„Ah-hotep hat Hat-schepsut zu ihrer Nachfolgerin als Gottesgemahlin des Amun benannt“, erklärte Pharao seiner Großen königlichen Gemahlin Ahmes die Anwesenheit der Priester.
„Sehr gut“, nickte sie. „Dann wird es Gott Amun sein, der ihre Kinder zeugt.“ Ahmes warf einen verächtlichen Blick zu Thot-mose hinüber, traute sie ihm doch noch nicht einmal die Erfüllung dieser Aufgabe zu. „Du hast dann einen eigenen Palast, Kind“, sagte sie zu Hat-schepsut und setzte sich neben sie. „Eigentlich ist es ja nur ein zusätzlicher Trakt, der eingeklemmt zwischen dem Amun-Tempel und dem Königspalast liegt, aber seine Fenster führen nicht zur Stadt hin, wie in deiner gegenwärtigen Wohnung, sondern zum Palastgarten.“ Sie sah zum Fenster hinüber und rümpfte die Nase. „Dann musst du auch nicht mehr diesen widerwärtigen Gestank ertragen, der hier die Luft erfüllt.“ Ahmes sah sich um. „Deine Leibdienerin sollte ruhig ein paar mehr Räuchergefäße entzünden. Es riecht hier nämlich geradezu unerträglich.“ Thot-mose machte sich so klein und unauffällig wie möglich, als ob er dadurch vermeiden könne, als Ursache der Geruchsbelästigungen ausgemacht zu werden.
„Ich finde es nicht weiter schlimm“, entgegnete Hat-schepsut und zuckte mit den Schultern. „Außerdem habe ich mich längst daran gewöhnt.“
„Nun, als Große königliche Gemahlin und Gottesgemahlin des Amun solltest du dich derartigem aber nicht aussetzen. Du weißt, welche Gefahren verunreinigte Luft mit sich bringt. Lass Sit-Re die Räuchergefäße entzünden und die Priester mögen mit ihren Sistren rasseln.“
Augenblicklich wurde so eifrig gerasselt, dass man das neuerliche Klopfen überhörte. Doch es klopfte abermals. Sit-Re öffnete die Tür. Mut-nofret stand davor, Pharaos Nebengemahlin und Mutter von Thot-mose. Sie ließ sich sogleich auf den Boden fallen, als sie Pharao sah.
„Mein tiefstes Bedauern“, stammelte sie. „Die Große königliche Gemahlin Ah-hotep ist zu Osiris gegangen. Welch Schmerz! Welch ein Verlust!“
„Steh auf, Mut-nofret und setz dich neben deinen Sohn“, sagte Pharao missmutig. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du diese Ehrerbietungen sein lassen kannst, wenn wir unter uns sind.“
„Unter uns?“, entgegnete Mut-nofret schnippisch und sah sich um. „Priester, Leibwächter, Haushofmeister … Ich wollte nur nach meinem Sohn sehen.“ Sie blieb vor Pharao stehen und sah ihm ins Gesicht. „Aber auch nach dir …“ Unwillkürlich streckte sie ihre Hand aus, als ob sie Pharao über die Wange streicheln wollte. „Ich weiß doch, wie viel Ah-hotep dir bedeutet hat. Es tut mir aufrichtig leid, dass sie von uns gegangen ist.“ Erst jetzt sah sie den Affen auf Thot-moses Schulter. „Wo hast du das grässliche Tier her? Ist das etwa der Affe von Ah-hotep?“
„Ja“, entgegnete der Thronfolger trotzig. „Und seit gestern Abend ist es meiner, denn Ah-hotep hat darauf bestanden, dass ich ihn von nun an haben soll. Nicht wahr, Hat-schepsut?“
„Jawohl.“ Kurz erzählte das Mädchen von den Geschehnissen des Abends zuvor sowie von ihrem eigentümlichen Abschied von Ah-hotep. Niemand wagte es von da an mehr, die Entscheidung der göttlichen Ah-hotep anzuzweifeln, dass Thot-mose der Geeignete wäre, um auf den Affen Acht zu geben.
„Nun, jedenfalls ist es immer günstig, die Ursachen von Luftverpestung nahe beieinander zu halten“, ließ sich Ahmes schließlich vernehmen. „Solch ein Tier stinkt doch gewaltig, wenn es nicht richtig gepflegt wird.“
Thot-mose sah betreten zu Boden und war abermals den Tränen nahe. Mut-nofret tat so als hätte sie nichts gehört, setzte sich neben ihren Sohn und gab ihm einen Knuff in den Rücken, damit er gefälligst aufrecht sitze.
„Ich danke dir, dass du gekommen bist, um dein Beileid auszusprechen“, sagte Pharao zu seiner Nebenfrau und drückte ihre Hand, während Ahmes’ Miene versteinerte. „Dein Sohn war auch so lieb, vorbeizuschauen, wie du siehst. Er hat mein trauriges Herz wahrhaft erwärmt.“
„Wirklich?“, fragte Thot-mose überrascht.
