*~*~*~*
Die Küche war leer und dunkel, nur das Feuer der Esse sorgte für flackerndes Licht in dem großen, länglichen Raum. Zwei Küchenmägde waren stets anwesend, falls die Königsfamilie etwas aus der Küche brauchte, doch Xaith hatte sie rausgeschickt. Zunächst wollten sie darauf bestehen, ihm etwas zuzubereiten und auf seinem Gemach oder wo auch immer er essen wollte zu servieren, doch er hatte den beiden jungen, dummen Gänsen ihr Unbehagen ihm gegenüber ansehen können. Er hatte den Schweiß auf ihrer Haut gerochen, der nach Abscheu gestunken hatte, weil sie ihn abstoßend fanden. Trotzdem wollten sie ihm freundlich in den Arsch kriechen, nur weil er der Sohn des Blutdrachen und Königs war.
Darauf konnte er verzichten, er hatte sie regelrecht rausgeknurrt. Sie hatten eilig vor ihm die Flucht ergriffen. Kein Wunder, jeder Diensthabende in der Festung wusste, was er seiner Mutter angetan hatte. Deshalb fürchteten sie ihn. Und im Moment war ihm das nur recht.
Ungestüm durchstöberte er Schränke, Tongefäße und Vorratskammern, getrieben von einem unstillbaren Heißhunger nach so ziemlich allem, was ihm in die Hände fiel. Abwechselnd schaufelte er sich den Kartoffeleintopf und frisches Obst in den Mund, biss von der Keule ab, die vom Abendmahl übrig war, machte sich über rohes Gemüse von Karotten bis Mais her. Die Mischung aus Süß und Herzhaft ließ ihn mit vollem Mund stöhnen. Unruhig wanderte er von einer zur nächsten Ecke, löffelte den kalten Reisbrei seines Vaters und den Haferbrei seines Bruders Sarsar.
Sein Hunger war nicht zu stillen, er hatte nichts mit Essen zu tun. Er litt unter schrecklichem Blutdurst und dem lauten Summen in seinen Eingeweiden, das von seinem überwältigendem Paarungstrieb stammte.
Er hätte Vaaks nicht zusehen sollen, hätte nicht beobachten sollen, wie Fenjin zu ihm stieg, wie sie rumalberten und ein Wettschwimmen veranstalteten, wie sie dicht zusammen waren und leise, vertraut zueinander sprachen, so innig, so selbstverständlich. Während er wie erbärmlich im Schatten lauerte und ihnen diese Zweisamkeit neidisch missgönnte. Wie er sich wünschte, er könnte den Platz – ach was, den Körper mit Fenjin tauschen.
Nun hatte er den Schlamassel, seine Sehnsucht war zu einer lodernden Begierde ausgewachsen, mit jener er nicht umgehen, geschweige denn ausleben konnte. Obwohl sie sich mächtig aufbäumte und laut in seinem Körper brüllte, weil sie gelöscht werden wollte.
Es gab nichts, rein gar nichts, was er hätte tun können. Der Druck und die Unruhe in seinem Inneren kosteten ihm beinahe den Verstand. Er wollte sich wehtun. Oh ja, er wollte den Kopf gegen die Wand schlagen, seine Hand langsam über einer offenen Flamme verbrennen, sich mit dem Dolch tief ins Fleisch schneiden und mit dem Blut und dem Schmerz auch die Gier in sich loszuwerden, die er nicht zu kontrollieren wusste.
Die Hitze in seinem Körper brachte ihn um, ebenso wie das ständige, starke Pochen und Zucken zwischen seinen Beinen. Stillstehen konnte er nicht, er musste laufen, immer wieder vor den Arbeitstischen in der dunklen Küche auf und ab, während er sich Unmengen an Speisen in den Mund stopfte und schluckte.
Immerhin schien das Fressen – anders konnte man das, was er tat, nicht bezeichnen – ein wenig zu beruhigen. Es war nicht ideal, aber besser als nichts, um einen Teil seiner Gier zu befriedigen.
Essen statt Paarung. Und Wexmell meinte, er könnte seine Gefühle nicht austricksen. Ha!
Es war nur eine schwache Alternative, aber besser als im Bett zu liegen und sich wieder stundenlang selbst mit der Hand Erleichterung zu verschaffen, ohne je befriedigt zu sein.
Seinen Verstand konnte er überlisten, aber nicht seinen Schwanz.
Xaith spülte das Gemisch aus Essenresten mit viel kaltem Wein runter, der oberflächlich dazu beitrug, seinen Trieb zu beruhigen.
Ein leises, dunkles Lachen ertönte hinter ihm und er fuhr erschrocken herum.
