Sie freute sich wirklich sehr, mich wieder zu sehen.
„Ich dachte schon, du würdest nicht kommen. Das hätte mich sehr traurig gemacht und ich habe wirklich daran gedacht, die Hochzeit abzublasen.“
„Das war jetzt aber nicht ernst gemeint, oder?“
„Doch, das war es. Ohne meine Trauzeugin wäre meine Hochzeit nicht vollkommen.“
Ich nahm sie in den Arm und drückte sie ganz fest. Diese Worte gingen mir doch sehr ans Herz.
„Ich bin sehr gerührt, dass du so denkst, danke.“
„Ich sehe, die Damen haben genug zu bereden, dann werde ich euch mal allein lassen. Viel Spaß noch“
John gab mir einen süßen Kuss und verschwand.
„Na auf diese Erklärung bin ich jetzt aber sehr gespannt.
Erzähl mal, wie kommt es denn, das alles wieder in Ordnung ist. Ich muss da irgendetwas verpasst haben, glaube ich.“
In der Tat hatte sie das. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte.
„Na ja, die Sache ist die, John sagt, er hat diesen Brief nicht geschrieben und ich glaube ihm.“
Das tat ich wirklich, sofort kam mir sein überraschter Blick wieder ins Gedächtnis.
„Weißt du Susan, ich konnte das auch nicht glauben, dass John so etwas tut. Du musst wissen, er ist sehr offen und ehrlich. Wenn er mit dir nichts mehr zu tun haben wollte, dann hätte er es dir persönlich gesagt, so gut kenne ich meinen Bruder, glaub mir. Wer hat denn nun diesen Brief geschrieben, weißt du das schon?“
Natürlich wusste ich es nicht, dazu kannte ich die Leute im Ort viel zu wenig, falls es überhaupt einer von hier war.
„Nein, keine Ahnung, aber wir werden das schon heraus finden, denke ich jedenfalls.“
Wir redeten noch eine Weile über dies und das, dann probierte Maria das Hochzeitskleid komplett mit Schleier, Schmuck und allem, was dazugehörte, an.
Also, sie sah einfach wahnsinnig toll aus. Der Schleier war so gearbeitet, dass ein Teil davon über ihren Rücken fiel und ein Teil ihr Gesicht bedeckte.
„Du siehst einfach zauberhaft aus.“
Sie sah aus wie eine Prinzessin. Damit hatte ich nicht einmal Unrecht, schließlich besaß sie sogar eine Burg.
„Meinst du, es wird Ben gefallen?“
„Na, ich hoffe er fällt nicht gleich in Ohnmacht, wenn er seine hübsche Braut sieht.“
„Ach komm, du machst Scherze, Susan.“
„Nein wirklich, ich meine es so, wie ich es sage. Er wird entzückt sein, eine so tolle Frau zu bekommen.“
„Hoffentlich hast du Recht damit.“
Von Freunden wusste ich, dass es zur Hochzeit eine Tradition gab.
„So Maria, da gibt es noch etwas. Eine Braut braucht vier Dinge. Etwas Neues, etwas Altes, etwas Blaues und etwas Geliehenes.
Die weißen Handschuhe, sind von mir, also geborgt, dein Strumpfband ist blau, deine Haarspange von deiner Mutter ist etwas Altes, wir brauchen also noch etwas Neues.“
Natürlich hatte ich mir schon so meine Gedanken gemacht.
Traditionen gehören nun mal zu jedem Fest.
Als ich darüber nachdachte, erinnerte ich mich an die Zeit mit Sam. Damals bekam ich von ihm ein Medaillon geschenkt.
Es war ein Herz zum aufklappen. Auf die Innenseiten hatte er zwei Bilder geklebt und das ganze an eine Silberkette gehängt. Maria fand es schon früher so zauberhaft und so kaufte ich ein ähnlich aussehendes Herz mit Kette, in der weisen Voraussicht, es einmal zu verschenken und nun war der Moment gekommen.
„Ich glaube, da habe ich genau das Richtige.“
Aus meiner Tasche holte ich ein kleines Säckchen heraus
und legte es in ihre Hand.
Ich hatte Maria noch nie weinen gesehen. Sie schaute das Herz von innen und außen an, dabei liefen ihr die Tränen wie ein Wasserfall herunter.
„Danke, ich danke dir.“
Dann fiel sie mir um den Hals und heulte erst richtig los.