„Aber ja, mein Sohn. Das hast du wirklich.“
Es klopfte ein weiteres Mal, dringlich und immer lauter werdend. Sit-Re öffnete. Die Königsmutter Seni-seneb stand in Tränen aufgelöst in der Tür. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, lief sie auf Pharao zu, der aufstand und seine Mutter umarmte.
„Wir haben unsere liebe Ah-hotep verloren“, flüsterte sie ihrem Sohn ins Ohr, als wagte sie nicht, das Unaussprechliche laut zu sagen. „Wo wären wir heute, wenn sie nicht gewesen wäre …“
„Wahrscheinlich im Palastgarten, um Blumen zu pflanzen“, sagte Ahmes trocken. „Es konnte ja niemand vorhersehen, dass Pharao Amun-hotep keine Kinder zeugen würde, so dass man auf ein illegitimes Kind seines kleinen Bruders zurückgreifen musste.“
„Aber heute wissen wir doch alle“, wandte Hat-schepsut ein, „dass es Gott Amun höchstselbst war, der sich des Körpers von Prinz Ah-mose Sa-pair bedient hat, um meinen Vater zu zeugen. Nicht wahr?“
Der Oberpriester Hapu-seneb verneigte sich eifrig. „Es steht vollkommen außer Frage, dass dem so war. Pharao Thot-mose ist der leibliche Sohn Amuns. So wie der Thronfolger ebenfalls der Sohn dieses Gottes ist.“
Ahmes beugte sich vor, um zu ihrem Stiefsohn Thot-mose hinüberzuschauen, während sie sich mit einem Tüchlein die Nase betupfte. „Tja, man glaubt es kaum. Aber offenbar sind die Götter auch nur Männer. Wenn sie der Hafer sticht, gibt es kein Halten mehr und sie besteigen das nächstbeste Weib.“
„Kaum jemand sollte das besser wissen als du“, gab Pharao zurück. „War es doch Amun der zwei Söhne und zwei Töchter mit dir gezeugt hat.“
„Nun, bei mir war es etwas ganz anderes. Über mich ist er nicht einfach hergefallen, sondern hat Gott Thot vorausgeschickt, um sein Kommen anzukündigen. Und er hat sich, wie es sich gehört, deines Körpers bedient, um unsere Kinder zu zeugen.“
„Genauso wie er sich des Körpers meines Vaters Prinz Ah-mose Sa-pair bedient hat, um mich zu zeugen“, entgegnete Pharao.
„Wohl wahr“, versuchte Ahmes das Gespräch zu beenden. „Doch hat er sich in deinem Fall für seine Lust keine der königlichen Damen ausgesucht und schon gar keine Gottesgemahlin, sondern eine Gärtnerstochter, die mit bloßen Händen in der Erde grub.“
Seni-seneb wurde bleich. „Es war der weise Ratschluss des Gottes, der ihn mich als Mutter des Pharaos aussuchen ließ.“
„Wohl wahr“, wiederholte sich Ahmes. „Aber es war die Weisheit Ah-hoteps, die aus deinem Sohn erst einen Herrscher geformt hat.“
„Ihr seht“, versuchte Pharao, die verschiedenen Argumente zu einem positiven Schluss zusammenzufassen, „dass ein jeder von uns der großen Ah-hotep viel zu verdanken hat.“
Dem Oberpriester Hapu-seneb war es halbwegs peinlich, Ohrenzeuge dieser eher familiären Unterhaltung zu sein. Also bat er darum, sich zurückziehen zu dürfen, gab es doch noch genügend vorzubereiten, um die Prinzessin als Gottesgemahlin des Amun einzusetzen.
„Ja, auch ich habe noch zu tun“, schloss sich Pharaos Haushofmeister an und verneigte sich. „Die Einbalsamierer sind zu verständigen und wir müssen Briefe an unsere Freunde und Verbündete schreiben, die sie vom Ableben der Großen königlichen Gemahlin unterrichten.“
Pharao winkte geistesabwesend, als er beiden gestattete, sich zu entfernen. Schnell leerte sich Hat-schepsuts Wohnung, während die beiden Leibwächter vor der Tür Stellung bezogen. Auch die Große königliche Gemahlin Ahmes verabschiedete sich, um auf die Einhaltung der Trauer im Palast sowie im ganzen Land zu achten. Außerdem musste eine ganze Armee von Herolden ausgesandt werden, um das Volk von Ah-hoteps Ableben zu informieren. Mut-nofret wies ihren Sohn Thot-mose darauf hin, dass er seiner dringend notwendigen Körperpflege noch nicht nachgekommen sei. Das Bad sei sicherlich schon längst vorbereitet und er wisse ja, wie wichtig es war, dass es heiß genommen werden musste. Schicksalsergeben drückte Thot-mose den Affen an sich und verabschiedete sich von Vater und Schwester. Auch Seni-seneb verneigte sich vor Sohn und Enkeltochter, um in den Tempel zu eilen, damit sie für Ah-hotep zu den Göttern beten könne. Wollte sie sich doch von niemandem nachsagen lassen, dass sie undankbar sei. Schließlich waren Vater und Tochter wieder allein.
Читать дальше