1 ...7 8 9 11 12 13 ...23 Francassa nahm die angebotene Hand und nickte dankend. »Eure Bewunderung nehme ich genauso gerne an, wie Euren Respekt, Herr …?«
»Ich bin kein Herr, Eismann. Ich …«
»Lasst mich Euch einander vorstellen … Freunde«, unterbrach Kapitän Yosander und deutete auf den Eismann. »Dies ist der Vorsteher des Kontors, Meister Francassa«, sagte er und ergänzte: »Wir kennen uns seit vielen Jahren und haben neben lukrativen Geschäften auch schon so manchen Abend bei quorrianischem Wein und fettem Ponatobraten verbracht.« Dann wies er auf den Kapuzenmann. »Dies, mein Freund Francassa, ist Ceanag … ein Zauberer.«
Kapitän Yosander sah, wie sich Meister Francassa versteifte, sein Lächeln erstarrte und er beinahe seine Hand zurückgezogen hätte. Natürlich musste Ceanag die Reaktion gespürt haben, da war sich Yosander sicher. Doch genauso sicher sahen beide, dass Francassa sich beherrschen konnte und seine Hand nicht vorzeitig aus dem Händedruck löste. Auf Driftworld war ein flüchtiger oder zu kurzer Händedruck eine Unhöflichkeit oder sogar eine Beleidigung. Ihn ganz zu verweigern, konnten sich nur erklärte Feinde leisten. Solche Begegnungen mündeten fast unweigerlich in Kampfhandlungen.
»Mir ging es beim ersten Mal genauso, mein Freund, als ich auf einen der legendären Zauberer stieß«, sagte Yosander und lächelte mitfühlend. »Das liegt sicher daran, dass wir nicht einmal ahnen können, über welche sagenhaften Kräfte sie verfügen. Nicht wahr, Ceanag?«
Ceanag wiegte bedächtig seinen Kopf. »Es mag viele Legenden über uns geben, Kapitän. Doch leider bewahren sie uns nicht davor, immer weniger zu werden.« Dann zog er seine Hand zurück und nickte dem Kontor-Vorsteher zu.
Francassa setzte wieder sein freundliches Lächeln auf und Yosander wie auch Ceanag sahen die Ehrlichkeit darin schimmern. »Soviel ich weiß, ist es Zauberern nicht verboten – von wem auch? , zu heiraten und Kinder zu zeugen. Also, warum tut Ihr es nicht? Ein jedes Volk braucht Kinder.«
»Das ist ja das Problem, Meister Francassa: Viele meiner Art haben sich Partner aus allen möglichen Völkern erwählt und mit ihnen Familien gegründet.«
Francassa runzelte die Stirn. »Und das ist ein … Euer Problem?«
»Zum Teil … ja. Ich gönne jedem Zauberer das Glück einer eigenen Familie … Liebe … ein Heim.«
»Aber?«
»Die Zauberkraft ist bei Kindern, die aus einer Verbindung zwischen Mensch und Zauberer hervorgehen verloren. Nur Kinder aus der Verbindung zweier Zauberer behalten die Kräfte … die sie auch noch entwickeln und ständig trainieren müssen.«
»Dann heiratet eben eine Zaubererfrau …«
»Habt Ihr denn eine in dieser Kälte versteckt?«, schmunzelte Ceanag und blickte sich spielerisch suchend um. »Ich sehe keine … leider.«
Francassa lachte und wackelte verneinend den Kopf. »Nein, wir haben keine Zauberin zu Gast … zumindest wüsste ich von keiner.« Dann grinste er breit. »Vielleicht hat sich ja eine unsichtbar gemacht. Ihr könnt Euch doch unsichtbar machen, oder?«
Ceanag schob nun seine Kapuze ganz in den Nacken und setzte ein geheimnisvolles Lächeln auf. »Ich verrate doch nicht all unsere Tricks, Meister Francassa. Aber ich darf Euch etwas anderes verraten: Ich habe ein Fass Drakenfeuer mitgebracht.«
Ceanag musste breit grinsen, als er Francassas leuchtende Augen sah. Jedermann auf Driftworld schätzte einen guten Schluck Drakenfeuer . Ein ganzes Fass davon war ein recht wertvoller Besitz und Francassa wäre nicht Vorsteher dieses Kontors geworden, wenn er nicht sofort verstanden hätte, dass seine Eismänner und er es nicht ohne Gegenleistung bekommen würden.
