Im gleichen Moment betrat Schwester Martha das Zimmer des Kranken und meinte, dass die Polizei Oscars Aussage zu dem Unfall brauchen würde.
„Schaffen sie es?“, sah die Krankenschwester Oscar mitleidig an. „Der Fahrer des Lkw´s soll stark alkoholisiert gewesen sein.“, fügte sie hinzu.
Oscar starrte die Decke an. Jetzt kam ihm die Erinnerung an den aus der Seitenstraße kommenden Schwertransporter. Auch der Augenblick war wieder da, als er seinen Freund, der vor ihm fuhr reinrasen sah. Er selber hat noch versucht zu bremsen, doch dann wurde Alles schwarz um ihn herum.
„Muss es jetzt sein? Kann es nicht bis morgen warten, bis er sich bisschen erholt hat?“ Jana ergriff das Wort für Oscar.
„Das hatte ich auch im Sinn. Ich werde denen sagen, er braucht noch Ruhe.“, nickte Martha und verließ das Zimmer.
„Dennis hat es nicht geschafft, oder?“, fragte Oscar mit Tränen in den Augen.
„Nein. Er hatte keine Chance. Er ist an der Unfallstelle...“, sie konnte das Wort gestorben nicht aussprechen.
Oscar ließ seinen Tränen den freien Lauf.
Jana kam sich so hilflos vor. „Ich werde jetzt gehen. Sie wollen sicher noch ein wenig schlafen.“, sagte sie, nachdem gute zehn Minuten Stille im Raum herrschte.
„Nein, nein, bleiben sie bitte. Ich will nicht schlafen. Reden sie mit mir. Über das Wetter, oder das Buch, das sie lesen. Egal was.“ Jana verstand, dass Oscar nicht über den Unfall und seinen toten Freund nachdenken wollte.
„Das Wetter zuerst?“, sagte sie und sah das erste Mal den jungen Mann lächeln.
„Dann wäre mir das Buch lieber um ehrlich zu sein.“
Es entstand ein angenehmes Gespräch zwischen den Beiden, wobei Oscar immer wieder seine Augen schloss. Jana kam nicht drum herum ihm zu sagen, dass sie die Freundin seines Vaters war.
„Darf ich fragen wie alt sie sind?“, fragte Oscar verwundert.
„Ich bin jünger als sie.“, antwortete Jana und fügte hinzu: „Wo die Liebe hinfällt.“.
„Wohl war.“, meinte Oscar und dachte darüber nach wie es sein Vater geschafft hat eine so nette Person an seiner Seite zu haben. Er wusste von seiner Mutter, dass Edwards Freundinnen meistens eingebildete, arrogante Frauen waren. Jana erschien ihm aber weder eingebildet noch arrogant.
„Jana, Chef möchte mit ihnen reden?“ Jana hoffte, dass Edward doch gekommen war, doch als ihr Martha das Telefon in die Hand drückte wusste sie, dass es nicht so war.
„Was machst du denn im Krankenhaus? Ich versuche dich seit Stunden auf dem Handy zu erreichen.“ Edward erfuhr von Martha, dass Jana in der Klinik sei, als er sich nach Oscars Zustand erkundigen wollte.
„Schwester Martha meinte, jemand sollte bei ihm sein, wenn er aus der Narkose aufwacht.“
„Ist Nina immer noch nicht da? Was spielt sie jetzt wieder für Spielchen!“, sagte Edward erbost.
„Nein, sie ist nicht da und sie wird auch nicht kommen, deshalb solltest du da sein.“
„Wieso kommt sie nicht.?“
„Sie hat Krebs und wurde vor paar Tagen operiert.“ Oscar vertraute es Jana beim Gespräch an.
Ein lautes Aufstöhnen drang durch die Leitung.
„Das ist ein triftiger Grund, das muss man schon sagen.“
„Ja, ist es und deshalb solltest du da sein. Er braucht jetzt jemanden Vertrauten. Er hat seinen Freund verloren.“
„Wie ich dir schon sagte. Wir stehen uns nicht besonders nah und ich werde ihm kaum eine Hilfe sein um über das Trauma hinweg zu kommen. Aber gut, dass du es sagst. Ich werde schauen, dass ein guter Psychologe mit ihm spricht.“
Jana fehlten die Worte. Kein Mitleid, kein schlechtes Gewissen, nichts von Alldem was sie von Edward erwarten würde.
„Mach nicht zu lange. Und richte Oscar Grüße von mir aus.“
„Mache ich.“, sagte Jana schroff, was Edward nicht entging. Er versuchte vom Thema abzulenken in dem er über seine Stiftung und die Fortschritte in der Forschung um sein neues Präparat berichtete.
