Wir hatten ein tolles erstes Jahr auf dem Waldplaneten. Das überraschte nicht wirklich nach dem tollen Start und den vielen guten Vorzeichen. Aber ob man wirklich miteinander leben kann, ob es wirklich passt, das kannst du ja vorher überhaupt nicht wissen. Vor dem Zusammenziehen. Und vielleicht gerade dann nicht, weil du da frisch verliebt bist und sowieso alles klasse findest am Partner.
Der vielleicht wichtigste Punkt: Unser Zusammenleben stellte sich als äußerst harmonisch heraus. Damit hatte ich zwar gerechnet, aber man kann ja nie wissen. Vorher waren wir in Wirklichkeit ja immer auf Besuch, wenn wir beim andern waren. Und richtig zusammen zu wohnen, ist dann ja oft noch mal was ganz anderes. Und es außerdem für uns beide ja auch das erste Mal war, mit einem Partner zusammenzuwohnen.
Aber offenbar verbanden wir beide mit unserer Wohnung die gleiche Sehnsucht. Wir wollten ein richtiges Zuhause. Und das schufen wir uns, Stück für Stück. Wir machten es uns schön. In unserer Wohnung, vor allem aber auch miteinander. Wir waren so oft zuhause, wie es ging. Wir wollten am liebsten jeden Abend zusammen verbringen, zusammen essen, zusammen abhängen. Und zusammen zu Bett gehen. Das klappte allerdings ganz oft nicht, wegen der Arbeit. Ich hatte oft Dienste im Krankenhaus, dann kam ich gar nicht nach Hause. Oder Chris war unterwegs auf Geschäftsreise und konnte dann auch nicht immer nach Hause kommen. Aber die Sehnsucht danach war bei uns beiden da. Zusammensein. Zweisamkeit. Manchmal musste Chris abends noch dringend was fertig machen, für seine Arbeit, und machte das dann aber lieber bei mir zuhause, als dafür extra nochmal ins Büro zu fahren. Natürlich gingen wir abends auch manchmal aus, aber alles längst nicht mehr so ausdauernd wie in unserem ersten Jahr. Jetzt machten wir es uns lieber auf dem Waldplaneten gemütlich, lümmelten auf unserem tollen Sofa rum und guckten DVD. Oder lasen. Oder ich guckte fernsehen, während Chris neben mir saß und noch was arbeitete und dabei meine Füße streichelte. Das Sofa hatten wir uns zum Einzug geschenkt. Es war unser erstes gemeinsames Möbelstück, und das bedeutete uns natürlich unendlich viel. Natürlich gingen wir auch manchmal allein aus, trafen uns mit Freunden, das war aber auch weniger als vorher. Und meistens verabredete ich mich dann mit Leuten, wenn Chris eh nicht da war, weil er auswärts arbeiten musste. Und er ebenso.
Und dann gab es natürlich auch noch Wundersex. Das ist ja nun mal einfach der Moment, wo du es am intensivsten spürst, dass du zusammengehörst. Und der Waldplanet war für uns wie ein riesiger Abenteuerspielplatz für heiße Experimente. Wir probierten alles zumindest mal aus. Also fast alles. Am Ende landeten wir natürlich doch meistens im Bett. Oder auf dem Sofa, das dafür wie gemacht zu sein schien. Und vielleicht war es ja wirklich dafür gemacht, kam mir im Laden schon so vor.
Ich war glücklich!
Dieses Jahr auf dem Waldplaneten war unsere schönste Zeit zusammen. Der Waldplanet war unser Zuhause. Unsere kleine Welt. In der es nur uns beide gab, und unsere Liebe und unser großes Glück.
Haupthindernis für das schöne Leben in unserem wunderbaren neuen Zuhause war natürlich die Arbeit. Zu Jahresbeginn wechselte ich planmäßig auf eine andere Station, und das war natürlich erstmal wieder wahnsinnig viel Arbeit, da reinzukommen. Auf der neuen Station lernte ich dann Sonia kennen, meine neue Kollegin und bald darauf auch meine beste Freundin in Hamburg. Wir beide arbeiteten echt super zusammen. Wir halfen uns aus, wo wir konnten, hatten immer ein Auge auf die Arbeit der anderen, damit wir keine Fehler machten. Das ist wirklich supergut, wenn du so eine Kollegin und Freundin hast.
Chris musste in dem Jahr auch ganz viel arbeiten. Network Solutions entwickelte sich hervorragend, weil er gute Arbeit leistete, es kamen viele neue Aufträge. Aber da er alles allein machte, blieb die ganze Arbeit an ihm hängen. Im Büro hatte er die Unterstützung von Clarissa, die das auch hervorragend machte, aber draußen beim Kunden war alles Chris. Alles hing von ihm ab. Weil es so gut lief, gab es paradoxerweise ein paar bange Momente, wo die Firma knapp an der Insolvenz vorbeischlitterte, denn die Zahlungsmoral der Kunden war superschlecht. Das machte uns zeitweise ziemliche Sorgen. Aber auch das standen wir miteinander durch.
