Erneut hob ein Stimmengewirr unter den Zuschauern an. Einige zögerliche Bravorufe ertönten, in anderen Ecken wurde dagegen verständnislos mit dem Kopf geschüttelt.
„Patty Song, der Gouverneur dieser wunderbaren Stadt, hat uns, der internationalen Speedwayagentur, die Erlaubnis erteilt, die neue Arena, die in diesem Moment am Rande der Stadt ihrer Fertigstellung entgegensteuert, mit einem Speedwaycup zu eröffnen. Das Rennen wird den Namen ,Cup des Goldenen Löwen‘ tragen.“
Diesmal war der Jubel der Menschen schon deutlich lauter, war der Löwe doch seit langem ein Wahrzeichen der City.
„Eine Besonderheit des Rennens wird es sein,“, fuhr die Frau in dem Hosenanzug fort, „dass nur Amateure teilnehmen dürfen. Sowohl Fahrer als auch Konstrukteur der Maschine dürfen keinem professionellen Rennstall angehören.“ Nach einer kurzen Kunstpause fuhr sie fort: „Aber seien Sie nicht enttäuscht, Matador und ihre Kollegen werden ein Schaurennen fahren, das in die Punktewertung der diesjährigen europäischen Rangliste eingeht. Sie werden also doppelt auf Ihre Kosten kommen.“
Diese Information führte zu lautem Applaus unter den Zuhörern.
„Die Formalitäten des Rennens sind einfach.“, rief nun die zweite Frau, die über einem schwarzen Kleid eine Tweetjacke trug. „Anmelden darf sich jeder, der noch nie bei einem professionellen Speedwayrennen gestartet ist. Alle Arten von Antrieben sind erlaubt, es dürfen an der Maschine jedoch keine Apparaturen angebracht sein, die andere Fahrer behindern oder gegnerische Dieselroller beschädigen sollen. Der beste Sportler möge gewinnen. Anmeldeschluss hier in unserem kleinen improvisierten Büro im alten Rathaus ist heute in zwei Wochen, am letzten Sonntag des nächsten Monats wird das Rennen beginnen. Die Anmeldegebühr beträgt 10 Wertmarken.“
Begeistert spendeten die Menschen Applaus. Das war doch etwas, worauf sie sich freuen konnten. Ein eigenes Speedwayrennen für ihre Stadt. Das hatte der neue Gouverneur sehr gut in die Wege geleitet.
„Oh, Greg!“ Natty hüpfte aufgeregt auf und ab wie ein Schulmädchen, wenn die Glocke vor der langen Sommerpause ein letztes Mal geläutet hat. „Das wird großartig. Ein richtiges Speedwayrennen.“
„Ja, das wird eine schöne Abwechslung.“, stimmte Greg ihr zu. Deutlich nachdenklicher fügte er allerdings hinzu: „Hoffentlich lassen sie auch uns einfache Leute zuschauen. Wenn sie Wertmarken für Eintrittskarten haben wollen, kann ich mir das Rennen ohnehin nicht anschauen.“
„Sei nicht albern, Greg!“, wies Natty ihn sanft zurecht. „Natürlich wirst du das Rennen sehen. Wir werden teilnehmen.“, rief sie begeistert, so dass einige der Umstehenden neugierig die Köpfe in ihre Richtung drehten.
„Wer wird teilnehmen?“, fragte Greg verwirrt.
„Wir beide!“ Natty grinste ihn begeistert an. „Du und ich.“
Greg riss die Augen weit auf. Es dauerte einen Augenblick, bis er den Inhalt von Nattys Aussage voll erfasst hatte. Dann tippte er sich mit dem Zeigefinger heftig gegen die Stirn. „Ich steige doch nicht auf so eine Höllenmaschine, um mir das Genick zu brechen.“, erwiderte er vehement.
Natty kicherte und legte ihm beruhigend die Hand auf den Unterarm. „Du sollst doch nicht das Rennen fahren. Das werde ich tun.“
„Du?“, entfuhr es Greg.
„Natürlich.“ Natty bedachte ihn mit einem theaterreifen Schmollmund. „Ich bin geübt mit dem Dieselroller. Auf eine solche Herausforderung habe ich mein Leben lang gewartet.“
„Aber Natty! Das ist etwas anderes, als mit hoher Geschwindigkeit durch die Stadt zu brausen. Bei Speedwayrennen kommen Menschen ums Leben. Das ist viel zu gefährlich.“, gab Greg zu bedenken.
Auf Nattys Stirn bildete sich eine steile Falte. „Traust du mir nicht zu, dass ich mich gegen eine wie die da durchsetzen kann?“ Verächtlich deutete sie auf die Rennfahrerin, die in einer großen Menschentraube stand.
Greg warf einen kurzen Blick auf Matador. Ehrlich gesagt, konnte er sich das tatsächlich nicht vorstellen, aber er hütete sich wohlweislich, das Natty gegenüber zuzugeben.
