1 ...7 8 9 11 12 13 ...27 Gezwungener Massen musste ich sein Gehalt umwandeln in ein geringeres Fixum plus erfolgsabhängiger Provision. Ansonsten wären mir die Kosten davon gelaufen. Zähneknirschend akzep tierte er. Seine Motivation änderte das jedoch nicht.
Im Bereich Musikmarketing konnte ich einige Verhandlungen mit erfolgreichen Produzenten führen, insbesondere für das Pop Projekt aus Belgien und für die deutsche Sängerin, die von PRO MEDIA betreut wurden.
In der Branche war zunehmend zu beobachten, dass die großen Firmen zwar gern guten Künstlern einen Vertrag gaben, aber dann fast jedes Risiko scheuten, in die notwendige Vermarktung zu investieren. Unbekannte Bands oder Solisten aufzubauen und er folgreich zu platzieren, machte kaum noch eine MajorCompany.
Und wenn doch, dann war der Künstler einer von vielen, die sich im Pool der großen Firmen tummelten.
Es kristallisierte sich immer mehr heraus, die komplette Ver marktung mit Werbung, Marketing und Promotion selbst durch zuführen und nur den Vertrieb in die Hände eines Majors zu ge ben.
Das Ziel war die Gründung eines eigenen Musiklabels.
Das bedeutete, die Kosten für die Produktion einer LP bzw. CD inklusive dem Aufnahmestudio, würden auf eigene Rechnung er folgen.
Das hieß, man musste investieren.
Ich rechnete alles durch kam auf einen Finanzbedarf von DM 500.000,00 für die beiden Musikprojekte und die Gebietserwei terung für Werbung auf Einkaufswagen. Bei Letzterem würde sich die Sache quasi zum Selbstläufer entwickeln, da bereits ein Stamm von Werbekunden mit langfristigen Verträgen über mehrere Jahre existierte.
Bei den Musikproduktionen war das Know How vorhanden, Kon zeption und Umsetzung zentral von PRO MEDIA aus zu steuern. Darüber hinaus konnte ich die guten Kontakte zu Presse, Funk und Fernsehen für die Promotion nutzen.
Bei meinen Hausbanken in Korbach hatte ich im Vorfeld meine Pläne schon einmal global angesprochen, ohne aber zu der Zeit konkrete Zahlen vorlegen zu können.
Die Reaktionen waren eher zurückhaltend. Für sie schienen es wohl eher böhmische Dörfer zu sein, von denen ich sprach.
Ich empfand es auch nicht als nachteilig, meine Finanzen nicht komplett in die Hände der heimischen Banken zu geben.
Man konnte sich nicht sicher sein, ob Vertraulichkeiten auch dort blieben, wo sie hingehörten, oder ob sie nicht in völlig ver drehter Form auf die Reise durch bestimmte Kanäle gingen.
Ich erinnerte mich noch zu gut an die noch immer anhaltende Gerüchteküche bezüglich der Trennung von meiner Frau und mir. Bereits kurz nach Bekannt werden, erkundigten sich beide Direk toren der Banken, die angeblich den Weg frei machen, über meine privaten Verhältnisse.
Ich beschloss, meine zukünftige Geschäftskonzeption zu einem professionellen Paket zusammenzufassen und auch anderen Geld instituten zur Entscheidung vorzulegen.
Diese Präsentation bestand aus:
- Unternehmens und Finanzierungskonzept
- Kalkulation und Wirtschaftlichkeitsberechnung
- Handelsregisterauszug
- Bilanzen der letzten Jahre
- Einkommenssteuerbescheide
- aktueller betriebswirtschaftlicher Analyse des Steuerberaters
- aktuellen Kontoauszügen
- Kopie des Personalausweises
- einer Referenzliste der durchgeführten Projekte speziell im Musikbereich.
Die angesprochenen Banken taten sich schwer mit einer Ent scheidung, oder verlangten derartige Sicherheiten, die ich nicht stellen konnte, oder die Konditionen waren überzogen.
Inzwischen war es Frühjahr geworden und die Zeit drängte.
Ich schaute mich bezüglich der Geldmittelbeschaffung auch auf dem freien Kapitalmarkt um und bekam so Kontakt zu einer Fi nanzagentur in Hannover namens WD KÖHLER, die nach eige nen Angaben, auf die Vermittlung von Privatkapital spezialisiert war.
Mein Gesprächspartner hieß JENS SODERLAND, dem ich zunächst telefonisch mein Konzept vorstellte. Er sah durchaus Er folgsaussichten und bat mich, ihm die kompletten Finanzierung unterlagen zu übersenden.
