"Was für ein Typ?", fragte Chris schläfrig.
"Weiß nicht. Kannt ich nicht. So'n großer, ziemlich gutaussehender dunkelhaariger Typ. Mit blauen Augen." Ich küsste ihn wieder und wieder, während ich sprach. "So wirklich wahnsinnig, wahnsinnig, wahnsinnig heiß war der. Mhmmm, total heiß."
"Ach, der wollte bestimmt nur ein bisschen angeben", murmelte Chris und zog mich fest an sich.
"Scheint fast so", sagte ich und machte ein bisschen auf eingeschnappt. "Alter Angeber. Aber vielleicht findest du mich ja jetzt auch einfach gar nicht mehr so heiß." Ich küsste ihn auf den Hals und ließ meine Zungenspitze schnell mal in sein Ohr gleiten. "Jetzt, wo ich 30 bin."
"Hör auf, das kitzelt", sagte er lachend und drehte den Kopf weg.
" Buhuhu ", heulte ich, "kaum bin ich 30, will mein Freund nichts mehr von mir wissen." Ich küsste ihn und befummelte ihn ein bisschen. "Und? Was ist jetzt mit deinem Überraschungsgeschenk?" In Wirklichkeit war ich nach dieser rauschenden Party natürlich selber auch schon viel zu erledigt für Sex. Und viel zu blau vor allem auch!
"Komm her, kleine Prinzessin", sagte er und zog mich fest an sich heran. "Jetzt wird erstmal geschlafen. Ich mein, es ist schon fast sechs." Er küsste mich. Ich sah in seine Augen. "Ich liebe dich, kleine Prinzessin."
" Mhmmm, na so ein Glück", hauchte ich ihm ins Ohr. "Das wäre also auch geklärt. Dann kann ich ja jetzt vielleicht endlich mal schlafen. Wir älteren Damen brauchen schließlich unseren Nachtschlaf. Aber morgen früh, Kleiner, morgen früh, da bist du fällig!" Mit diesen Worten schmiss ich mich wohlig seufzend an ihn ran und schupperte mich an seiner Hüfte. "Schlaf gut, Mäuschen. Knallkuss!"
"Du auch, Prinzessin."
Ich gab ihm einen dicken fetten Gutenachtkuss. Dann drehte ich mich um, presste meinen Po ganz fest an ihn und schlief praktisch sofort ein.
Alles war gut!
Meine Mädels traf ich dann schon vier Wochen später auf der Fusion wieder. Es war wieder mal einfach nur so schön , wie jedes Jahr eigentlich, auch wenn wir es diesmal insgesamt doch etwas ruhiger angehen ließen. Vor allem was das Flirten anging. Ich persönlich vermisste Chris sowieso viel zu sehr, als dass mich andere Männer interessiert hätten. Aber bei den anderen Mädels war es genauso. Man wird halt älter, dachte ich, und musste dann auch ein bisschen schmunzeln bei diesem Gedanken.
Ende August flogen wir zu Chris' Geburtstag für vier Tage nach Rom, was wunderschön war. Rom ist eine wunderbare Stadt, allerdings ist das Wetter wirklich mörderisch im Sommer. Eigentlich kann man nur im Schatten überleben, wegen der Hitze. Aber meistens blieben wir tagsüber sowieso einfach im Hotel, amore amore!, und gingen immer erst nach Einbruch der Dämmerung nach draußen. Echt so richtig dolce vita!
Mitte September waren wir dann in Kiel auf der Garten-Party von Gini und Tobias. Sie hatten gleich einen ganzen Haufen von Anlässen zu feiern. Ginis Geburtstag. Sieben Jahre Beziehung. Zusammenziehen. Die beiden wohnten jetzt als Paar in unserer alten WG-Wohnung. Und, tata tataa! Verlobung!
"Ich hab zu Tobi gesagt, sorry, also entweder krieg ich eine richtige spießige Verlobung, mit Ring und allem, was dazu gehört, oder er kann das vornherein vergessen!", sagte Gini lachend. "Und er hat sich doch ziemlich ins Zeug gelegt, oder? Bei diesem Klunker." Sie hielt mir ihre linke Hand vor die Nase und wackelte mit den Fingern, und ihr Smaragdring funkelte in der Sonne. "Und eine richtige Verlobungsparty wollt ich natürlich auch haben. Ich mein sorry, aber wenn ich schon heirate, dann soll das auch die ganze Welt erfahren."
Anfang Oktober wurde es dann ernst für Todder und Agnieszka. Die beiden heirateten. Die Hochzeit fand in Frankfurt statt. Mama hätte es natürlich lieber gesehen, dass Todder zuhause in Kassel heiratet. Die beiden waren wunderschön, mein großer Bruder im schwarzen Anzug und die Braut in einem traumhaften Brautkleid, ganz in weiß natürlich. Ich war Todders Trauzeugin. Die beiden konnten ihr Ja nur ganz leise hauchen, weil sie so gerührt waren. Und als der Pastor dann sagte "Sie dürfen die Braut jetzt küssen", und mein großer Bruder ganz leise "Jetzt wirklich?" flüsterte, musste ich ein bisschen weinen.