»Was verlangt Ihr für diesen Ausbund an erlesenem Geschmack?«
»Zwei Krieger als Führer und Schutz.«
Francassa war genauso verblüfft wie Kapitän Yosander, der natürlich von dem Fass gewusst und es auf der Fahrt hierher immer im Auge behalten hatte. Auch seine Besatzung hätte gerne den einen oder anderen Schluck daraus getrunken. Von Ceanags Absicht, es gegen Krieger zu tauschen, hatte er jedoch nichts geahnt.
»Wozu braucht Ihr Schutz? Ihr seid ein Zauberer.«
»Der sich hier nicht auskennt und beide Hände für die Zauberei benötigt … oder für Waffen. Beides gleichzeitig ist nicht möglich. Ein weiterer Grund dafür, dass wir so wenige geworden sind«, schob er nach und hatte einen Ausdruck aus Melancholie und Anspannung aufgesetzt.
Meister Francassa warf einen Blick zum Himmel. »Die Mannschaften sollten sich mit dem Entladen beeilen; es zieht ein Sturm auf. Die Beladung werden wir vorher ohnehin nicht mehr schaffen.« Dann breitete er beide Hände einladend aus. »Damit dürften wir also genug Zeit haben, uns an knusprigem Schollenspringer-Braten, gut gewürzter Wollbär-Leber und feiner Windmoos-Pastete laben zu können.« Er warf einen erwartungsvollen Blick zu seinem neuen Gast.
Ceanag verstand und nickte. »Ein … kleiner Krug Drakenfeuer soll uns das Mahl in ein Festmahl erweitern. Allerdings möchte ich trotzdem zwei Krieger dafür … auch wenn wir die Bezahlung ein wenig reduzieren.«
»Abgemacht, Zauberer!«
Ceanag sah mit gemischten Gefühlen in die Gesichter der Männer, die an der Tafel saßen und sich die Speisen und Getränke schmecken ließen.
Sie trinken ihr Algenbier und auch den einen oder anderen Schluck Drakenfeuer mit einer Freude, als möchten sie das harte Leben hier am Pol vergessen. Wenigstens für ein paar Stunden … Er prostete Yosander zu, der ihm anzusehen schien, dass er mit seinen Gedanken schon ganz woanders war. Steht es mir zu, sie aus ihrer trügerischen Sicherheit zu entführen? Hinein in unbekannte Gefilde, fremde Eilande … in Gefahr und möglicherweise sogar in den Tod? Der Zauberer setzte sein Glas ab und wischte sich mit einem sauberen Tuch den Mund. Aber ich habe keine andere Wahl. Ich muss sie vor ihm finden …
Ceanag musterte – und wie er hoffte, unauffällig – die fröhlichen Mienen der Männer.
Kapitän Yosander … er ahnt bereits, dass es mir um weit mehr geht als um ein Fass Drakenfeuer als Preis für zwei Krieger der Eisleute. Ich mag ihn und vertraue ihm.
Meister Francassa … Yosander würde ihn nicht als langjährigen Freund bezeichnen und mit ihm zechen, wäre er nicht aufrichtig.
Baldouin und Merywyn … die beiden Krieger. In friedlichen Zeiten arbeiten sie als Jäger für ihr Volk, wie viele andere auch. Aber wir haben keine friedlichen Zeiten mehr. Hier im Norden vielleicht … noch.
Fellobain … der Minen-Vorsteher der Eisleute. Ihm unterstehen alle Minen hier am nördlichen Pol. Anderen Orts würde man ihn König nennen. Doch die Eisleute haben keine Könige. Er wurde frei und offen gewählt, wieder und wieder. Einen Mistkerl würden die Eisleute eher einem Wollbären präsentieren, als sich von ihm führen zu lassen. Ich kenne keinen dieser harten Männer … aber ich brauche sie.
»Warum so betrübt, Zauberer?«, rief ihm Fellobain vom anderen Ende der Tafel zu und hob ihm seinen Krug entgegen, aus dem das Algenbier schwappte. »Zittert Ihr vor der Kälte dort draußen? Soll ich das Feuer nachlegen lassen?«
»Nein, Meister Fellobain, ich zittere nicht. Nur meine Gedanken zittern bei dem, was ich auf die Welt und alle Völker zukommen sehe.«
Fellobain setzte seinen Krug ab und Stille trat ein. Das Mahl hatte ohnehin sein Ende erreicht und Yosander und Francassa schienen nur darauf gewartet zu haben. Die Neugier stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
»Ihr habt wahrlich Angst, mein Freund«, sprach der Minenvorsteher ruhig und wischte sich mit dem Handrücken ein wenig Schaum von den Lippen. »Ich dachte immer, einen Zauberer könne nichts auf dieser Welt erschüttern.«
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