1 ...6 7 8 10 11 12 ...35 9
Aus unserem Vasen-Fall 2gehört in den vorliegenden Zusammenhang insbesondere das Schicksal der dritten Vase, da es sich um einen Fall nachträglichen Unvermögens (subjektiver Unmöglichkeit) handelt, wenn eine bereits verkaufte Sache nochmals verkauft und übereignet wird (§ 275 Abs. 1 und 2). Die Rechtsfolgen ergeben sich folglich aus den §§ 283, 280 Abs. 1, 276 und 326. Nimmt man an, dass die Ehefrau des V als dessen Erfüllungsgehilfin zu behandeln ist, so kann K auch hinsichtlich der dritten Vase Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§§ 283, 280 Abs. 1 und 278).
10
Ist die Erfüllung noch möglich, so kann der Käufer, immer in der Zeit vor Gefahrübergang(!), solange der Verkäufer seinen Pflichten nicht nachkommt, die Zahlung verweigern (§ 320 Abs. 1), den Verkäufer in Verzugsetzen (§ 286) und Ersatz des Verzögerungsschadens verlangen (§ 280 Abs. 2). Nach fruchtloser Fristsetzung hat er ferner die Rechte aus § 281 oder § 284. Auch wenn die Sache mit einem Mangel behaftet ist, kann er sie nach dem Gesagten zurückweisen, ohne in Annahmeverzug zu geraten (§§ 294, 297; s. § 2 Rn 6), sodass es nicht zum Gefahrübergang kommt (s. die §§ 326 Abs. 2 Fall 2 und 446 S. 3; s. § 2 Rn 6). Bis der Mangel beseitigt ist, ist zugleich ein Verzug des Käufers ausgeschlossen (§§ 286 Abs. 4 und 320 Abs. 1). Der Käufer behält den Erfüllungsanspruch(§ 433 Abs. 1 S. 1 und 2), der, soweit es um die Beseitigung von Mängeln geht, nicht identisch mit dem Nacherfüllungsanspruch der §§ 437 Nr 1 und 439 ist, die richtiger Meinung nach erst ab Gefahrübergang eingreifen. Die Frage hat Bedeutung wegen der besonderen Restriktionen, denen (nur) der Nacherfüllungsanspruch aufgrund der §§ 438 und 442 unterliegt, nicht dagegen der allgemeine Erfüllungsanspruch, dessen Verjährung sich vielmehr nach den §§ 195 und 199 richtet.
IV. Gefahrübergang
11
In dem Glastransport-Fall 3ist das Glas bei dem Käufer K zerstört worden, bevor V voll erfüllt hatte (Eigentumsvorbehalt!). Dadurch ist dem V die Erfüllung, ohne dass er dies zu vertreten hätte, nachträglich unmöglich geworden, da sich der Vertrag spätestens mit der Abnahme des Glases durch K auf diesen Posten beschränkt hatte (§ 243 Abs. 2). Folglich ist V frei geworden (§ 275 Abs. 1). Die Folge müsste an sich sein, dass der Käufer K den Kaufpreis nunmehr ebenfalls nicht mehr zu bezahlen bräuchte (§ 326 Abs. 1). Denn er erhält nicht, worauf er – eigentlich – nach § 433 Abs. 1 S. 1 Anspruch hat (do ut des).
12
Diese Verteilung der Preisgefahr erscheint indessen bei einem Kaufvertrag über bewegliche Sachen dann als unbillig, wenn die Unmöglichkeit erst eingetreten ist, nachdem der Käufer bereits den Besitz der Sache erlangt hatte, weil er von diesem Augenblick ab die „Verantwortung“ für das Schicksal der Sache trägt. Deshalb enthält § 446 S. 1für den genannten Fall eine Ausnahme von § 326 durch die Bestimmung, dass mitder Übergabeder verkauften Sache auch schon vor voller Erfüllung des Verkäufers die Gefahr des zufälligen Untergangesund einer zufälligen Verschlechterungauf den Käufer übergeht. Zum Verständnis dieser Regelung ist es notwendig, sich folgendes zu vergegenwärtigen[3]:
13
Bei gegenseitigen Verträgen muss man zwischen der Leistungs- und der Gegenleistungs- oder Preisgefahr unterscheiden: Bei der Leistungsgefahrgeht es um die Frage, was geschehen soll, wenn einer Partei (hier dem Verkäufer V) die Erfüllung ihrer (Sachleistungs-)Pflicht zufällig unmöglichwird[4]. Diese Frage beantwortet grundsätzlich § 275 Abs. 1dahin, dass die betreffende Partei, der Sachleistungsschuldner, beim Kauf also der Verkäufer, frei wird. Folglich ist es im Regelfall der (Sachleistungs-)Gläubiger (hier der Käufer K), der die Leistungsgefahr trägt; denn er verliert bei zufälliger Unmöglichkeit der Lieferung der verkauften Sache seinen Anspruch auf die (nicht mehr mögliche) Leistung des Verkäufers V.
