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Gleichberechtigt neben der Verpflichtung des Verkäufers zur Übereignung der verkauften Sache (o. Rn 3 f) steht seine Verpflichtung zur Übergabe der Sache an den Käufer (§ 433 Abs. 1 S. 1). Übergabe bedeutet gemäß § 854 Abs. 1 Verschaffung des unmittelbaren Besitzes. Dies gilt, wie besonderer Hervorhebung bedarf, auch im Falle des Versendungskaufs (u. § 3 Rn 21 ff), sodass der Verkäufer hier ebenfalls erst erfüllt hat, wenn der Besitz der Sache dem Käufer von der Transportperson (z. B. der Bahn oder dem Spediteur) tatsächlich ausgehändigt wurde; die Übergabe an die Transportperson genügt dafür noch nicht[3]. Immer braucht der Käufer also nur Zug um Zug gegen Übergabe der Sache zu zahlen (§ 320 Abs. 1), sofern die Parteien nicht (wie häufig beim Handelskauf) etwas anderes vereinbart haben, z. B. durch die Klausel: „Kasse gegen Dokumente“.
II. Pflichten des Käufers
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Die für den Kaufvertrag kennzeichnende Hauptleistungspflicht des Käufers ist seine Pflicht zur Bezahlungdes Kaufpreises (§ 433 Abs. 2). Besonderheiten gelten insoweit nicht. Der Zahlungsverzug des Käufers dürfte ohnehin der wichtigste Anwendungsfall der §§ 280 Abs. 2, 281 und 286 sein. Voraussetzung der Zahlungspflicht des Käufers ist, dass die dem Käufer vom Verkäufer in Annahmeverzug begründender Weise angebotene Sache mangelfreiist (§§ 293, 294). Fehlt es daran, so kann der Käufer die Sache zurückweisen, ohne in Verzug zu geraten (§ 320; s. § 3 Rn 10) Die Gegenleistung des Käufers muss freilich nicht unbedingt gerade in Geld bestehen; vielmehr kommen auf dem Boden der Vertragsfreiheit (§ 311 Abs. 1) auch noch zahlreiche andere Gestaltungen in Betracht. Hervorzuheben sind drei Fälle: Zunächst ist es vorstellbar, dass der Käufer als Gegenleistung gleichfalls die Leistung einer Sache schuldet; in diesem Fall handelt es sich nicht mehr um einen reinen Kaufvertrag iSd § 433, sondern um einen Tausch, der jedoch in jeder Hinsicht ebenso wie ein Kauf behandelt wird (§ 480; u. § 6 Rn 50). Anders verhält es sich dagegen, wenn dem Käufer lediglich die Befugnis eingeräumt wird, seine Kaufpreisschuld nach seiner Wahl auch durch Leistung einer Sache „in Anrechnung auf den Kaufpreis“ zu tilgen. Paradigma ist der Kauf eines neuen Kraftfahrzeugs, bei dem sich der Verkäufer auf Wunsch des Käufers bereit erklärt, dessen altes Fahrzeug „in Zahlung zu nehmen“. Es liegt dann weiterhin nur ein einheitlicher Kaufvertrag vor, lediglich mit der Besonderheit, dass der Käufer eine Ersetzungsbefugnishat, sodass sich seine Haftung für etwaige Mängel des in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens wiederum nach Kaufrecht richtet (§ 365)[4]. Tritt andererseits der Käufer wegen Mängeln des gekauften neuen Fahrzeugs zurück (§§ 437 Nr. 2, 323), so kann er (nur) Rückzahlung des von ihm gezahlten Teiles des Kaufpreises und im Übrigen Rückgabe des in Zahlung gegebenen alten Fahrzeugs verlangen (§ 346).[5] Wieder anders ist die Rechtslage bei dem verbreiteten Agenturgeschäft, bei dem der Verkäufer eines neuen Kraftfahrzeugs, um dem Käufer bei der Bezahlung entgegenzukommen, zugleich als Vermittler für den Weiterverkauf des Gebrauchtwagens des Käufers auftritt (dazu u. § 6 Rn 1 f).
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Neben der Zahlungspflicht hebt § 433 Abs. 2 als weitere Pflicht des Käufers die zur Abnahmeder gekauften Sache hervor. Die Abnahme stellt daher eine echte Schuldnerpflicht dar mit der Folge, dass der Käufer durch die Unterlassung der Abnahme nicht nur in Annahme-, sondern auch in Schuldnerverzug geraten kann (§§ 286, 293). Die Rechte des Verkäufers bestimmen sich dann in erster Linie nach den §§ 280, 281, 286 und 323.