Zwei Wochen später fragte ich bei Soderland nach, ob er mein Paket erhalten und geprüft hätte.
Er meinte, die Sache sähe sehr gut aus. Es würde aber einige Zeit dauern, bis er einen geeigneten Kapitalgeber gefunden hätte.
Ich bemühte mich um keine weiteren Alternativen mehr.
Die deutsche Wirtschaft steckte in einer Rezession und das mach te sich auch bei PRO MEDIA bemerkbar.
Es kamen zwar Neuaufträge aus dem Stammgeschäft herein, aber die Kunden zahlten schlecht oder gar nicht. Einen hohen Pro
zentsatz meiner Arbeit verbrachte ich damit, ausstehende Zah lungen einzutreiben.
Oft genug musste ich den Rechtsanwalt einschalten oder das gerichtliche Mahnverfahren einleiten.
Bei 90 % der Kunden aus dem Stammgeschäft, wurden laut Vertrag, die fälligen Rechungsbeträge per Einzugsermächtigungs verfahren und Lastschrift, von deren Konto abgebucht.
Wiederholt kamen die Zahlungsanweisungen mangels Deckung des Kontos zurück oder es wurde der Zahlung pro forma wider sprochen. Gemäß den Richtlinien zum Einzugsverfahren konnten sie das innerhalb von sechs Wochen ohne Angabe von Gründen tun.
Für mich bedeutete dies einen immensen Aufwand an Telefona ten, um mit dem Kunden ein neues Zahlungsmodell zu vereinba ren.
Es war Pfingstdienstag, der 24. Mai. Genau vor einem Jahr hat te Doris ihre Koffer gepackt und war von heute auf morgen gegan gen.
An diesem Tag hatte ich ausgerechnet einen Geschäftstermin in Frankenberg, dort, wo sie jetzt wohnte.
Schon morgens stand ich mit Magen und Darmproblemen auf. Anscheinend hatte ich mir einen Virus eingefangen.
Der Termin mit meinem Kunden war um 11 Uhr inmitten der Fußgängerzone.
Frankenberg ist ein kleines Bergstädtchen und die autofreie Zone verläuft ansteigend durch kleine Gassen, wo sie dann auf dem hoch gelegenen Marktplatz endet.
Dort parkte ich mein Auto und ging zu Fuß zum vereinbarten Treffpunkt. Mit meinem Kunden besichtigte ich ein Objekt, das sich im Umbau befand und mit Leuchttransparenten für die Außenwerbung ausgestattet werden sollte.
Meine Darmkrämpfe wurden zunehmend schlimmer und ich war froh, als der Termin nach einer halben Stunde vorbei war. Auf dem Weg zum Parkplatz trieb mich nur ein Gedanke: Toilette! Und zwar so schnell wie möglich!
In der Nähe des Parkplatzes gab es das Bistro VIS A VIS, das ebenfalls die Leuchtwerbung von PRO MEDIA hatte.
Im Eiltempo ereichte ich gerade noch den Toilettenraum und die erstbeste Kabine. „Das war knapp“, so muss wohl mein erster Gedanke in dem Moment gewesen sein.
Ich war so sehr mit mir selbst beschäftigt, dass ich die zwei Per sonen, die nach mir den Raum betreten hatten, erst einige Zeit später bemerkte. Beide Männer unterhielten sich lautstark. Es ging um irgendwelche Übergaben und Zahlungen. Ich hörte, wie ei ner von Ihnen von Kabine zu Kabine ging und sie kontrollierte.
Plötzlich ging mit einem Schlag meine Tür auf und dieser Mann stand vor mir. In meiner Not hatte ich vergessen abzuschließen.
Noch bevor ich etwas sagen konnte zog er ein Messer aus seiner Jackentasche. Mit einem Klacken klappte die Klinge auf. Bedroh lich kam er einen Schritt auf mich zu und hielt mir das Messer an den Hals. In gebrochenem Deutsch flüsterte der Mann:
„Du nix gesehen, nix gehört! Verstehen!“
Hinter ihm stand die zweite Person. Bevor ich überhaupt rea gieren konnte, war die Tür schon wieder zu und ich registrierte unterbewusst, wie beide Typen den Raum verließen. Ich war so perplex, dass ich noch Minuten regungslos so dasaß.
Nur langsam fing ich mich wieder, zog mich an, verließ das Lokal und stieg in mein Auto. Ich war noch vollkommen konster niert: „Was war das jetzt?“
Unterwegs zu meinem Büro überlegte ich zur Polizei zu gehen. Doch was sollte ich denen sagen? „Ich bin von zwei Typen beim Scheißen bedroht worden?“ Die würden sich totlachen.
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