Und natürlich gab es daneben auch immer die schönen Dinge. Es war ein richtiges Party-Jahr, vollgepackt mit Terminen. Ein gesellschaftlicher Höhepunkt jagte den anderen. Es ging los mit meinem Geburtstag. Ende Mai wurde ich 30. Schreck! Ich hatte mir natürlich schon lange vorgenommen, dass ich die große Drei auf jeden Fall richtig groß feiern wollte. Und außerdem wollten Chris und ich natürlich auch eine Einweihungsparty machen. Also verbanden wir diese beiden Anlässe kurzerhand miteinander.
Es wurde eine riesen Party, mit allen Freunden. Meine Mädels und andere Freunde aus Kiel. Clara, Lexa, Tessa, Kolleginnen und Kollegen aus dem Krankenhaus. Freunde und Kollegen von Chris aus Hamburg und aus Hannover. Und meine Familie wollte ich natürlich auch dabei haben. Im Endeffekt hatten wir natürlich viel zu viele Leute eingeladen. Zeitweise war es auf dem Waldplaneten so rappelvoll, dass man ewig brauchte, um aus dem Wohnzimmer in die Küche zu kommen oder auf die Toilette.
Ich musste natürlich den ganzen Tag immer wieder fleißig fegen. Wenn du an deinem 30. Geburtstag noch nicht verheiratet bist, dann musst du fegen, völlig klar! Die meisten unserer Gäste machten sich einen riesen Spaß daraus und luden säckeweise Dreck vor unserer Haustür ab. Meine Eltern hatten für diesen Zweck sogar eine volle Mülltüte von zuhause mitgebracht.
"Es ist aber alles extra sauberer Dreck", meinte Mama lachend, als sie die Tüte auf dem Fußweg vor unserer Haustür ausschüttete.
"Wir mussten das Zeug ja schließlich im Auto transportieren", meinte Papa.
Aber ganz egal, ob es nun dreckiger Dreck oder sauberer Dreck ist, fegen musst du halt trotzdem, und kannst nur hoffen, dass du verheiratet bist, bevor du 40 wirst.
"Sonst holt dich endgültig der Teufel, mein Herzblatt", meinte Clara lachend.
"Selber" sagte ich, während ich den Besen schwang. "Wenn Satan dann bei mir vor der Tür steht, geb ich ihm einfach deine Adresse."
"Dein Freund hier hätte es natürlich in der Hand, seine Prinzessin vor diesem schlimmen Schicksal zu bewahren", sagte Gini mit breitem Grinsen. Chris sagte allerdings in der Situation lieber nichts dazu. Und ich machte gute Miene zum bösen Spiel. Was sollst du auch sonst machen? Ich stand also stundenlang auf der Straße, ein kleines goldenes Krönchen auf dem Kopf, das Gini extra für mich gebastelt hatte, und fegte und fegte und fegte, während meine Freundinnen sich einen riesen Spass daraus machten, feixend danebenzustehen und zu fotografieren.
"Ach Mäuschen, war das nicht eine supergeile Party?", sagte ich zu Chris, als wir morgens um fünf halb sechs endlich im Bett lagen. Die Wohnung sah zwar aus wie ein Schlachtfeld, wir hatten nur eben schnell das Gröbste aufgeräumt, nachdem die letzten Gäste weg waren. Aber wir hatten den Waldplaneten wieder für uns, weitgehend unbeschädigt, und waren dann einfach nur noch ins Bett gekrochen, völlig KO.
"Und?", fragte ich, so mit Kleinmädchenstimme, und kuschelte mich in seinen Arm. "Willst du mich jetzt eigentlich wirklich noch vernaschen?"
"Nee, ich glaub nicht", sagte er schläfrig. "Willst du?"
"Weil heute morgen hattest du das noch ganz groß ankündigt, als Überraschungsgeschenk."
"Mhm, meine kleine Prinzessin!" Er küsste mich zärtlich auf den Hals. "Ich fürchte, ich bin einfach viel zu erledigt."
" Ach, Schatz, ich bin viel zu müde! " Ich schlang meine Beine um ihn und ließ meine Hand zwischen seine Beine gleiten. " Mhmmm . Vorhin auf der Party war da so'n scharfer Typ, der die ganze Zeit versucht hat, mich zu verführen. Und dass er mich heute Nacht auf jeden Fall noch vernaschen will. Vielleicht hätte ich mit dem mitgehen sollen."
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