zurück nach Korbach geschafft.
Mit Doris war ich inzwischen seit über 10 Jahren zusammen, davon seit fast 5 Jahren verheiratet. Als sie mich damals fragte, ob ich ihr Mann werden wolle, hatte ich ohne zu zögern JA gesagt. Ich liebte sie mit jeder Faser, trotz ihrer Macken, oder vielleicht auch gerade deshalb.
Es gab ‚ups and downs’ wie in jeder Beziehung. Aber nach all den Jahren waren wir ein Teil voneinander geworden. So dachte und so fühlte ich jedenfalls. Mit dieser Frau wollte ich alt werden.
Dieser Mittwoch änderte jedoch alles.
In der Nacht zuvor hatte ich erfahren, dass es seit einiger Zeit einen anderen Mann gab.
Dass sie sich verändert hatte, war mir schon länger aufgefallen. Nur erklären konnte ich mir das nicht. Meinen Fragen wich sie aus.
Manche Nacht kam sie erst gar nicht nach Hause und redete sich heraus, bei Freunden versackt zu sein. Und ich Idiot glaubte ihr.
Nun war es also raus und es sollte sich alles in meinem Leben ändern.
In der Nacht die Offenbarung eines Liebhabers und nun zu sammen im Büro zu arbeiten, diese Situation hielt ich nicht aus. Ich flüchtete für zwei Tage an einen nahe gelegenen See und musste versuchen, mich irgendwie zu finden. Doch es gelang mir nicht.
Es war ein Schlag in die Magengrube, weil wir zudem auch noch aktiv in der Nachwuchsplanung waren.
Zwei Tage später kam es zu einer Aussprache. Über Pfingsten, sagte sie mir, wolle sie zu ihrer Schwester nach Frankfurt fahren und entscheiden, wie es mit uns weitergehen soll.
Ich fand schnell heraus, dass sie dies nie ernsthaft vorhatte, son dern entdeckte ihr Auto vor der Wohnung ihres neuen Lovers. Ich forderte eine erneute Aussprache, aber die Würfel schienen wohl schon gegen mich gefallen zu sein. Ich sollte sie erst zwei Tage später wieder sehen. Sie nahm ein paar Utensilien und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus.
Ich musste mit jemanden reden und meldete mich bei Beate, die ich seit kurzem kannte. Beate war geschieden und hatte zwei Töchter im Alter von sechs und neun Jahren. Sie war eine gute Zuhörerin und das tat mir gut.
Ich merkte natürlich die Hoffnungen, die sie sich machte, aber in mir war alles vollkommen durcheinander.
Nur mit Mühe und Not konnte ich die Tage im Büro durchhal ten. So gut es ging, versuchte ich mich zusammenzureißen. Abends jedoch, in der ehemals gemeinsamen Wohnung, fiel ich dann in ein tiefes Loch.
Flaschen an Rotwein standen auf meinem Speiseplan. Feste Nah rung gab es so gut wie kaum noch. Ich machte mir massive Vorwürfe, wie es zu diesem Punkt in unserer Ehe kommen konnte.
Hatte ich zuviel andere Dinge im Kopf? Hatte ich Doris ver nachlässigt und ihr zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet? Verbrachte ich mehr Zeit mit meinen Hobbies, Freunden, Bekannten als mit ihr? War durch unsere gemeinsame Arbeit die Liebe auf der Stre cke geblieben und ich hatte es nicht gemerkt? Vereinnahmte mich die Firma zu sehr? Und warum sprachen wir nicht darüber, wie sonst üblich? Und warum nahm sie sich gleich einen neuen Ty pen? Hatte ich ihren Schrei nach Liebe nicht gehört?
Bei all dem Frust, der in mir saß, ich hatte keinen Schalter, der Gefühle einfach ausschaltet. Ich wollte kämpfen. Kämpfen um meine Ehe und um die Frau, die mir einmal sagte, zusammen durch alle Höhen und Tiefen zu gehen.
Bei diesem verzweifelten Kampf habe ich, glaube ich, so ziem lich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen kann.
Es ist die Ironie des Schicksals, dass man sich nicht genug zum Idioten machen kann, wenn man um eine verlorene Liebe kämpft.
Mir ist dies vortrefflich gelungen.
Während der Arbeitszeit vermittelte Doris den Eindruck von Fröhlichkeit und Befreiung. Unsere Mitarbeiter waren natürlich längst über die neue Situation informiert. Gesprächen mit mir, versuchte Doris aus dem Weg zu gehen. Wenn es sie dann gab, endeten sie meist in gegenseitigen Vorwürfen.
