Aber so sehr sein Leib auch nach Befriedigung schrie, er war zu stolz, als zuzulassen, dass sein Bruder eine junge Dame verführte, ihr falsche Hoffnungen machte, damit sie sich seinem hässlichen Bruder annahm.
Nein, da litt er lieber.
Trotzdem … wurde … er … langsamer…
Riaths Stimme nahm etwas ungewohnt Sanftes, beinahe Mitfühlendes an. »Komm wieder her, ich weiß, was dir jetzt hilft.«
Wütend fuhr er herum und funkelte Riath mit schmalen Augen an.
Sein Bruder gluckste. »Es ist ganz harmlos, versprochen! Und sittlich.« Er winkte ihn näher, während er sich zur Speisekammer wandte und den Krug ansetzte, um ihn leer zu trinken.
Xaith zögerte, doch Riath hatte das erste Jahr seines Paarungstriebs bereits hinter sich und wusste vielleicht Abhilfe, und er war ja nicht immer ein widerliches Scheusal.
Langsam und argwöhnisch trat Xaith wieder näher, als Riath mit einem Arm voller Obst und kleinen Leinensäcken wieder hervorkam, ein breites Lächeln auf dem Gesicht, wie früher, wenn er sich einen genialen Streich ausgedacht hatte – der immer schief ging. Aber niemand konnte Riath vorhalten, er wäre nicht begeistert. Ganz gleich was er sich vornahm, er ging alles mit freudigem Eifer an.
»Setz dich!«, forderte Riath ihn auf.
Sie nahmen an einem kleinen Tisch platz, der viele Kerben vom Hacken diverser Kräuter aufwies. Das Holz roch noch nach Thymian und Rosmarin.
Riath schob mit seiner großen Hand die gehackten Kräuter zur Seite und ließ die Waren, die auf seinen anderen Arm lagen, auf den Tisch fallen. Dicke, große Erdbeeren, grüne, saftige Trauben und Mandeln aus den Säckchen rollten vor Xaiths Nase. Dann machte Riath sich mit einem frohen, betrunkenen Lächeln ans Werk. Mit einem Dolch schnitt er die dicken Erdbeeren klein und warf sie in eine große Holzschüssel, die eigentlich für Kräuter vorgesehen war. Mit dem Ellenbogen schob er Xaith das Säckchen mit den Mandeln entgegen.
»Iss die schon mal.«
Er musste nicht erläutern, weshalb. Xaith warf sich eine ganze Handvoll in den Mund und kaute auf den harten Nüssen herum. Seine Kiefer hatten einiges zu tun, um die Mandeln klein zu beißen. Seltsamerweise linderten die starken Kaubewegungen seine Gier. Deshalb hatte er immer Kerne in den Taschen, um auf etwas herumkauen zu können. Die Mandeln waren jedoch deutlich härter zu kauen. Er würde zukünftig Nüsse mit sich herumtragen.
»Was hat dich so in Wallung gebracht?«, fragte Riath mit einem Funkeln in den Augen.
Xaith schwieg dazu, er ignorierte die Frage. Er log nicht, zumindest selten, Lügen waren etwas für Schwächlinge und Feiglinge.
Aber niemand konnte ihn zu einem Geständnis zwingen.
Riath grinste anzüglich, während er die Erdbeeren halbierte, mit den Ellenbogen auf den Tisch gestützt und den Dolch und die Früchte dicht vor die Nase gehalten, sodass er beinahe schielte.
»Weißt du, was bei mir oft den Trieb weckt?«, fragte Riath und bohrte seine lodernden Augen tief in Xaiths Gesicht. »Deine Beine«, sagte er plötzlich tief knurrend. »Diese ellenlangen, schlanken, unberührten Beine …«
Xaith verspannte sich und schielte zur Tür. Der Ausgang war nicht weit entfernt, aber er musste an Riath vorbei…
Riath wandte gelassen den Blick ab, warf die Trauben zu den Erdbeeren, hackte ein paar Mandeln und vermengte alles zusammen, dann schob er Xaith die Schüssel zu.
»Hier«, lockte er verführerisch, »die Süße der Früchte stillt den Heißhunger, glaub mir, je süßer, desto besser. Und die Mandeln geben den richtigen Biss.« Er zwinkerte.
Xaith seufzte, zog die Schüssel unter seine Nase, hob einen Holzlöffel vom Tisch, der nach irgendeinem nussigen Öl duftete, und begann zu schaufeln. Jedoch nicht ohne argwöhnisch seinen Bruder im Auge zu behalten, der wie gebannt auf seinen Mund starrte.
»Deine Fänge sind unglaublich lang«, raunte Riath mit verklärtem Blick, als stellte er sich allerlei unaussprechliche Dinge damit vor.
Das Unbehagen bescherte Xaith eine Gänsehaut. Er hatte genug und stand so unerwartet auf, dass er annahm, Riath würde nicht damit rechnen. Er sah sich nicht nach diesem um, er eilte auf den nächstgelegenen Ausgang zu und …
»Moment!« Riath war verdammt schnell. Er hatte ihn am Arm gepackt und herumgewirbelt, ehe er sich wehren konnte.
