten. Jeder Monat zählte drei Wochen zu je zehn Tagen und jede der drei Jahreszeiten umfasste vier Monate, so dass jene fünf heiligen Tage eingeführt werden mussten, um ein Jahr von 365 Tagen zu erhalten. Und prompt am ersten jener fünf heiligen Tage, dem Geburtstag des Osiris, wurde Ah-hotep in ihrem Felsengrab zur letzten Ruhe gebettet. Tags darauf, am Geburtstag des Horus, wurde Hat-schepsut in ihr Amt als Gottesgemahlin des Amun eingeführt. Pharao hatte sich entschlossen, bei dieser Gelegenheit auch Thot-mose als Thronfolger zu ernennen. Am liebsten hätte er den Sohn gleich zum Mitregenten erhoben, um ein für alle Male unumstößliche Tatsachen zu schaffen. Doch Pharao wollte ihm dann doch lieber noch ein paar zusätzliche, unbeschwerte Jahre gönnen, die Thot-mose für seine Ausbildung nutzen konnte, ohne bereits jetzt schon etliche Pflichten eines Pharaos erfüllen zu müssen.
Angeregt durch Hat-schepsuts intensive Umbauarbeiten, entschloss sich Pharao, die baulichen Unzulänglichkeiten des Tempel- und Palastkomplexes in Waset ebenfalls zu beseitigen. Das gesamte Areal wurde von einer hohen Mauer umgeben und der Haupteingang zum Tempel neu gestaltet, indem Pharao einen vierten und fünften Pylon errichten ließ, zwischen denen sich sodann eine großzügige Halle mit Osiris-Statuen erstreckte, die mit edlem Zedernholz gedeckt war. Vor den somit neu entstandenen Eingang ließ er ein Paar Obelisken aufrichten, die aus dem rotem Granit gefertigt waren, der nur in Sunu gebrochen wurde. Es dauerte Jahre bis dies alles vollendet war und die Bauarbeiten verursachten derart viel Lärm und Schmutz, dass die königliche Familie, wann immer es ihr möglich war, nach Sedjefa-taui auswich, das eine knappe Tagesreise nördlich von Waset, gegenüber von Gebtu, am westlichen Nilufer lag. So sehr Hat-schepsut die Ruhe und Abgeschiedenheit Sedjefa-tauis auch genoss, so blieb sie doch meistens in ihrem Palast in Waset zurück. War es doch gern gesehen, wenn die Gottesgemahlin des Amun in der Nähe ihres Gatten, des Gottes, und seines Tempels blieb. Denn nur so, wenn die nötigen Riten von ihr entsprechend vollzogen wurden, war die eheliche Gemeinschaft mit dem Gott glaubhaft. Auch ein Gottesweib hatte bei seinem Gemahl zu sein. Da Hat-schepsut ihre Aufgabe überaus ernst nahm, ließ sie sich kaum einmal bei einer der Riten vertreten. Außerdem gab es noch genug für sie zu lernen, so dass sie jeder Tag Abwesenheit fast reute.
Ihr erster Lehrer, der sie in die grundlegenden Dinge um den Amun-Kult einweihte, war der alte Juef. Er hatte schon Ah-hotep beigestanden und war dafür von ihr mit etlichen Ämtern belohnt worden. Ihre lebenslange Dankbarkeit hatte er sich jedoch vor allem deshalb erworben, weil er Ah-hotep auf das verfallene Grab ihrer Großmutter Sobek-em-saf aufmerksam gemacht hatte, dessen Wiederherstellung er schließlich überwachte. Es war seinerzeit während der bürgerkriegsähnlichen Unruhen unter Teti-an zerstört und ausgeplündert worden. Ah-hotep vergaß Juefs fürsorglichen Einsatz nie. Aber auch Hat-schepsuts Mutter Ahmes hielt große Stücke auf den besonnenen, alten Mann. Sie hatte ihm eigene Ländereien zugesprochen und ihn bis zum Ende seiner Tage mit einer täglichen Lebensmittelzuwendung belohnt. Hat-schepsut schätzte den gutmütigen Alten ebenfalls, war sich aber nicht sicher, ob seine Loyalität nicht doch vor allem ihrer Mutter galt. Sie vermutete, dass er sie über Hat-schepsuts Fortschritte sowie über die Vorgänge im Palast der Gottesgemahlin genauestens informierte. Sie ließ ihn gewähren, gab es ihrer Ansicht nach doch nichts, was Ahmes nicht hätte erfahren dürfen.
