Literatur:
Begr. z. RegE des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG), BT-Dr. 14 (2001)/6040; Beckmann, Kauf, in: Eckpfeiler des Zivilrechts, 2020, Kap. N (S. 913 ff); Eckert/Maifeld/Mattiessen, Hdb des Kaufrechts, 2. Aufl. (2014); B. Grunewald, Kaufrecht, 2006; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 5. Aufl. (2018), § 2 (S. 135 ff); Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl. (2009).
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Als Besonderes Schuldrechtbezeichnet man üblicherweise die in dem achten Abschnitt des zweiten Buchs des BGB geregelten „einzelnen Schuldverhältnisse“, die grundsätzlich auf Vertrag oder auf Gesetz (s. § 311 Abs. 1), in Ausnahmefällen auch auf einseitigen Erklärungen einer Partei beruhen können (s. insbesondere die §§ 657 und 661a).
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Die gesetzliche Regelung beginnt in den §§ 433 bis 808 mit verschiedenen vertraglichen Schuldverhältnissen. Die wichtigsten hier erfassten Vertragstypensind die Veräußerungsverträge, die Gebrauchsüberlassungsverträge, Verträge über die Tätigkeit einer Person, sichernde und bestärkende Verträge sowie Gesellschaftsverträge. Innerhalb dieser Vertragstypen wird sodann meistens danach unterschieden, ob es sich um einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Vertrag handelt. Folgerichtig trennt das BGB bei den uns hier zunächst interessierenden Veräußerungsverträgen gleichfalls zwischen Kauf und Tausch auf der einen Seite und Schenkung auf der anderen Seite.
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Veräußerungsverträge unterscheiden sich dadurch von anderen Verträgen, dass sie auf die endgültige(dauernde) Übertragungeines Gegenstandes von einer Person auf eine andere gerichtet sind. Grundtypus ist der Kauf. Die Veräußerungsverträge müssen vor allem von den Gebrauchsüberlassungsverträgen unterschieden werden, die wie die Miete oder die Pacht lediglich die vorübergehendeÜberlassung eines Gegenstandes von einer Person an eine andere zum Gegenstand haben (vgl die §§ 433 und 535, 581).
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Der Kaufvertrag bildet die Grundform, in der sich in einer entwickelten Volkswirtschaft der Warenaustausch gegen Geld vollzieht. Er überragt deshalb an praktischer Bedeutungalle anderen Verträge so sehr, dass die Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB zur Rechtsgeschäftslehre und die des so genannten Allgemeinen Teils des Schuldrechts, insbesondere zu den Leistungsstörungen, in langer Tradition im Wesentlichen an seinem Beispiel entwickelt worden sind.
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Die Vorschriften des BGB über den Kaufvertrag haben vor allem durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz(SMG) von 2001 eine tiefgreifende Umgestaltung erfahren. Ausgelöst wurde diese Reform durch verschiedene Richtliniender Europäischen Union, an die das deutsche Recht bis zum Ende des Jahres 2001 anzupassen war. Die wichtigste war die sogenannte Verbrauchsgüterkauf-Richtlinievon 1999 (VKRL), mit der bezweckt wurde, das Recht des Verbrauchsgüterkaufs in der Europäischen Union zu vereinheitlichen, um den Verbrauchern im europäischen Binnenmarkt überall denselben Rechtsschutz zu gewährleisten. Dieses Ziel wurde indessen wegen der unterschiedlichen Umsetzung der VKRL in den Mitgliedstaaten zunächst nicht erreicht. Die Kommission verfolgte deshalb eine Zeitlang den Plan, ein einheitliches europäisches Kaufrecht zumindest für Verträge mit Verbrauchern zu schaffen – als Voraussetzung für einen wirklichen europäischen Binnenmarkt. Indessen scheiterte auch dieser Plan an dem Widerstand der Mitgliedstaaten, sodass schließlich 2019 lediglich die Verabschiedung zweier Richtlinien gelang, von denen für das Kaufrecht der Richtlinie über den Warenkauf(WKRL) besondere Bedeutung zukommt, durch die vom Jahre 2022 ab die VKRL von 1999 abgelöst würde, und zwar diesmal mit dem Ziel der Vollharmonisierung. Die Umsetzung der beiden Richtlinien von 2019 erfolgte – kurz vor Ablauf der Umsetzungsfrist – durch zwei Gesetze vom Juni 2021, beide in Kraft getreten am 1. Januar 2022.[1] Von einem einheitlichen europäischen Kaufrecht zumindest für Verbraucher kann aber auch nach Umsetzung der beiden Richtlinien wegen ihrer geringen Reichweite und den zahlreichen fortbestehenden Wahlmöglichkeiten der Mitgliedstaaten keine Rede sein.