Sie schrieb mir zwar einige Briefe, in denen sie versuchte zu erklären, warum sie gegangen war. Aber die wahren Gründe wer den immer ihr Geheimnis bleiben. Ich weiß sie bis heute nicht.
Die private Seite war eine Sache, die geschäftliche eine andere. Als Mitarbeiterin konnte ich auf sie quasi nicht verzichten und sie nicht ersetzen. Sie versprach, auf jeden Fall bis zum Ende des Jah res bei PRO MEDIA zu bleiben, sofern es die Zusammenarbeit zwischen uns zulassen würde. So sahen wir uns also täglich im Büro, aber nach Büroschluss und am Wochenende ging jeder sei ne eigenen Wege. Eine Situation, mit der ich kaum fertig wurde.
Mit Beate verband mich inzwischen eine innige Freundschaft. Sie war immer zur Stelle, wenn es mir dreckig ging. Und das war oft der Fall. Unaufdringlich und ohne irgendwelche Gegenleis tungen zu erwarten, war sie einfach da. Und das tat gut.
Mehr und mehr bekam ich auch von ihrem Leben mit. Sie hatte den ganzen Scheiß bereits hinter sich, in dem ich mittendrin steck te.
Anfang Juli teilte mir Doris mit, dass sie wegen eines Unter leibsproblems einen Eingriff im Krankenhaus vornehmen lassen müsste. Arbeitsmäßig würde sie zwei bis drei Tage ausfallen.
Am Tag der OP rief ich den behandelnden Arzt an, um zu hören, ob der Eingriff gut verlaufen sei. Der meinte nur lakonisch:
„Ihre Frau ist schon nicht mehr hier. Sie hat aber körperlich alles gut überstanden. Wie das seelisch aussieht, kann ich nicht sagen. Ich gehe aber davon aus, dass solche Dinge beide Ehepartner ge meinsam entschieden haben.“
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. „Was sollte ich mit ent schieden haben?“ In mir kam ein schlimmer Verdacht auf.
In der darauf folgenden Woche war Doris wieder im Büro. In ihren Unterlagen fand ich eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von Pro Familia und den Termin des Eingriffs, Ihr Unterleibspro blem war eine Abtreibung. Ich war geschockt!
Sie bestritt entschieden, dass ich der Vater des Ungeborenen sein könne. Vielmehr wäre ihr neuer Lover der Erzeuger des Kin des. Eine Frau würde so etwas merken. Die Abtreibung hätten sie gemeinsam beschlossen. Ich glaubte ihr kein Wort.
Doris und ich waren das letzte Mal zusammen drei Tage vor dem ominösen Mittwoch. Da spielte sie ihre Rolle als liebende Ehefrau mit Kinderwunsch noch so perfekt, dass ich nichts merk te.
Es gab also drei Möglichkeiten:
Erstens, ich war der Vater. Zweitens, ihr neuer Lover war der Erzeuger. Oder drittens, sie wusste selbst nicht, von wem es war. Das Risiko lag bei 50 %, ein Kind von dem Mann zu erwarten, von dem sie sich gerade getrennt hatte. Das passte nicht in ihre
Pläne.
Diese neue Katastrophe war für mich wie ein psychischer Atombombenangriff. In mir kollabierte alles.
Ich behielt kaum noch feste Nahrung bei mir. Ab und zu spuck te ich Blut. Mein Körper rebellierte. Ich verlor rapide an Gewicht. Ich suchte meinen Hausarzt auf, der mir Medikamente verschrieb.
Wenn es nicht besser würde, müsste ich mich einer Magenspiege lung im Krankenhaus unterziehen, riet er mir. Es wurde nicht besser.
Ich setzte mich noch einmal mit dem behandelnden Arzt in Verbindung, der den Abbruch vorgenommen hatte.
Ich wollte wissen, ob es möglich sei, den Zeugungstermin zu bestimmen.
Daraufhin teilte er mir mit, dass dies auf den Tag genau nicht machbar wäre.
Von jedem Fötus würde jedoch eine DNS genommen und für einige Zeit archiviert.
Wenn ich mir Klarheit über die Vaterschaft verschaffen wolle, müsse ich zu einer Blutabnahme kommen.
Ich ließ mir einen Termin geben.
Acht Tage später sollten die Daten vom Labor vorliegen. Telefonisch wollte ich auf keinen Fall erfahren, wie der Test aus
gefallen war.
Ich fuhr persönlich in die Klinik.
Das Ergebnis haute mich aus den Schuhen. Ich müsste mich übergeben, spuckte Blut und dann wurde mir schwarz vor den Augen.
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