1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 »Carl?«, fragte Sam White gespielt erstaunt.
»Onkel Sam?«
Sam White breitete die Arme aus und freute sich. »Komm her, mein Junge! Gee, bist du groß geworden.«
Sie umarmten sich umständlich, wegen der Schrotflinte.
»Was machst du denn hier, Onkel Sam?«
»Psch«, bat Sam White um weniger Euphorie und leisere Töne. »Ich wollte mal nach dir und deiner Mutter schauen.«
Carl Taylor drehte sich unsicher um. »Ich soll niemanden hereinlassen.«
Sam White sah verdutzt über die Schultern des Jungen, konnte allerdings nichts sehen. »Auch nicht deinen Onkel?«
»Niemanden«, wiederholte Carl Taylor, wenig überzeugt.
Doch sein Onkel schubste ihn liebevoll hinein und trat selbst ein. Im nächsten Moment bekam er einen Fausthieb verpasst und fiel bewusstlos zu Boden.
»Niemanden«, wiederholte John, der sich auf einer wuchtigen Holzkrücke stützte und dessen Torso in ein Eisenkorsett gezwängt war.
»Was ist hier los?«, kam Claire Taylor um die Ecke. Ein erschrockener Ton drang aus ihrer Kehle, als sie den Mann am Boden sah. Sie schien paralysiert.
Auf Johns Anweisungen band Carl Taylor den Eindringling mit Seilen fest und verpasste ihm Augenbinde sowie Knebel.
»Wer ist das?«, fragte John, zwischen Sohn und Mutter pendelnd.
Claire Taylor schüttelte kaum merklich ihr Haupt, als John nicht zu ihr sah, um ihrem Sohn zu zeigen, dass er den Onkel nicht verraten durfte.
»Kundschaft«, schwindelte sie.
John beäugte sie. »Recht aufdringlich.«
Sie wippte entschuldigend mit den Schultern.
Plötzlich pochte es an der Vordertür.
»Kundschaft?«, forschte John nach.
Claire Taylor schluckte.
»City Marshal Ed Five hier!«, kam es von der Vordertür. »Aufmachen!«
John schickte Claire Taylor nach vorn und blieb mit Sam White und Carl Taylor im Hinterzimmer. Er schnallte sich sein Brustholster um und prüfte den Colt Thunderer darin.
»Guten Abend«, hörte man Claire Taylor nervös, nachdem ein Türglöckchen ringelte.
»Guten Abend, Claire«, sagte Porter Point mit samtweicher Stimme.
Ed Five brummte nur. »Uns ist zu Ohren gekommen, dass sich ein paar Parasiten herumtreiben.«
Claire Taylor zog theatralisch Luft ein. »Gibt es Ärger?«
»Den versuchen wir zu verhindern«, entgegnete Ed Five griesgrämig. »Dürfen wir uns mal umschauen? Alleinstehende Geschäftsfrauen sind ein leichtes Ziel.«
Claire Taylor lachte verächtlich. »Trauen Sie einer Frau nicht zu, den Abzug zu drücken, Marshal?«
Der machte einen Laut, der dies bestätigte.
»Wir sorgen uns nur um dich, Claire«, erklärte Porter Point besorgt.
»Gibt es keine anderen Frauen, die sie beschützen müssen, Marshal?«
Stiefelsohlen stampften durch das Geschäft.
John blickte zu Sam White, der sein Bewusstsein wiedererlangte. Carl Taylor zeigte er den Zeigefinger vorm Mund. John kniete sich vor den Fremden mit Augenbinde.
»Kein Wort!«, trichterte er ihm ein.
Sam White willigte nonverbal ein, die Klappe zu halten, dies jedoch keinesfalls kooperativ, wie man an seinem Murren und seiner Körperspannung ablesen konnte.
John nahm ihm den Knebel aus dem Mund, immer auf der Hut vor dessen Zähnen, die ihn beißen könnten.
»Wirst du gesucht?«, fragte er.
Sam Whites Schultern zuckten.
»Soll ich mal fragen?«
»Nur zu«, flüsterte Sam White kämpferisch. »Kennen wir uns?«
John musterte ihn. »Nein.«
»Deine Stimme kommt mir bekannt vor. Nimm mir die Augenbinde ab!«
»Sei still!«, forderte John.
»Wirst du gesucht?«, grinste Sam White.
John bewegte sich schwerfällig, angesichts der Verletzung und des engen Eisenkorsetts, als er ihm wieder den Knebel mit Widerstand in den Mund schob.
»Nicht!«, hörte man Claire Taylor, bevor die näherkommenden Stiefel innehielten. »Mein Sohn schläft dahinten.«
»Jetzt schon?«, hakte Ed Five ungläubig nach.
