1 ...6 7 8 10 11 12 ...27 Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,9 % war es mein Kind. Man behielt mich gleich dort und brachte mich zur inneren
Abteilung. Die anschließende Magenspiegelung ergab, dass ein paar kleine Blutgefäße an der Mageninnenwand geplatzt waren, die man im Rahmen der Untersuchung gleich verödete.
„Das war kurz vor Zwölf und hätte auch anders ausgehen kön nen!“ so die Worte des Arztes.
Doris behauptete nach wie vor steif und fest, ich wäre nicht der Erzeuger des Kindes, das nun irgendwo in der Mülltonne lag. Doch ich wusste es besser. An der Sache an sich war nichts mehr zu machen, also schwieg ich.
Mir klangen noch die Worte des Arztes im Ohr, in denen von einem Post absurdum Syndrom, der Sehnsucht nach dem ungebore nen Kind die Rede war.
Bei Frauen, die aus Unsicherheit über ihre persönliche Situati on, oder aus Unkenntnis über den Erzeuger, oder vielleicht auch aufgrund mangelndem Verantwortungsgefühl und persönlicher Reife, einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, sei eine psychotherapeutische Behandlung dringend angeraten.
Andernfalls könne es zu Essstörungen, Depressionen, gynäkolo gischen Infekten, Nierenstörungen, Beziehungsproblemen bis hin zu Suizidversuchen kommen.
In den nachfolgenden Wochen entwickelt sich das übliche Tren nungsprozedere. Unsere gemeinsamen Freunde und Bekannte schlugen sich auf die eine oder andere Seite. Die Gerüchteküche brodelte.
Einst galten Doris und ich als eines der Traumpaare in unserem Städtchen. Nun standen wir mitten in einem Rosenkrieg. Und wir ließen uns davon anstecken. Bei jeder Gelegenheit flogen die Fetzen.
Ich erfuhr, dass sich Doris, entgegen ihren Versprechungen, bei anderen Firmen bewarb. Das reichte nun.
Ich stellte sie bis zum nächsten Kündigungstermin von der Ar beit frei. Das Kapitel war beendet.
Wir trafen uns danach noch ein paar Mal. Doch ich musste er kennen, dass ich eigentlich nie eine Chance hatte. Von Anfang an nicht.
Auch die Beziehung zu ihrem neuen Lover war inzwischen be endet. Wie sich herausstellte, wusste auch er nichts von der Ab treibung. Ob das der Grund für das Ende dieser Romanze war, weiß ich nicht.
Ich stürzte mich nun in die Arbeit.
Ich hatte seit einiger Zeit Kontakte zu einem Musikmanage ment in Kanada. Eine ihrer Bands, die dort bereits erfolgreich waren, sollte auf dem europäischen Markt platziert werden.
Ich flog nach Toronto und nahm die Verhandlungen auf. Mit den exklusiven Vermarktungsrechten in der Tasche kehrte ich zu rück. Ich schaffte es, der Gruppe einen Vertrag bei einer bekann ten Schallplattenfirma zu besorgen.
Eine andere betriebsinterne Sache wollte und musste ich noch regeln.
Die Gebietserweiterung für den Bereich Werbung auf Einkaufs wagen, hatte ich seinerzeit mit einem Darlehen meiner Hausbank finanziert.
Als weitere Absicherung verlangte die Bank damals eine Bürg schaft meiner Frau.
Ich sprach mit meinem Vater, ob er diese Bürgschaft überneh men würde. Damit hätte Doris aus dieser Verpflichtung entlassen werden können und es wäre ein klarer Schnitt gemacht. Er willig te ein.
Aus Kanada erhielt ich ein weiteres Angebot für einen amerika nischen TopAct, der auf den europäischen Markt wollte.
Es gelang mir, auch dieser Gruppe einen Plattendeal zu vermit teln.
PRO MEDIA hatte nun einen Künstlerstamm von zwei Bands aus Übersee mit exklusiven Vermarktungsrechten, einer deutschen Sängerin und einem PopProjekt aus Belgien.
Bei Letzteren besaß ich sogar das weltweite Management mit einem Anteil von 30 % auf sämtliche Erlöse.
Ein turbulentes Jahr ging zu Ende.
Geschäftlich eröffnete sich einiges an Perspektiven in Ergänzung zum bisherigen Stammgeschäft. Aus der Musikindustrie erhielt ich zunehmend mehr Offerten, für bestimmte Projekte die Pro motion zu übernehmen. Outsourcing war auch für diese Branche kein unbekanntes Thema mehr.
