Beate erzählte ich immer noch nichts von den Vorkommnissen. Und auch sonst niemanden. Es reichte, wenn ich in Angst und Schrecken lebte. Da sollten nicht auch noch andere diesen Horror durchmachen, insbesondere die Kinder nicht.
Beate war stinksauer über die permanenten Anrufe, die nun auch nachts kamen, ohne dass sich jemand meldete. Für mich war allerdings klar, wer hinter diesen Schikanen steckte.
Wie ich aus dieser Lage wieder rauskommen sollte, wusste ich in diesem Moment nicht. Anscheinend wollte man mich finanziell regelrecht ausbluten lassen. Immer wieder hielt ich mir die Fol gen vor Augen, wenn ich nicht tat, was man verlangte.
Gerade die Kinder sahen mich inzwischen als ihren Daddy an. Speziell die kleine Sabine mit ihren sieben Jahren eroberte mich mit ihrer Unbekümmertheit und ihrer Herzlichkeit. Bei gutem Wetter fuhren wir öfters zum Schwimmen an einen nahe gelege
nen Freizeitpark. Wie selbstverständlich nahm die Kleine meine Hand und schaute mich stolz mit großen Augen an, während sie mit kurzen Schritten neben mir hertapste.
Beide Mädels waren wahre Wasserratten. Stundenlang wurde im Wasser getobt und ich musste als „Katapult“ herhalten, das die beiden im hohen Bogen aus den Fluten schleuderte.
Nein, ich konnte einfach nicht zulassen, dass diese Verbrecher sich vielleicht die Kinder vornehmen würden. Auch mein Paten kind Julia hatte ich länger schon nicht mehr gesehen und ich ver mied es auch, vorbeizufahren.
Mein Bruder und meine Eltern hatten keine Ahnung, warum ich mich so verhielt. Fragen, wieso ich nicht mehr kommen wür de, ging ich aus dem Weg. Meine Schwägerin Elli, die halbtags in meinem Büro arbeitete, verstand meine Ausreden immer weniger. Ließ es sich gar nicht vermeiden, fuhr ich vier bis fünf Mal durch den Ort, in dem sie wohnten, um sicher zu sein, dass mir nie
mand folgt.
Wochenlang rührten die Erpresser sich nicht. Der Telefonterror hörte auf, um dann mit einem Mal wieder verstärkt einzusetzen. Die Schikanen liefen über Tage im Büro und in meiner Wohnung. Dann tat sich wieder gar nichts.
Die neue Methode war nun, mich privat anzurufen und von mir zu verlangen, Geld bereitzuhalten. Sie nannten keine konkre ten Summen mehr. Ich war schon zu tief in die Sache verstrickt, um irgendwelche Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Ein willfähriges Werkzeug in der Hand von dreisten Verbrechern. Und sie hatten überzeugende Druckmittel aufzubieten.
Ich versuchte die Summen so klein wie möglich zu halten und hob die Beträge in 400er Stückelungen mit der EC oder Kredit karte am Geldautomaten ab. Gerade mit der Kreditkarte hatte ich einen Monat Zeit bis die Abrechnung kam. Kassenentnahmen wären einfach zu auffällig geworden.
Die Erpresser tauchten wie immer unangemeldet auf und immer waren es die beiden selben Personen. Ich wehrte mich nicht mehr. Manchmal nahmen sie 1000 DM, manchmal verlangten sie mehr. Und immer fanden sie Wege, Kontakt aufzunehmen. Ich war in mitten eines Scheißspiels, aus dem es kein Entrinnen gab.
Solange es bei diesen Summen blieb, konnte ich es gerade noch so verkraften. Doch ich musste sehen, dass ich langsam die Finan zierung durchbekam, die ich angeschoben hatte. Der Anbieter, der zum Verkauf anstehenden Gebiete für das Stammgeschäft, verlangte eine Entscheidung und die Produktionen für meine Künstler mussten ebenfalls langsam umgesetzt werden. Der Markt wartete nicht.
Anfang Oktober meldete sich JENS SODERLAND von der Agentur WD KÖHLER bei mir und teilte mir mit, dass er einen Finanzier in Spanien gefunden hätte. Um die Sache nun anzuge hen, schlug er mir einen persönlichen Termin mit ihm im Airport Hotel Hannover vor. Ich wunderte mich ein wenig, warum das Treffen nicht in seinem Büro stattfinden sollte, aber im Grunde war es für mich so bequemer.
In der Lobby des Hotels schien man SODERLAND bestens zu kennen. Anscheinend wickelte er seine Geschäfte des Öfteren hier ab. SODERLAND hatte in etwa die gleiche Statur wie ich, allerdings mit einem sichtbaren Bauchansatz. Er war blond und es fiel auf, dass er bei Anspannung auffallend stotterte.