»Er ist krank«, log sie.
»Was hat er? Ich höre ihn weder husten noch jammern«, bohrte der City Marshal tiefer.
Ein zugezogener Vorhang trennte die beiden Räume. Des City Marshal s Hand legte sich an den Saum, um aufzuziehen.
»Boss«, redete Porter Point auf den City Marshal ein, »Wenn der Junge krank ist, braucht er Ruhe. Wir sollten nicht weiter stören. Vielleicht finden wir die beiden tatsächlich im Heaven Hell.«
»Allan hätte uns darüber unterrichtet«, wollte Ed Five nicht nachgeben.
»Allan ist ein viel beschäftigter Mann. Der Saloon ist voll und er wittert Trunkenbolde, denen er das Geld aus der Tasche ziehen kann. Da wird er nicht an uns denken, wenn zwei Fremde einkehren«, versuchte es Porter Point weiter.
Ed Five zog den Vorhang beiseite. »Ich will dem Jungen meine besten Genesungswünsche aussprechen.«
Er trat ins Hinterzimmer und erblickte Carl Taylor gebückt unterm Tisch, John mit Schmerzen und einen der Gesuchten, gefesselt, geknebelt und mit Binde vor den Augen.
Ed Five lachte. »Da nimmt uns jemand Arbeit ab.« Er grüßte John mit einem Kopfnicken. »John, der dem Teufel ins Gesicht spuckt.«
»Marshal«, grüßte John zurück.
Porter Point und Dave Star kamen hinzu. Dahinter Claire Taylor mit der Hand vorm Mund, um ihre Machtlosigkeit zu kaschieren.
»Trägst du jetzt Weiberklamotten?«, sondierte Ed Five abfällig das Korsett um Johns Torso.
John klopfte auf das Metall. Ding, ding, ding. »Der neueste Schrei aus den Alten Staaten.«
Ed Five schüttelte den Kopf. »Du bist zu oft vom Pferd gefallen, John. Ich sollte dich gleich mit einsperren, damit du nichts Dummes mehr anstellst.«
Er schickte seine Deputys zu Sam White. Sie bestätigten die Identität, nachdem sie Augenbinde und Knebel entfernt hatten, und hievten ihn gemeinsam hoch, um ihn mitzunehmen.
»Was wird mir vorgeworfen?«, stichelte Sam White aufrührerisch.
»Störung der Totenruhe, Pferdediebstahl und Mitglied einer kriminellen Bande«, zählte Ed Five auf.
»Sie verwechseln mich«, erwiderte der Delinquent vehement.
»Das soll der Richter entscheiden«, winkte Ed Five ab und seine Deputys samt Häftling hinaus.
»Was passiert mit Onkel Sam?«, begehrte Carl Taylor auf, wurde jedoch gleich wieder von seiner Mutter zur Ruhe ermahnt.
»Onkel Sam?«, bohrte der City Marshal nach, mit den Blicken auf Claire Taylor geheftet.
Diese verjagte Mücken. »Für Carl heißen alle Männer Onkel Sam .«
»Recht vertrauensselig«, kritisierte Ed Five den Buben und dessen Erziehung.
»Er hat ein schlechtes Gedächtnis, kann sich keine Namen merken«, flunkerte die Mutter.
Ed Five wollte nicht näher darauf eingehen. Er widmete sich John: »Die Sache mit William Emerald ist noch nicht vergessen. Du kannst nicht einfach einen Whiteman zum Sterben in die Stadt bringen. Wir haben nicht genug Männer, um die Trunkenbolde im Zaum zu halten. Wie sollen wir mit schießwütigen Gesetzlosen umgehen, die nichts als Rache kennen?«
»Soll ich Onkel Sam Gesellschaft leisten?«
Ed Five lachte launig. »Du scheinst Glück zu haben, wenn du die Nacht überstehst«, ging er auf dessen Zustand ein. »Ich will keinen Toten zum Frühstück in meiner Zelle. Hast du Emma gefunden?«, fragte er beiläufig.
»Ja.«
Ed Five wurde blass. »Ist sie hier?«
John bewegte den Kopf in der Horizontalen.
»Das da?«, deutete der City Marshal auf das Eisengerüst, das John stützte und schützte.
Johns Kopf ging in die Vertikale über.
»Wirst du es weiter versuchen?«
Die Vertikale setzte sich fort.
Ed Five atmete schwer ein und aus. »Überleg dir das. Du wirst uns alle unter die Erde bringen. Und für was? 200 Bucks? Ich dachte, Sherman Mayor bezahlt so gut auf seiner Ranch?«
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