Iris Bulling
Die türkische Leine
Nach einer wahren Geschichte
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Inhaltsverzeichnis
Titel Iris Bulling Die türkische Leine Nach einer wahren Geschichte Dieses ebook wurde erstellt bei
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 91
Nachwort
Impressum neobooks
Olga schloss die Wohnungstür auf. Eine unangenehme Kälte und Düsternis strömte ihr entgegen. Sie ließ ihre Tasche fallen und knipste das Licht an. Heute war wieder so ein Spätherbsttag, an dem es nicht hell werden wollte. Fröstelnd ging sie zur Heizung und legte ihre Hand darauf. Sie war richtig heiß, aber trotzdem schien ihre Hitze den Raum nicht zu füllen. Auch nachdem sie das Gebläse eingeschaltet hatte, verspürte sie kaum eine Besserung. Verzweifelt presste sie die Handflächen gegen ihre Schläfen. Die Kopfschmerzen, mit denen sie schon den ganzen Vormittag konfrontiert worden war, wurden immer schlimmer.
In der Küche fand sie noch einen Rest Rotwein. Entschlossen kippte sie ihn in einen kleinen Topf und stellte ihn auf die Herdplatte. Vielleicht würde ein Glühwein wenigstens diese innere Kälte vertreiben. Während der Wein langsam heiß wurde, suchte sie in ihrem Badeschrank nach einem wirksamen Schmerzmittel. Zwei Tabletten fand sie noch. Zwar sollte eine ausreichen, doch gegen diese Schmerzen war die doppelte Dosis sicher besser. Sie musste sich bald mit Nachschub eindecken!
Appetit hatte sie keinen. Zu sehr hatte dieser Vormittag in der Schule sie mitgenommen. Wieder einmal hatten die Achtklässler ihr gezeigt, wie wenig interessiert sie waren an dem Stoff, den sie zu vermitteln suchte. Ständige Störungen, ein immer größer werdender Geräuschpegel, gegen den sie zu kämpfen hatte – es kostete sie den letzten Nerv!
Der Wein im Topf fing an zu sprudeln. Rasch nahm sie ihn von der Platte und kippte die kochende Flüssigkeit in eine Tasse. Ein Teelöffel Zucker dazu – auf die passenden Gewürze musste sie verzichten. Mit der Tasse in der Hand ging sie ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch sinken. Missmutig wanderte ihr Blick zu der Ecke mit dem Schreibtisch, wo sich Bücher und Unterlagen stapelten. Es war noch so viel zu tun, doch sie fühlte sich ausgelaugt und kraftlos. Vorsichtig nippte sie an der Tasse. Das heiße Getränk rann durch ihre Kehle und allmählich wich die Kälte aus ihrem Körper. Auch die Kopfschmerzen ließen etwas nach. Stattdessen erfasste sie eine bleierne Müdigkeit.
Schließlich stellte sie die leere Tasse auf die Seite und zog die kuschelige Decke, die zusammengefaltet am Ende der Couch lag, über sich. Sie schloss die Augen und grübelte wieder einmal über alles nach, was sie im Moment belastete. Irgendwie hatte sie das Gefühl an einem Punkt angekommen zu sein, wo nichts mehr so lief wie es sollte. Doch die Wirkung der Tabletten und des Alkohols ließen nicht lange auf sich warten, die Müdigkeit übermannte sie und die Augen fielen ihr zu.
Schweißgebadet wachte sie nach geraumer Zeit auf und schreckte hoch. Entsetzt blickte sie auf die Wände, die sich plötzlich unaufhaltsam auf sie zu bewegten. Mit einem Schrei sprang sie auf. Fluchtartig verließ sie das Zimmer, schnappte sich ihre Jacke und rannte aus der Wohnung. Gehetzt schaute sie sich in dem unfreundlichen Großflur um, bevor sie die Treppe hinunterhastete und zur Haustür eilte.
Ihre Freundin Ute wohnte zum Glück nur zwei Häuser weiter und war für sie die erste Anlaufstelle, um diesem Horror zu entkommen. Auf ihr stürmisches Klingeln hin öffnete Ute fast sofort. Erschrocken riss sie die Augen auf, als sie Olga mit rotem aufgequollenem Gesicht so panisch vor sich sah.
„Mein Gott, was ist denn passiert?“ Jetzt brach Olga in Tränen aus.
„Die Wände – die Wände“, stammelte sie. „Sie haben sich bewegt! Sie wären fast auf mich gestürzt!“ „Ich verstehe nicht ganz… Aber komm erst mal herein.“
Nur allmählich konnte Olga ihrer Freundin klar machen, was passiert war. Ute runzelte skeptisch die Stirn. Sie fühlte sich mit dieser Situation schlichtweg überfordert.
„Olga“, meinte sie schließlich ernst, „so kannst du nicht weitermachen. Du kannst natürlich erst mal hier bleiben, aber ich denke, du solltest endlich zum Arzt gehen. Mit einer solchen Panikattacke ist nicht zu spaßen!“
Unglücklich schaute Olga sie an. „Du glaubst nicht, dass es so war?“
„Ich glaube dir, dass du es so erlebt hast, aber nicht, dass die Wände tatsächlich auf dich gefallen wären. Ich denke eher, dass die Nerven mit dir durchgegangen sind. Dir geht es schon seit einiger Zeit nicht gut, das kannst du nicht ewig ignorieren."
Olga schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte leise vor sich hin. Obwohl sie sich innerlich immer noch gegen diese Erkenntnis sträubte musste sie doch einsehen, dass Ute Recht hatte. Aber wie hatte es nur so weit kommen können?
18 Monate davor…
Es war fast wie ein Aprilscherz: Die Vereidigung der Junglehrer fand tatsächlich am 1. April 1973 auf dem Schulamt statt. Zusammen mit 28 anderen Lehramtsanwärtern stand Olga Wessling in dem recht nüchternen Raum und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Einige ihrer Mitstreiter kannte sie schon vom Studium her, was ihr ein gewisses Gefühl der Beruhigung gab. Doch für alle war es ein großer Schritt ins Unbekannte – weg von der doch relativ unbeschwerten Studienzeit hinein ins geregelte Berufsleben.
Olga war zumindest mit ihrem zukünftigen Standort ganz zufrieden. Die Kleinstadt, in der sie ihre erste Dienststelle antreten sollte, war nicht weit weg vom Wohnsitz ihrer Eltern, wo sie zunächst auch wohnen konnte, bis sie eine eigene Wohnung finden würde. Aber vor allem war ihr Studienort von da aus leicht zu erreichen, wo noch immer einige Freunde lebten, vor allem Richard, mit dem sich zum Schluss trotz einiger Turbulenzen eine engere Beziehung entwickelt hatte.
Am Montag stand sie dann mit klopfendem Herzen vor dem alten ehrwürdigen Schulgebäude, in dem sie von nun an wirken sollte. Das Zimmer des Rektors lag gleich im ersten Stockwerk und nach einem tiefen Einatmen klopfte sie kräftig an die Tür.
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