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Aus jedem Vertrag können sich für die Parteien unterschiedliche Nebenpflichten ergeben (§§ 241 Abs. 2, 242). Gesetzlich geregelte Beispiele finden sich in den §§ 446 S. 2, 448 und 453 Abs. 2. Den Verkäufer treffen danach insbesondere die Übergabekosten (§ 448 Abs. 1) sowie beim Rechtskauf die Kosten der Begründung und der Übertragung des Rechts (§ 453 Abs. 2). Dagegen muss der Käufer ab Übergabe die Lasten tragen (§ 446 S. 2); dasselbe gilt für die Beurkundungs- und Grundbuchkosten (§ 448 Abs. 2) sowie beim Versendungskauf für die Versandkosten (§ 448 Abs. 1). Weitere Nebenpflichten können sich für beide Parteien je nach den Umständen des Falles aus den §§ 241 Abs. 2 und 242 ergeben. Besondere Bedeutung haben insoweit neben den mit jedem Vertrag verbundenen Schutz- und Fürsorgepflichten die Aufklärungs- und Informationspflichtendes Verkäufers, etwa bei dem Verkauf komplizierter und gefährlicher Gerätschaften (s. u. § 5 Rn 46). Die Haftung für die Verletzung dieser Pflichten richtet sich auch beim Kauf nach den allgemeinen Vorschriften (s. § 3 Rn 3).
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Nach § 453 Abs. 1finden die Vorschriften über den Kauf von Sachen (§§ 433 ff; o. Rn 1 ff) auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen wie z. B. Unternehmen entsprechende Anwendung. Ist ein Recht verkauft, das zum Besitz einer Sache berechtigt, so ist der Verkäufer außerdem verpflichtet, dem Käufer diese Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben ( § 453 Abs. 3; s. u. Rn 11). Beispiele für derartige Rechte sind das Wohnungsrecht (§ 1093), der Nießbrauch (§§ 1036, 1059), das Erbbaurecht sowie das Mietrecht, sofern ausnahmsweise übertragbar (§§ 535, 540).
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Die Haftung des Verkäufers für den Bestand des Rechts bei Vertragsabschluss richtet sich nach § 311a Abs. 2, sodass ihn heute (anders als früher, s. § 437 aF) keine Garantiehaftungmehr für den Bestand des Rechts trifft. Besteht das Recht zwar, ist es aber nicht übertragbar oder mit Rechten Dritter belastet, so handelt es sich um einen Rechtsmangel(§§ 453 Abs. 1, 435), sodass nach Übertragung des Rechts die besonderen Gewährleistungsregeln der §§ 437 ff eingreifen, während in der Zeit vor Übertragung des Rechts die allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen anwendbar bleiben (s. u. § 4 Rn 33 ff).
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Die Folge dieser Regelung ist letztlich, dass der Verkäufer eines Rechts, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nach § 311a Abs. 2 lediglich für den Bestand des Rechts, die sogenannte Verität, haftet, dagegen nicht für den wirtschaftlichen Wert des Rechts, die sogenannte Bonität.[6] Jedoch kommt in besonderen Fallgestaltungen ergänzend eine Anwendung der Vorschriften über Sachmängelin Betracht. Den ersten Fall hebt das Gesetz selbst in § 453 Abs. 3hervor, nach dem bei Verkauf eines Rechts, das zum Besitz einer Sache berechtigt( Rn 9), der Verkäufer verpflichtet ist, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übergeben. Kann z. B. der Erwerber eines Erbbaurechts infolge öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen nicht wie bei Vertragsabschluss vorausgesetzt bauen, so stehen ihm die Rechte wegen Sachmängeln zu (§§ 453 Abs. 3, 434, 437 ff)[7].
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Raum für die Anwendung der Vorschriften über Sachmängel ist ferner, wenn sich hinter dem Rechtskauf in Wirklichkeit ein Sachkaufverbirgt. Paradigma ist der Unternehmenskauf. Ein Unternehmen stellt im Regelfall eine Sachgesamtheit dar, d. h. einen Inbegriff von beweglichen und unbeweglichen Sachen, Rechten und Chancen. Solche Sachgesamtheiten können ebenso wie einzelne Sachen oder Rechte Gegenstand des Rechtsverkehrs sein (§ 453 Abs. 1; s. o. § 1 Rn 7 f). In der Praxis haben sich dafür zwei unterschiedliche Fallgestaltungen herausgebildet, je nachdem, ob Gegenstand des Vertrages das Unternehmen selbst ist („asset deal“)oder sämtliche oder doch nahezu sämtliche Anteile an der als Unternehmensträger fungierenden Gesellschaft („share deal“). Gleichgültig, welchen Weg die Parteien wählen, auf jeden Fall finden auf derartige Verträge nach § 453 Abs. 1 die §§ 434 ff über die Haftung des Verkäufers für Rechts- und Sachmängel „entsprechende Anwendung“,[8] soweit nicht die Parteien – wie in der Praxis weithin üblich – in dem Kaufvertrag umfangreiche abweichende Regelungen über die beiderseitigen Garantien und Haftungsausschlüsse getroffen haben.
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