Es war eine riesen Hochzeit. Die ganze Familie war da, auch die Familie von Agnieszka, mit allen Verwandten, die extra aus Polen angereist waren. Und Chris war natürlich wieder der Star bei Mama. Sie hatte ihn schon richtig fest eingebaut in unsere Familienbande und betrachtete ihn praktisch schon als Schwiegersohn.
"Als nächstes seid bestimmt ihr beide dran, Mäuschen", sagte sie mit Tränen in den Augen. "Vielleicht ja schon nächstes Jahr. Wer weiß?"
Für richtig Urlaub blieb bei dieser ganzen Feierei irgendwie keine Zeit. Chris hatte wahnsinnig viel Arbeit, und als Selbständiger konnte er sich sowieso nicht so viel frei nehmen wie ich als Angestellte. Selbst und ständig, meinte er immer. Ich fuhr dann im Herbst mit Clara für zwei Wochen nach Marokko. Chris fand es völlig in Ordnung, dass ich ohne ihn in Urlaub fuhr, und wahrscheinlich machte mir die Trennung mehr aus als ihm. Die Reise war wirklich sehr schön, aber er fehlte mir so sehr. Ich vermisste ihn wahnsinnig, ganz körperlich. Und mir wurde dadurch nochmal richtig klar, wie sehr ich ihn liebe.
Anfang November war dann Tag X, zehn Castoren aus La Hague waren im Anrollen, und wir fuhren zusammen für fünf Tage ins Wendland, den Castor blockieren. Wir wohnten bei Freunden von Chris aus Hannover, Thore und Nora, die sich dort einen Resthof gekauft hatten. Die beiden hatten zwei kleine Kinder, zwei Mädchen, drei und vier. Und Karlsson, eine Golden Retriever-Hündin, schon ganz alt und völlig verschmust, total süß.
"Sowas will ich auch", schwärmte ich, "so ein total schönes altes Haus mit zwei riesigen Linden davor, einen Hund und einen Haufen Kinder. Und dann sitzen wir zusammen im Garten in der Sonne und freuen uns einfach nur noch."
"Nur dass es am Arsch der Welt ist", meinte Chris.
"Na und. Du kannst doch in Wirklichkeit von überall arbeiten mit deinem Job. Thore fährt auch jeden Tag nach Hamburg rein. Und ich such mir einfach was hier in der Nähe, in Lüneburg oder so. Oder ich werde hier die Landärztin. Und für Kinder ist es natürlich besonders toll, viel besser als in der Großstadt."
Dann kam die Adventszeit, und das finde ich ja auf'ne Art immer die schönste Jahreszeit. Ich dekorierte unsere ganze Wohnung, nach dem Motto Der Weihnachtsplanet. Ein paar Sachen hatte ich von zuhause mitgebracht, aber ich kaufte dann für uns noch extra einiges dazu. Leider stellte sich heraus, dass Chris sich nicht so viel daraus machte wie ich.
"Findest du das zu viel? Soll ich es wieder wegmachen?" Ich war ein bisschen enttäuscht von seiner Reaktion.
"Ja nee, lass das ruhig dran. Das ist wirklich völlig in Ordnung. Wenn's dir Spaß macht."
"Aber es muss dir doch auch gefallen! Dafür mache ich das ja überhaupt nur." Ich fühlte mich den Tränen nahe. Ich hatte mir so wahnsinnig viel Arbeit damit gemacht, und natürlich auch, weil ich ihm damit eine Freude machen wollte.
"Sorry, Prinzessin", sagte er grinsend und nahm mich in seine Arme. "Ich hab's halt nun mal nicht so mit Weihnachten."
Im Prinzip wusste ich das natürlich schon. Ich hatte nur trotzdem gehofft, dass er sich darüber freut. Aber Chris bummelte auch nicht gern über Weihnachtsmärkte, da musste ich dann immer mit Tessa oder Sonia hingehen, die beide zum Glück mindestens genauso verrückt waren mit Weihnachten wie ich.
Wegen Weihnachten hatten wir dann auch unseren ersten kleinen Streit, in Anführungszeichen, also das war jetzt kein richtiger Streit, wir haben uns nicht angeschrien oder so. Aber ein bisschen verstimmt war ich schon. Ich musste die Nacht auf Heiligabend arbeiten und konnte deshalb erst morgens nach Kassel fahren. Und ich musste am 25. schon wieder zurückfahren, weil ich am 26. Dienst hatte. Chris fand das alles viel zu stressig und meinte, wir könnten doch stattdessen auch einfach zuhause bleiben.
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