Wie schnell die Liebe abkühlt und der Ton kritisch wird, dachte ich nur traurig und schwieg.
Zwar war Roberts Arbeitszeit verändert, nicht mehr nachts, aber wesentlich kürzer war sie dennoch nicht. Auch kam es immer häufiger vor, dass er nach der Arbeit mit seinem Cousin noch einen Trinken ging. Ralf schien dem Alkohol auch nicht unbedingt feindlich gesonnen zu sein.
Das Schlimme daran war aber, dass mein lieber Mann sich dann noch ans Steuer setzte und quer durch die Stadt die acht Kilometer nach Hause fuhr.
Oft fragte ich ihn: „Reicht es dir nicht, dass du schon zweimal den Führerschein weg hattest? Hast du vergessen, dass das auch noch richtig teuer war und du noch in den Knast musstest? Mit deinem Leichtsinn setzt du unsere Existenz aufs Spiel!“
Meist wurde er dann ziemlich grob und schimpfte: „Ach halt doch dein Maul! Was du alles weißt, du Neunmalklug! Und wieso eigentlich unsere? He?“
In der Regel hielt ich es dann für besser zu schweigen.
Aber Roberts Zusammenarbeit mit Cousin Ralf hatte schon einige Vorteile, auch wenn der Gewinn nicht so schnell und so reichlich floss, wie die Beiden es behauptet hatten. Ein Auto war eben doch nicht so schnell lackiert, ob guter Meister oder nicht.
Dafür wurden so manche Abende, speziell am Wochenende, mit amüsantem Zusammensein gefüllt. Ralf war nicht nur ein lustiger, offener Unterhalter, sondern auch ein charmanter Gentleman. Er baggerte mich ganz offen an. Und ich fühlte mich geschmeichelt.
Seltsamerweise war Ralfs Frau nie dabei, auch an der Tankstelle ließ sie sich niemals sehen, dabei hätten die beiden Männer eine tatkräftige Hilfe ganz gut brauchen können; denn bei dem regen Betrieb musste Robert die Lackierarbeiten überwiegend alleine machen, weil Ralf mit tanken und kassieren beschäftigt war.
Als ich Cousin Ralf einmal fragte, warum seine Frau nicht mithalf, erwiderte er: „Stimmt wohl, eine Frau an der Kasse wäre sicher hilfreich, und wenn du es machen könntest, auch noch ein schöner Anblick, aber meine Frau würde uns nur die Stimmung vermiesen. Nee, das muss nicht sein.“
Alles war einigermaßen im Lot bis eines Abends ein überraschender Besucher erschien. Ich hatte eben den Kindern das Abendessen gegeben und wollte den Kleinen ins Bett bringen, als es klingelte.
Als ich die Etagentür öffnete staunte ich nicht schlecht, Herbert Wudke stand vor mir, grüßte verlegen: „Nen Abend Frau Woods. Ist der Robert zu Hause?“
Verwundert erwiderte ich: „ Nein Herr Wudke, mein Mann ist noch arbeiten. Kann ich Ihnen helfen?“ dabei ahnte ich schon was der Taxifahrer von Robert wollte.
Er war verlegen, stotterte ein wenig: „Tja, ich weiß nicht. Aber eigentlich, na ja, wollte ich schon mit Robert selbst sprechen.“
„Nichts da, kommen Sie herein!“ verlangte ich energisch und führte ihn ins Wohnzimmer.
„Haben Sie ein paar Minuten Zeit? Ich will eben den Jungen ins Bett legen“, fragte ich und auf sein Nicken bat ich ihn: „setzen Sie sich doch, ich brauche nur fünf Minuten.“
Dann wies ich meine Tochter an, noch einmal ihre Hausaufgaben durchzusehen und ließ sie am Esstisch zurück um mit dem Taxifahrer zu sprechen.
Als der Gast mein Getränke-Angebot ablehnte fragte ich rundheraus: „Wie viel schuldet mein Mann Ihnen noch, Herr Wudke?“
„Siebzig!“ sagte der Mann verlegen.
Ich gab mir Mühe mein Entsetzen nicht zu zeigen, fragte ruhig: “Und Sie haben sich da nicht verrechnet? Ich dachte eigentlich, das sei längst erledigt. Aber immer noch Siebzig? Oder schon wieder?“ bohrte ich nach.
Dann kam heraus, dass mein lieber Mann sich erneut Geld geliehen hatte, natürlich wieder im besoffenen Kopf.
„Es ist mir echt peinlich, Frau Woods, und Sie dürfen auch nicht denken, dass ich unehrlich bin oder Zinsen aufschlage, aber ich arbeite auch für mein Geld. Und der Robert hat mir die Rückzahlung für den nächsten Tag versprochen, aber das ist nun schon 2 Wochen her.“ Rechtfertigte sich der Mann.