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Die gesetzliche Regelungdes Kaufvertrages ergibt sich in erster Linie aus den §§ 433–479. Diese Vorschriften sind in drei Untertitel aufgeteilt. Der erste Untertitel enthält die allgemeinen Vorschriften für den Kauf von Sachen, Rechten und sonstigen Gegenständen (§§ 433–453), während in dem zweiten Untertitel besondere Erscheinungsformen des Kaufs wie z. B. der Kauf auf Probe oder der Wiederkauf geregelt sind (§§ 454–473). Der dritte Untertitel enthält schließlich die besonderen Vorschriften für den Verbrauchsgüterkauf (§§ 474–479). Ergänzende Vorschriften finden sich vor allem im HGB für den Handelskauf (§§ 373–382 HGB) sowie für internationale Kaufverträge in dem UN-Kaufrecht (s. u. § 6 Rn 44 ff).
III. Gegenstand
1. Sachen, Rechte und sonstige Gegenstände
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Nach § 433 Abs. 1 S. 1 wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an ihr zu verschaffen. § 453 Abs. 1 fügt hinzu, dass die Vorschriften über den Kauf von Sachen (§§ 433 ff) auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen entsprechende Anwendung finden. Kaufverträge können sich folglich auf sämtliche Gegenständebeziehen, die im wirtschaftlichen Verkehr überhaupt gehandelt werden. Beispielesind neben Sachen insbesondere dingliche Rechte und Forderungen, gewerbliche Schutzrechte, ferner Sach- und Rechtsgesamtheiten wie Unternehmen und freiberufliche Praxen (u. § 2 Rn 12), weiter Elektrizität und Fernwärme, ungeschützte Erfindungen, technisches Know-how, Werbeideen, bloße Chancen und Gewinnmöglichkeiten ( Rn 12) sowie etwa noch Standardsoftware, während Verträge über die Erstellung auf die besonderen Bedürfnisse des Abnehmers zugeschnittener Individualsoftware üblicherweise als Werkverträge eingestuft werden[2]. Eine eingehende Regelung haben seit 2022 aufgrund der bereits erwähnten Umsetzungsgesetze vom Juni 2021 ( Rn 5) – neben den Verträgen über die Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen (§§ 327 ff) – insbesondere noch Kaufverträge mit Verbrauchern über Waren mit digitalen Elementen in den neuen Vorschriften der §§ 475b ff gefunden.
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In vielen der genannten Beispielsfälle ( Rn 7) passt freilich die in erster Linie auf den Sachkauf zugeschnittene gesetzliche Regelung der §§ 433 ff, wenn überhaupt, so nur mit erheblichen Modifikationen. Es liegt z. B. auf der Hand, dass für den Verkauf von Energie oder von bloßen Werbeideen andere Regeln als etwa für einen Autokauf gelten müssen. Die unvermeidliche Folge ist, dass sich im Laufe der Zeit im Verkehr für zahlreiche Typen von Kaufverträgen spezielle Regeln in Ergänzung der gesetzlichen Vorschriften entwickelt haben, auf die hier nur hingewiesen werden kann.
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Gegenstand eines Kaufvertrags können au0erdem künftige Sachen sein. Vor allem drei Fallgestaltungen hat man hier zu unterscheiden: Ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der fragliche Gegenstand in absehbarer Zeit entstehen wird, handelt es sich z. B. um ein Exemplar aus der laufenden Produktion des Verkäufers, so liegt ein normaler Kaufvertrag vor, bei dem lediglich die Fälligkeitder beiderseitigen Leistungspflichten hinausgeschobenist. Anders verhält es sich dagegen, wenn mit der Entstehung der Sache nicht mit Sicherheit gerechnet werden kann wie etwa bei einem Vertrag über die zukünftige Ernte auf dem Halm oder über das nächste Fohlen einer Stute. In diesem Fall wird der Vertrag idR aufschiebend bedingt sein, sodass er erst mit Entstehung der Sache wirksam wird (sog. emptio rei speratae).
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