Normalerweise würde sie sich für ihn freuen, doch jetzt konnte sie nicht anders wie Verachtung empfinden, da Edward alles Andere wichtiger war, wie bei seinem Sohn zu sein.
Jana ging zum Schwesterpunkt und gab Martha das Telefon zurück.
„Er tut alles, damit er so früh wie möglich kommen kann.“, log sie die Krankenschwester an, wobei sie ihr eigenes Handeln nicht verstehen konnte.
„Ich werde dann gehen. Oscar schläft jetzt. Edward konnte also nicht mit ihm reden.“ Die Tatsache, dass Edward nicht mal erwähnt hat, dass er mit seinem Sohn reden möchte, behielt Jana für sich. „Bitte richten sie ihm Grüße von seinem Vater aus. Ich werde jetzt gehen.“
„Sie können ihm morgen selber Grüße ausrichten. Danke, dass sie da waren. Bis morgen Jana.“
Eine fremde Frau bedankte sich bei ihr für ihr Kommen, während Oscars Vater sie fragte was sie in der Klinik zu suchen hatte. Wie absurd, dachte Jana.
„Bis morgen Martha. Ach so, er weiß es. Das mit seinem Freund. Und sie hatten Recht. Seine Mutter hat Krebs.“
Martha nickte und sagte nochmal: „Danke Jana. Das war gut, dass sie da waren.“
Jana hoffte, dass sie noch Markus erwischen würde, um mit ihm zu reden. Doch dieser war schon nach Hause gefahren, wie ihr Dominik sagte, als sie in die WG kam.
„Magst auch was essen?“ fragte Dominik.
„Ich glaube schon.“, meinte Jana die keinen Hunger verspürte, jedoch ein Bedürfnis mit Jemandem zu reden.
„Ich war heute im Krankenhaus.“, sagte sie leise. „Edwards Sohn hatte einen Unfall.“
„Erzähl.“
Sie brachte die Kurzfassung der Geschehnisse zur Wort.
„Krass. Ich habe heute davon im Radio gehört, dass es einen schweren Unfall gab. Aber man denkt immer es trifft die Anderen.“
„Ja. Sein Freund ist tot. Das muss für die Familie schrecklich sein.“
„Das ist auch schrecklich. Glaube mir. Ich habe es selber erleben müssen, als sich meine Schwester das Leben nahm.“ Dominik senkte seinen Kopf und sprach leise weiter. „Nie hätte jemand von uns geglaubt, so was könnte in unserer Familie passieren. Bis heute macht sich meine Mutter Vorwürfe, obwohl sie nichts dafür kann. Deshalb fahre ich so selten Heim. Ich kann es nicht ertragen sie so zu sehen. Die meiste Zeit ist sie so wie so nicht ansprechbar. Ich frage mich oft wie mein Vater es aushält.“
„Es tut mir leid.“, sagte Jana.
„Mir tut es auch leid, dass mit dem Sohn deines Freundes.“
Bis zum heutigen Tag hatte Jana mit Dominik nie ein ernstes Gespräch geführt.
„Der einzige dem es nichts ausmacht ist Edward. Er wickelt seine Geschäfte ab, wie wenn nichts wäre und lässt seinem Sohn Grüße ausrichten.“ Sie wollte Edward nicht mehr in Schutz nehmen.
„Er benimmt sich wie ein Arschloch. Wirklich. Er könnte jetzt so viel gut machen, aber anscheinend ist ihm das nicht wichtig.“
„Ich weiß nicht, vielleicht tut er nur so. Manchmal kann man nicht anders wie flüchten. Ich bin damals auch abgehauen, weil ich es nicht ertragen konnte.“
„Das kann man nicht vergleichen. Bei aller Liebe, er sollte froh sein, dass Oscar lebt und seinen Arsch hierher schwingen.“, sagte Jana zornig.
„Was stinkt hier so?“, hörten die Beiden Jonas sagen.
„Stinkt? Es riecht gut, ich versuche Chili con Carne zu kochen. Und wenn du noch mal sagst es stinkt, kriegst du nichts davon.“
„Schon gut, es riecht nach Bohnen, aber mächtig... Ich hoffe wir gehen nicht in die Luft, wenn wir es verspeist haben.“ sagte Jonas, worauf ein allgemeines Gelächter ausbrach.
Janas Laune war nicht mehr im Keller. Sie freute sich sogar auf den kommenden Tag. Oscar war ein netter Mann und seine Mutter schien nicht so grausam zu sein wie Edward behauptet hat. Sie hatte das Gefühl was Gutes getan zu haben und es war ihr egal was Edward davon halten würde.
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