»Ich muss nicht fragen, was du da tust, ich kenne es selbst.« Leicht schlurfend trat Riath in den Schein der Esse, seine gebräunte Haut wirkte matt und samten im fackelnden Widerschein, sein blondes Haar sah zerstreut aus, als hätte er es sich gerauft, sein Umhang hing schief und sein Hemd stand offen, unsauber hing sein Gürtel auf seiner Hüfte und hielt nur mit Not seine Hose oben. Er schwankte und das linke Auge hing tiefer als das rechte, er hatte einen Krug Wein in der Hand und nahm einen gierigen Schluck daraus, sodass ihm der Wein über die Lippen tropfte.
Xaith stellte die Schüssel mit Sarsars Haferbrei ab, alles in seinem Mund verwandelte sich in Staub. »Du hast gesoffen«, stellte er leise fest. Es war keine Frage.
Eigentlich überraschte es ihn nicht, immerhin soff Riath immer, wenn er Tadel statt Lob erhielt. Nein, überrascht war Xaith wirklich nicht, aber aus gutem Grund beunruhigt.
»Es ist der Trieb, oder?« Riath schlenderte näher, erstaunlich standfest für einen Besoffenen, was zeigte, dass er Übung hatte. Geradezu anpirschend bewegte er sich um Xaith herum, der auf der Hut war wie ein rivalisierender Wolf. »Der Hunger nach Blut und Fleisch, er singt und pulsiert in dir, brennt und verlangt, kitzelt dein Innerstes mit sanften Federn, bis du vor Gier fast hecheln musst und dein ganzer Leib sich so sehr danach verzehrt, berührt zu werden und in etwas hinein zu stoßen, mit Fängen und Glied gleichermaßen, dass du zitterst vor Verlangen.« Er sagte das absichtlich mit einer aalglatten, verführerischen Stimme, als würde er Xaiths Fantasie anregen und sein Leiden verschlimmern wollen.
Und es gelang ihm.
»Ich verstehe, warum du nicht trinkst, aber warum auf den Beischlaf verzichten?«, wollte er dann wissen. Er stand nun hinter Xaith, ganze drei Schritte Luft war zwischen ihnen, aber Xaith spürte ihn im Nacken, als stünde er so dicht hinter ihm, dass sie sich berühren würden, wenn auch nur einer von ihnen leicht einatmete.
»Mir liegen die Verehrerinnen nicht so zu Füßen wie dir«, konterte er zähneknirschend.
Riath lachte wieder leise, mit einem Hauch von arrogantem Hohn. »So kannst du es auch bezeichnen. Soll ich dir helfen?« Er näherte sich einer lauernden Raubkatze gleich Xaiths Rücken und senkte verheißungsvoll die samtweiche Stimme. »Lass uns ein paar Mägde finden. Oder eine, die gut genug ist, unser Verlangen zu stillen, hm? Ich zeig dir, wie es geht, Bruder…«
Riath war nun ganz nah, seine Worte und sein heißer Atem streiften Xaiths Hals. Eine Gänsehaut breitete sich auf seiner Haut aus und ließ das Summen in seinen Eingeweiden zu einem Brüllen anschwellen. Sein Körper schrie danach, Riaths Angebot anzunehmen.
»Ich verführe sie, dann kommst du dazu«, schlug Riath vor, und wieder strich sein Atem über Xaiths Haut, deutlicher dieses Mal, als hätte er ihm leicht in den Nacken gepustet.
Eine Hitzewelle prasselte Xaith den Rücken hinunter. Er zuckte zusammen und fuhr zu seinem Bruder herum, während er gleichzeitig Abstand nahm.
Riaths grüne Augen leuchteten wie grünes Feuer in der Dunkelheit. Er grinste selbstgefällig und zwei dolchförmige, lange Fänge blitzten auf. »Doch lieber einen Stallbuschen?«
Xaith verzog wütend das Gesicht, und im Gegensatz zu Riath, sah er damit hässlich aus. Nun ja, noch hässlicher als sonst. »Leck mich«, knurrte er und wandte sich ab, um die Küche zu verlassen.
Riath lachte vergnügt mit zurückgelegtem Kopf. Dann rief er Xaith amüsiert nach: »Ach komm schon, ich bin dein Bruder, nicht dein Feind! Lass mich dir helfen. Ich musste da auch durch, nächstes Jahr wird es besser.«
Xaith konnte sich das im Moment noch nicht vorstellen. Der Drang, sich mit warmem, lebendigem Fleisch zu vereinen, das nicht seinem eigenen Körper entsprang, war so übermächtig, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass es jemals vergehen würde.
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