„Wenn du so weiter machst, ruinierst du dir noch dein Kleid, abgesehen von deinen Augen, die werden rot und dick, also hör auf zu heulen.“
Immer wieder sah sie das Kettchen mit dem Medaillon an, schnaubte sich die Nase und endlich lächelte sie.
„So siehst du schon viel besser aus. Gefällt es dir denn?“
„Machst du Witze, das ist der Hammer!“
Darüber freute ich mich sehr. Meine Überraschung war also gelungen.
„He, wir brauchen zwei Bilder dafür, schließlich muss es komplett sein, wenn ich es Ben zeige.“
Sie war so aufgewühlt, sofort fingen wir an zu suchen und wurden auch fündig.
Zwei super süße Bilder von Maria und Ben fanden wir in einem Karton, in dem Maria sämtliche Fotos aufbewahrte. Mit einer Nagelschere schnitten wir die Gesichter aus und klebten sie in das Herz, auf jede Seite eines.
„Wie findest du, sieht das aus?“
„Perfekt Maria, die sind,... tja perfekt.“
Am liebsten wäre sie sofort los gelaufen um es Ben zu zeigen, aber das ging nun mal nicht vor der Hochzeit.
Maria zog sich wieder um und wir setzten uns auf den Fußboden. Die ganze Zeit erzählten wir über unsere gemeinsame Zeit in Edinburgh. Wie wir uns kennen lernten und wo wir schon überall waren. Gemeinsam schauten wir uns alte Fotos an. Lachten über Sachen, die wir erlebt hatten, ja und manchmal kamen auch ein paar Tränen zum Vorschein, besonders als wir Fotos von Sam dazwischen fanden und uns an meine Vorbereitungen zur Hochzeit erinnerten. Damals hatte sie mir geholfen, heute war ich es.
Nun ja, das war jetzt Vergangenheit und ehrlich gesagt, wollte ich auch nicht mehr daran denken, jedenfalls nicht jetzt.
Es musste draußen schon stockfinster sein und da sich mein Magen wieder einmal bemerkbar machte, beschlossen wir bei Ben etwas essen zu gehen.
Ben freute sich uns zu sehen. Man sah ihm richtig an, dass er bis über beide Ohren verliebt war.
Ich hätte fast neidisch werden können.
Brauchte ich aber nicht, war ich doch selbst verliebt in einen unglaublich sympathisch, gutaussehenden Mann.
***
John war nirgends zu sehen, dabei dachte ich, dass ich ihn hier treffen würde. Wir hatten uns seit etwa zwei Stunden aus den Augen verloren und schon bekam ich Sehnsucht.
Ich glaube, so etwas nennt man verliebt sein.
Ein schönes, aber beängstigendes Gefühl. Was, wenn es schief ging, wenn ich wieder enttäuscht werden würde oder etwas passierte, wie damals bei Sam. Verdammt, ich durfte solche Gedanken gar nicht erst aufkommen lassen.
Maria und ich aßen nur eine Kleinigkeit, denn schließlich war es schon nach 10 Uhr abends.
„He Kleines, du hast doch immer so gut Klavier gespielt. Was meinst du, nur einen Song, ach bitte.“
Natürlich war Klavierspielen ein Hobby von mir. Ich hatte es mir selbst beigebracht. Nur was, wenn die Leute hier drinnen es nicht wollten?
„Weißt du, ich habe heute schon einmal hier gespielt, vielleicht sollte ich es lieber sein lassen.“
„Das wusste ich nicht. Ach komm schon, spiel noch mal. Außerdem, wenn es mir gefällt, gefällt es den anderen auch.
Du weißt, wie gern ich dir zuhöre.“
Gegen dieses Argument konnte ich schlecht nein sagen, also setzte ich mich ans Klavier, überlegte kurz was ich spielen sollte. Da viel mir ein Liebeslied ein.
Ein herrlich langsamer Song zum Tanzen und Träumen.
„Tell It Like It Is“
Don Johnson hatte es mal gesungen, sehr gut, wie ich fand.
Ich begann zu spielen, schloss dabei die Augen und genoss die Melodie.
Es war ganz still geworden, keiner sagte auch nur ein Wort oder gab einen Laut von sich. Offenbar gefiel ihnen das Lied genauso wie mir.
Maria stand bei ihrem Ben, er hatte einen Arm um sie gelegt, das sah ich als ich meine Augen öffnete.
Ich liebte diesen Song und auch diese Art von Musik, auch wenn sie mich traurig und nachdenklich machte, aber vielleicht genau deshalb.
Nach dem letzten Ton, klappte ich den Deckel wieder zu.
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