Hart krachte Xaiths Rücken gegen die Wand neben dem Ausgang, Riaths Unterarm lag dicht unter seinem Hals auf seiner Brust und drückte ihn aufrecht gegen den Stein, während sein muskulöserer Leib sich anschmiegte. »Wo will Vatis Liebling denn so schnell hin, hmmm?«
Xaith drehte den Kopf zur Seite und presste die Lippen aufeinander.
Schnurrend rieb Riath das Gesicht an seinem Profil und strich genüsslich mit der Nase über Xaiths Hals, saugte den Duft seiner Haut in sich ein. »Warum so eilig, Bruder? Ich könnte deine Gier stillen, deinen Schmerz lindern. Das tut uns beiden gut«, raunte er ihm verheißungsvoll mit dunkler Stimme ins Ohr.
»Lass. Mich. Los.« Xaith biss die Zähne zusammen.
Riath lachte leise in sich hinein. So musste sich ein übler Schurke anhören, dachte Xaith. »Komm schon!«, drängte ihn sein Bruder und umfasste fest seine Oberarme, drückte zu, wanderte mit massierenden Bewegungen tiefer und rieb sich an ihm.
Xiath bäumte sich gegen ihn auf, doch Riath stieß ihn fordernd zurück an die Wand.
»Wie deine Fänge das Fleisch der Erdbeere durchbohren…«, seine Stimme zitterte heiser, »…wie der rote Fruchtsaft von ihnen tropft … Sei mir nicht böse, aber wie könnte ich da nicht an das hier denken?«
Xaith blieb starr wie eine Marmorstatue, als sein Bruder mit dem Daumen über seine Lippen strich, als wollte er ihn dazu verführen, ihm die Fänge zu zeigen und etwas anderes dazwischen zu nehmen.
»Ich kann dir helfen«, versprach Riath ihm verlockend und mit einem Hauch von Triumph in dem Lächeln, das plötzlich auf seinem Gesicht lag. »Es wird dir hinterher besser gehen, vertrau mir.«
Sein Daumen übte Druck auf Xaiths Lippen aus und versuchte, sich in seinen Mund zu drängen. Als ein Zittern durch Riaths Leib fuhr, schubste Xaith ihn grob von sich.
Riath war zwar muskulöser, aber dennoch taumelte er drei sehr große Schritte zurück, weil ihn sein erregtes Beben geschüttelt und schwach gemacht hatte.
»Du sollst mich nicht anfassen!«, zischte Xaith ihn an, seine Knie zitterten, doch das ließ er sich nicht anmerken. Vor Riath durfte man keine Schwächen zeigen.
Riaths Gesicht verzog sich ärgerlich, er schnaubte zynisch. »Du solltest dich geehrt fühlen, dass ich dich will. Zumal dich sonst niemand anfassen würde!« Er sagte das derart provokant und hasserfüllt in Xaiths Gesicht, dass es bis ins Herz schmerzte, weil es die Wahrheit war.
Xaith schüttelte den Kopf. »Du bist mein Bruder, verdammt noch mal! Schlaf deinen Rausch aus und besinne dich!« Damit löste er sich von der Wand und ging mit eiligen Schritten den Gang hinunter.
Riath rief ihm verärgert hinterher: »Du verpasst was, Bruder!«
Das silberne Licht des Mondes fiel in die Höhle und schimmerte in den feuchten Pfützen, die sich auf dem kahlen Gesteinsboden gesammelt hatten.
Cohen lehnte im Schatten neben dem Eingang am kalten Felsen, ohne etwas zu spüren, und blickte hinaus in die stille Nacht. Wobei sie nicht gänzlich still war, ein Wolf heulte den Vollmond an, Mäuse raschelten im Unterholz, und die schweren Flügelschläge gewaltiger Raubvögel pochten in der Luft.
Die Höhle roch nach Raubtier, vielleicht nach Bären, ein penetranter, starker Geruch nach Urin und Pelz, doch sie schien verlassen, die Spuren der einstmaligen Bewohner waren schon mehrere Monate alt.
Auch wenn Cohen jetzt ein Geist war – was auch immer dies bedeutete – besaß er noch immer seine ausgeprägten Jägerfähigkeiten, darunter das Lesen von Spuren, die sonst niemand wahrnehmen würde, und das Spüren von anwesenden Tieren. Nur eines fehlte und vermisste er schrecklich … die Verbindung, die er zu dem Blutdrachen besessen hatte. Dieses starke, geistige Band, das es ihm ermöglichte, das Flüstern des Drachen im Kopf zu hören, aber auch ihn über eine unbegrenzte Entfernung hinweg zu spüren. Er fühlte sich, als fehlte ein großer Teil von ihm, und es war nicht sein sterblicher Körper oder das Fühlen von … einfach allem, das ihm fehlte.
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