Ein weiterer ihrer Lehrer war jener Sen-en-Mut, der seine Begabung als Baumeister überraschend offenbart hatte, als er den Umbau ihres Palastes entwarf. Er stammte aus dem eine halbe Tagesreise weiter südlich gelegenen Iunu-Monthu und kam aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater Ra-mose war Gärtner und hatte es im Lauf seines Lebens zu bescheidenem Wohlstand gebracht, indem er eigenes Land hatte erwerben können, auf dem er die Pflanzen züchtete, die er schließlich in die Gärten der Reichen pflanzte. Sen-en-Mut hatte drei Brüder und zwei Schwestern und sein Vater hatte größten Wert darauf gelegt, dass jedes seiner Kinder lesen und schreiben lernte. Und da Pharao Amun-hotep, seiner Großmutter Ah-hotep folgend, davon überzeugt war, dass der wahre Reichtum eines Landes in den Begabungen seiner Kinder lag, wurde der fähige Nachwuchs unter ihm besonders gefördert. Schon jung kam Sen-en-Mut also an den königlichen Hof nach Waset und besuchte die Palastschule. Dort wurde General Pen-Nechbet auf ihn aufmerksam, der ihn gern als Offizier gesehen hätte. Schnell hatte Sen-en-Mut in der Armee Karriere gemacht, entschied sich dann aber doch, sich den Amun-Priestern anzuschließen. Auch dort wurde man schnell auf seine überragenden Scharfsinn und beeindruckenden Fähigkeiten aufmerksam, so dass er schon bald zum Vermögensverwalter des Amun aufstieg. Somit trug er die Verantwortung für den gesamten Besitz des Amun-Tempels in Waset und sämtlicher angeschlossenen Tempel, mit allen Vorräten an Edelmetall und Edelsteinen, Ländereien, Viehherden, und sonstigen Wirtschaftsbetrieben. Der Oberpriester Hapu-seneb vertraute ihm blind und auch seine neue Schülerin, die zur Gottesgemahlin des Amun ernannte Tochter des Königs war von der Weisheit und Loyalität des Mannes zutiefst beeindruckt. Hat-schepsuts Nennonkel Pen-Nechbet unterstützte sie darin, indem er ihr bestätigte, welch große Stücke er auf Sen-en-Mut hielt. Eigentlich war Pen-Nechbet nur ein angeheirateter Onkel, da er Ah-mose Inhapi geheiratet hatte, die jüngste Schwester Ah-hoteps, die somit um etliche Jahre älter war als ihr Ehemann. Pharao Amun-hotep hatte Pen-Nechbet für seine Verdienste bei den nubischen Feldzügen riesige Ländereien im Grenzgebiet zu den eroberten Gebieten Nubiens übereignet. Dort lebte er einige Jahre zufrieden und sein Weib gebar ihm ein Kind nach dem anderen, obwohl sie schon längst die Vierzig überschritten hatte. Doch jeder, der sie kannte, schätzte Ah-mose Inhapi um mindestens zehn Jahre jünger ein. Als sie schließlich mit sechzig starb, setzte Pen-Nechbet einen Verwalter für die Güter ein und ging mit seinen sechs Kindern wieder nach Waset an den königlichen Hof zurück. Sehr schnell lernte er dort Ipu kennen, deren Aufgabe es war, die Haushalte des königlichen Harems zu betreuen. Und da er schon allein wegen der Kinderschar dringend eine Gemahlin an seiner Seite brauchte, vermählte er sich mit der tüchtigen, um Jahrzehnte jüngeren Frau. Eigentlich gehörte er seit Ah-mose Inhapis Tod ja nicht mehr zur königlichen Familie, doch da Pharao die Loyalität sowie die Fähigkeiten Pen-Nechbets überaus schätzte und jeder in der Familie ihn aufrichtig mochte, blieb er dennoch ein geschätztes Familienmitglied.
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