„Nein, nein, Herr Wudke, schon gut, ich muss mich entschuldigen. Er mir nur nicht gesagt, wie viel es war und auch nicht dass er noch nicht bei Ihnen war.“ Log ich, „leider hab ich momentan nicht so viel im Haus, aber ich kann Ihnen schon mal die Hälfte geben und Robert wird Ihnen den zweiten Teil dann morgen bringen. Kann er das bei Schwerte in der Zentrale abgeben?“ organisierte ich die Rückzahlung.
Der Taxifahrer schüttelte den Kopf, erwiderte nachdenklich: „Glauben Sie denn, dass der Robert in die Zentrale kommt? Das kann ich mir echt nicht vorstellen. Der wird sich hüten wenn die Frau Schwerte da ist. Nachts zum Alten kommt er vielleicht. Aber ich kann auch morgen nach Feierabend wieder hierher kommen, den Rest abholen.“
Verwundert wollte ich wissen: „Warum soll er sich vor der Frau Schwerte drücken? Wegen der kleinen Lappalie? Das ist doch längst vergessen!“
Herbert Wudke sah mich entgeistert an, dann lachte er laut: „Lappalie? Na, Sie sind ja gut. Oder was hat er Ihnen erzählt warum es gekracht hat?“
„Warum hat es denn gekracht, wenn Sie das Wort so lustig finden, Herr Wudke?“ Ich konnte meine Spannung kaum verbergen und starrte ihn herausfordernd an.
Was ich dann erfuhr war ungeheuerlich.
Mein Mann und noch ein Kollege waren in Roberts letzter Nacht an einer unübersichtlichen Stelle frontal zusammen gestoßen. Beide Taxen wurden schwer beschädigt, und zwar durch eigenes Verschulden beider Fahrer. Weil die sich einen Spaß daraus gemacht hatten, zu wetten, wer den Mut hatte durchzufahren oder wer bremsen würde. Keiner hatte gebremst. Den Schaden müssen die Fahrer bezahlen.
„Was?“ stöhnte ich entsetzt? „Wie viel muss mein Mann denn bezahlen?“
„Das weiß ich nicht, Frau Woods. Das sollten Sie Ihren Mann fragen, oder die Frau Schwerte. Aber das hätte ich Ihnen vielleicht besser nicht erzählt. Tja, tut mir leid!“ Echtes Bedauern klang aus seinen Worten.
An diesem Abend kam mein Mann so spät und so betrunken nach Hause, dass ich ihn nicht fragen konnte.
Erst am nächsten Abend hatte ich die Gelegenheit meinen Mann auf den Unfall anzusprechen. „Sag mal, was musst du denn für das kaputte Taxi bezahlen? Und wann wolltest du mir das denn mal sagen, was du für eine Scheiße gebaut hast?“
Robert reagierte genervt: „Das geht dich nichts an, kümmere dich um deine Kinder. Ich regle das schon selbst.“ Mit diesen abweisenden Worten glaubte er mich beruhigt zu haben.
„Wie soll ich das denn verstehen? Wenn du einen Schaden bezahlen musst, den du verschuldet hast, geht mich das nichts an? Von welchem Geld willst du das denn bezahlen? Hast du eigenes Geld, von dem ich nichts weiß? Oder nichts wissen darf, weil du mich hintergehst? Das wird ja immer schöner!“ ging ich in die Luft, wie eine Rakete.
Mit erhobener Hand kam Robert auf mich zu, dabei drohte er: „Halt dein Maul oder ich hau dir drauf! Ich verdiene die Kohle während du dir den Arsch wärmst. Also bestimme ich auch was mit dem Geld passiert! Klar?“
„Papa, was machst du? Willst du die Mama hauen?“ fragte unsere Tochter mit entsetztem Tonfall hinter uns, die in diesem Moment ins Zimmer kam.
Wie aus einem Traum erwacht fuhr mein Mann herum, wobei er die Hand sinken ließ. „Nein Mona, das sah nur so aus.“ Log er und ging schnell aus dem Zimmer.
Hoffnung, dachte ich im Stillen, wo bist du geblieben?
Unsere Ehe war in einer tiefen Krise und ich wusste nicht, wer mir raten oder gar beistehen konnte.
Robert kam nun jeden Tag betrunken und sehr spät nach Hause, und immer fuhr er unser Auto selbst. Einige Versuche mit ihm darüber zu reden blockte er bösartig ab, sodass ich es schließlich aufgab. Das ging einige Wochen so weiter. Erst als meine Schwiegereltern mitbekamen, wie ihr Sohn gegen jegliche Regeln verstieß, gab es die erste Hilfestellung für mich.
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