„Sie ist eine Frau, die es geschafft hat, und ich werde ihr nachfolgen.“, stellte Natty mit Entschiedenheit fest und stemmte die Fäuste in die Hüften.
„In Ordnung.“, lenkte Greg ein. „Wenn du dir unbedingt alle Knochen brechen willst, nur zu. Ich werde dich nicht daran hindern.“
„Gut!“, entgegnete Natty schmallippig, sah ihn aber weiter herausfordernd an.
„Ich verstehe nur nicht, was das Ganze mit mir zu tun haben soll.“, tastete Greg sich langsam vor. „Ich werde dir ganz bestimmt keine Wertmarken besorgen, damit du die Startgebühr zahlen kannst.“
Nattys glockenhelles Lachen ärgerte ihn. Sie nahm die Sache eindeutig zu leicht. „Die zehn Wertmarken sind für mich kein Problem. Mein Vater wird nicht einmal merken, wenn sie fehlen. Was aber dich betrifft -“, sie tippte Greg mit dem Zeigefinger vor die Brust, „du wirst mir einen Dieselroller bauen, der dem Wettbewerb gewachsen ist.“
„Ich?“ Greg hob abwehrend die Hände. „Wie stellst du dir das vor?“
Nattys Ausdruck blieb hart und fordernd. „Ich brauche einen Mechaniker, und gebe mich nur mit dem besten zufrieden.“
„Ich habe davon doch gar keine Ahnung.“, entgegnete Greg beinahe flehend. Er wusste, wenn Natty sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie schwer wieder davon abzubringen.
„Wer bringt jeden Dieselmotor wieder zum laufen? Und wer wurde bei einem Uhrmacher als Geselle eingestellt, bei dem noch nie jemand mitarbeiten durfte?“ Herausfordernd funkelte sie ihn an.
„Das sind winzige Uhrwerke. Die haben doch nichts mit Motorrollern zu tun.“, wand sich Greg, auch wenn er tief im Inneren spürte, dass sie womöglich Recht hatte. Er konnte wie kein anderer mit mechanischen Gerätschaften umgehen. Und hatte er in der Kolonie nicht auch Grub, dem alten chaotischen Erfinder, bei seinen Maschinen geholfen?
„Greg, du kannst das!“, redete Natty weiter auf ihn ein. „Ich besorge einen Dieselroller und sehe zu, dass du alles Material bekommst, was du brauchst. Ich habe sogar schon eine Werkstatt im Auge.“ Mit einem Blick, der eigentlich süßen, kleinen Hundewelpen vorbehalten bleiben sollte, schauten ihre blauen Augen Greg so flehend an, dass er gar nicht anders konnte, als nachzugeben. „Also gut.“, meinte er resigniert. „Ich baue dir deinen Feuerstuhl. Aber dafür will ich beim Rennen in der ersten Reihe stehen.“, gab er seine Entscheidung bekannt.
Begeistert fiel ihm Natty um den Hals. „Danke, Greg. Das wird großartig.“
„Versprich mir, dass du vorsichtig sein wirst.“, murmelte Greg und versuchte, sich aus der Umklammerung des Mädchens zu befreien.
„Aber natürlich!“, stimmte sie ihm aufgeregt zu.
Um die beiden Jugendlichen herum entstand ein munterer Wortwechsel. Greg schaute sich um und entdeckte schon bald die Ursache der Unruhe – ein findiger junger Mann hatte die Gunst der Stunde genutzt und ein mobiles Wettbüro eröffnet. „Wer will noch einen Einsatz wagen?“, rief er durch das Stimmengewirr. „Wer setzt auf die genaue Anzahl der Teilnehmer am Cup des Goldenen Löwen?“
Die Männer und Frauen um ihn herum runzelten nachdenklich die Stirn. Hier winkten leicht verdiente Wertmarken, aber man konnte auch nutzlos ein gutes Abendessen verspielen.
Ein eleganter Herr mit samtblauem Zylinder schob sich durch die Gaffer hindurch zu dem Buchmacher. „Fünf Teilnehmer.“, rief er laut und deutlich. „Ich glaube, dass es fünf Amateure schaffen, in so kurzer Zeit einen Roller für das Rennen herzurichten.“, sagte er laut und deutlich.
In den Augen des Buchmachers leuchtete bereits die Freude auf einen einfachen Gewinn. Fünf war eine unglaublich niedrige Anzahl für so ein Ereignis. Auch die Umstehenden schüttelten schmunzelnd den Kopf. Eilig fertigte der junge Mann mit dem Wettbüro einen Wettschein aus. Nicht, dass der Unbekannte es sich doch noch anders überlegte. „Wie viele Wertmarken wollen der Herr einsetzen?“, fragte er lauernd.
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