Doch ich wollte mich nicht verzetteln. Der Tag hat nur 24 Stun den und diesen Job machte ich weitgehend allein. Einige zeitlich begrenzte Angebote nahm ich an, ließ mich aber auftragsbezogen bezahlen. Das Risiko, sich ausschließlich auf Anteile an den Ver kaufserlösen einzulassen, erschien mir doch zu hoch, auch wenn es im Erfolgsfall lukrativer gewesen wäre.
Privat ging es mir mehr schlecht als recht. Doris meldete sich nur noch, wenn es etwas aus unserer gemeinsamen Zeit zu klären gab.
Inzwischen hatte sie einen neuen Job. Zunächst wollte sie ver heimlichen, dass sie in der gleichen Branche arbeitete. Doch das
klappte nicht. Sie leitete das Sekretariat einer bekannten deut schen Sängerin und den Produzenten ihrer aktuellen CD kannte ich schon seit Jahren.
Es blieb nicht aus, dass Doris und ich uns zufällig in der Stadt oder abends in irgendwelchen Lokalen begegneten. Außer einem knappen „Hallo“ oder einem flüchtigen Kopfnicken kam nichts von ihr. In der Öffentlichkeit verhielt sie sich so, als ob es mich nie gegeben hätte. In ihrem Innersten sah es sicher anders aus. Dazu kannte ich sie zu gut. Aber „The Show must go on“.
Zugegebener Maßen schmerzte und verletzte mich ihr Verhal ten, denn eine große Liebe schmeißt man nicht weg wie ein ver gammeltes Brot. Wer sich von heute auf morgen so aus dem Staub macht, nimmt auch immer ein Stück Würde des anderen mit. Schließlich hatten wir einen, nicht unerheblichen Teil unseres Lebens miteinander verbracht mit vielen schönen Zeiten. Doris schien das vergessen zu haben und wollte davon nichts mehr wis sen.
Eine Trennung besteht aus den Phasen Schock, Wut, Trauer und Verzeihen.
Zu Letzterem sind Doris und ich leider nie gekommen.
Ich verbrachte viel Zeit mit Beate und den Kindern. Und wir kamen uns immer näher. Insbesondere die Kinder eroberten mein Herz wie im Sturm. Wir lachten und spielten zusammen, tobten herum und lieferten uns gigantische Kissenschlachten.
Wir aßen gemeinsam, manchmal kullerten die Tränchen und morgens im Bett gab’s ausgiebige Kuscheleinheiten.
Es war zwar noch nicht der Alltag, aber schon eine Art richtiges Familienleben mit all seinen kleinen und großen Problemen. In dieser Form kannte ich das bisher nicht, wie auch. Aber ich ge wöhnte mich schnell daran. Ich spürte den Wunsch der Kinder, dass es von nun an immer so bleiben möge. So kam es auch. Doch anders als wir alle dachten.
Das Jahr 1994 begann so, wie das alte aufgehört hatte.
Die Trennung von Doris und mir sorgte weiterhin für Gesprächs stoff in unserem Städtchen, angeheizt durch immer neue Gerüch te speziell um meine Person.
Doris hatte inzwischen eine Wohnung in Frankenberg gefun den, 30 km von Korbach entfernt.
Geschäftlich erhielt ich das Angebot, mein Stammgeschäft Wer bung auf Einkaufswagen, durch den Zukauf eines weiteren Li zenzgebietes in den neuen Bundesländern, entscheidend zu er weitern.
Damit wäre PRO MEDIA einer der größten Vermarkter dieser Werbeform in Deutschland geworden.
Doch dazu benötigte ich Kapital. Die Belegschaft hätte ich zum Teil übernehmen können. Ein großes Risiko bestand dabei nicht, da die Mitarbeiter von dem bisherigen Unternehmer ausschließ lich erfolgsabhängig bezahlt wurden.
Mit Sorge betrachtete ich jedoch die Entwicklung in den bereits vorhandenen Lizenzgebieten. Vor eineinhalb Jahren hatte ich meinen alten Freund Roland als Verkaufsleiter eingestellt, der die sen Bereich eigenverantwortlich übernehmen sollte. Nach anfäng lich guten Erfolgen, musste ich nun feststellen, dass sein Ehrgeiz merklich nachließ.
Anscheinend ruhte er sich auf seinem, nicht unbeträchtlichen, monatlichen Festgehalt aus. Da ich selbst des Öfteren Außenter mine wahrzunehmen hatte, nutzte er seine Vertrauensstellung zunehmend aus. Im Nachhinein war diese Personalauswahl sicher meine größte unternehmerische Fehlentscheidung.
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