Er meinte, meine Unterlagen, die ich im Frühjahr eingereicht hätte, wären geprüft worden und in Ordnung. Der Finanzier würde circa 1012 % Zinsen per anno verlangen. Das müsste zwar noch konkretisiert werden, aber im Grunde hätte er grünes Licht für die Sache.
Er übergab mir einen Kreditvermittlungsvertrag, ohne den er nicht tätig werden könnte. Dort verlangte die Firma WD KÖH LER 16.500, DM Aufwandsentschädigung als Vorkasse und den gleichen Betrag noch einmal als Vermittlungsgebühr nach dem erfolgreichen Abschluss der Finanzierung. SODERLAND wollte den Vertrag innerhalb einer Woche unterzeichnet zurückhaben. Die Zahlung der Aufwandsentschädigung hatte ebenfalls in die ser Zeit zu erfolgen.
Die Finanzierung wäre dann nur noch eine reine Formsache, sagte er, obwohl er mir den Namen des Finanziers nicht nennen wollte.
Ich hatte mich um andere Möglichkeiten, ein Darlehen zu be kommen, nicht mehr gekümmert. Ich müsste nun klären, woher
ich die 16.500,00 DM nehmen sollte, ohne meine Liquidität ge gen Null zu fahren.
Mir fiel das Angebot meines Freundes Dieter ein, der mir vor einiger Zeit vorschlug, sollte ich einmal einen Engpass haben, er hätte 20.000,00 DM frei.
Ich kam auf sein Angebot zurück in dem festen Glauben, dass er es spätestens in ein bis zwei Monaten zurückhaben würde, unter schrieb den Vertrag mit SODERLAND und zahlte die verlangte Summe.
Nachdem in den letzten Wochen etwas Ruhe eingekehrt war, ging es nun wieder verstärkt mit dem Telefonterror los. Beate be richtete mir, dass auch sie wieder mit Anrufen bis spät in die Nacht bombardiert würde. Erstmals hätte sich jemand mit ausländischem Akzent gemeldet und sie gewarnt, sie solle auf die Kinder aufpas sen. Sie könnte sich das alles nicht erklären.
Ich schon, der nächste Zahltag stand an. So machten sie es jedes Mal.
Ich wusste, auf Dauer würde ich das so nicht durchhalten. Aber was sollte ich machen? Es war ein Tanz auf dünnem Seil. Jederzeit konnte ich abstürzen. Die Folgen wären fatal gewesen in jeder Hinsicht, Ich versuchte meine Lage, so gut es ging, zu verdrän gen. Ich hätte sonst nicht mehr arbeiten können.
So lange ich den Hyänen etwas Futter gab, würde den Men schen, die mir nahe standen, nichts passieren.
Doch die Forderungen wurden immer massiver und mein Ner venkostüm immer dünner.
In dieser Verfassung eine stressige Promotiontour mit der kana dischen Band durchzuführen, wäre kaum möglich gewesen. So kam es mir nicht ungelegen, dass die Sache ins Frühjahr ‘95 ver schoben wurde, weil die Songs für die CD noch nicht fertig wa ren.
Die heimische Zeitung brachte einen großen Artikel über mich und PRO MEDIA zum Thema „Macher im MusikBusiness“. Ein Radiosender wollte ein Interview haben.
Ich kam mir vor, wie auf einem permanenten Ritt zwischen Him mel und Hölle.
Von SODERLAND hörte ich lange Zeit nichts in Sachen Fi nanzierung. Mitte Dezember rief er an und teilte mir mit, dass der Kapitalgeber in letzter Minute abgesprungen sei.
Dieser Schock saß tief.
Erbost verwies ich darauf, dass die Gebühren bereits gezahlt wären und eine Absage inakzeptabel sei. Er meinte, er hätte noch andere Investoren, die er nun kontaktieren wolle. Er würde sich melden.
Das Warten begann von vorn.
Bis zum Frühjahr 1995 kamen die Erpresser noch zwei Mal. Personell standen bei PRO MEDIA Veränderungen an. Meine
Schwägerin Elli erwartete ihr zweites Kind und würde im Mai in Mutterschaft gehen. Mein verantwortlicher Mann für das Stamm geschäft brachte immer weniger Leistung. Ich musste eine Ent scheidung treffen.
Doris hatte inzwischen die Scheidung eingereicht. Ich musste mir einen Anwalt nehmen. Einmal besuchte sie mich noch im Büro, aber nur, um mir eine gegenseitige Unterhaltsverzichtser klärung vorzulegen. Ich akzeptierte. Wenn unsere Ehe in ihren Augen schon ein großer Irrtum war, so sollte wenigstens finanziell keiner dafür bluten. Wie es in Wirklichkeit in mir aussaß, interes sierte sie sowieso seit langem schon nicht mehr. Ich erzählte ihr auch nichts von den Ereignissen seit dem letzten Jahr.
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