14
Die Gegenleistungs- oder Preisgefahrbetrifft dagegen die Frage, was in diesem Fall, d. h. bei zufälliger Unmöglichkeit oder Verschlechterung der Sachleistung (o. Rn 13), aus der Verpflichtungdes Sachleistungsgläubigers, des Käufers K, zur Erbringung der Gegenleistungwird. Für den Regelfall beantwortet diese Frage § 326 Abs. 1, nach dem der Sachleistungsgläubiger (der Käufer) dann gleichfalls frei wird, sodass es grundsätzlich der (Sachleistungs-)Schuldner, in unserem Fall also der Verkäufer Vist, der die Preisgefahrtragen muss. Denn ihn trifft nach dem Gesagten das Risiko, bei nachträglicher zufälliger Unmöglichkeit oder Verschlechterung der Leistung den Anspruch auf die Gegenleistung ganz oder teilweise einzubüßen.
15
Das gilt indessen nur im Regelfall, da sich innerhalb und außerhalb des BGB verschiedene Ausnahmenvon der geschilderten Verteilung der Preisgefahr finden (o. Rn 14), die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Käufer (doch) „zahlen“ muss, obwohl er nach § 275 den Anspruch auf die dem Verkäufer unmöglich gewordene Leistung verloren hat. Die wichtigsten Fälle finden sich in § 326 Abs. 2sowie eben in den §§ 446, 447und § 475 Abs. 2 (vgl außerdem noch § 2380 BGB und § 56 S. 1 ZVG). Folglich ist es in diesen Fällen im Ergebnis der Käufer(und nicht wie im Regelfall der Verkäufer, s. o. Rn 14), der die Preisgefahrträgt, weil der Käufer hier zur Erbringung der von ihm geschuldeten Gegenleistung verpflichtet bleibt, obwohl er die Leistung des anderen Teils, des Verkäufers, infolge deren Unmöglichkeit nicht mehr verlangen kann (§ 275 Abs. 1).
16
Bei der Anwendung der genannten Vorschriften muss man beachten, dass die Frage der Preisgefahr nur in der Zeitpanne auftauchen kann, während derer der Sachleistungsschuldner (der Verkäufer) zur Leistung verpflichtet ist und ihm infolgedessen die Erfüllungseiner Leistungspflicht (noch) unmöglich werden kann. Der früheste Zeitpunkt, zu dem dies geschehen kann, ist aus diesem Grund der des Vertragsabschlusses, da der Schuldner vorher nichts schuldet, während der späteste dafür in Betracht kommende Zeitpunkt der der vollständigen Erfüllung der Leistungspflicht durch den Schuldner ist. Das folgt einfach aus dem Umstand, dass seine Verpflichtung durch die Erfüllung erlischt (§ 362), sodass ihm ihre Erfüllung fortan auch nicht mehr unmöglich werden kann (sog Erfüllungszeitraum). Danach berührt ihn das Schicksal der Kaufsache nicht mehr, sondern geht allein den Käufer als den neuen Eigentümer der Sache etwas an: casum sentit dominus.
17
In den §§ 446, 447 und 475 Abs. 2 geht es mithin allein um die Frage, ob der Käufer bei zufälligem Untergang oderzufälliger Verschlechterungder Kaufsache während des Erfüllungszeitraums, d. h. nach Vertragsabschluss und vor voller Erfüllung seitens des Verkäufers (o. Rn 16), (ebenfalls) frei wird oder (trotz Unmöglichkeit oder Verschlechterung der Verkäuferleistung) zur Bezahlung des (vollen) Kaufpreises verpflichtet bleibt. Gemäß § 326 Abs. 1müsste an sich der Verkäufer während des ganzen Erfüllungszeitraumsdie Preisgefahr tragen, sodass der Käufer in jedem Fall der Unmöglichkeit der Leistung vor voller Erfüllung seitens des Verkäufers frei würde. Da dies jedoch unbillig ist, sobald der Käufer durch Übergabe zum „Herrn“ der Kaufsache geworden ist, hat das Gesetz in § 446 S. 1dem Käufer einer Sache die Preisgefahrschon vomAugenblick der Übergabe ab(und eben nicht erst ab voller Erfüllung durch den Verkäufer) auferlegt. Eine weitere Vorverlegung des Zeitpunktes des Gefahrübergangs findet sich für den Versendungskauf in § 447 und in § 475 Abs. 2 (dazu u. Rn 21 ff).
Читать дальше