"Och wie traurig", sagte ich mitfühlend, obwohl sich das für meine Ohren natürlich supergut anhörte.
Chris hatte sich sechs Monate zuvor von seiner Ex-Freundin getrennt, mit der er zwei oder drei Jahre zusammengewesen war. Beziehungsweise sie von ihm, Fragezeichen Rufzeichen Fragezeichen. Wenn ich es richtig interpretiere, war die Trennung wohl irgendwie auch mit ein Grund gewesen für den Wechsel nach Hamburg. Oder wenigstens der Anlass. Neues Spiel, neues Glück . So ganz klar fand ich das alles nicht, weil Chris auch nie so besonders viel über frühere Beziehungen sprach, auch später nicht. Für ihn schien das immer ein Thema zu sein, über das er nicht so gern redete. Das kann ich zwar grundsätzlich nachvollziehen, aber in diesem Fall wollte ich das natürlich schon ein bisschen genauer wissen und habe deswegen gelegentlich etwas nachgebohrt, so ganz sensibel in Anführungszeichen, und im übrigen ständig lange Ohren gemacht. Soweit ich weiß, hatte er vor mir wohl überhaupt nur drei längere Beziehungen, wobei seine Ex-Freundinnen anscheinend immer so ziemlich die Chaosfrauen gewesen waren, so richtige Hallas-Kalinen, wo er immer ziemlich zu leiden hatte. Das war jedenfalls mein Eindruck.
Ich fand es natürlich gut, dass es akut keine feste Beziehung in seinem Leben gab. Für mich war einfach ganz schnell klar, dass ich mir diesen Mann auf gar keinen Fall entgehen lassen wollte. Ich wollte ihn. Unbedingt! Und hängte mich deshalb auch dementsprechend rein, um ihn zu kriegen. Vor allem am Anfang, auch weil er so total zurückhaltend war, fast ein bisschen schüchtern. Auf'ne Art ist Chris der einzige Mann, dem ich jemals nachgelaufen bin, um den ich mich intensivst bemüht habe. Ansonsten kannte ich das eigentlich immer eher umgekehrt, also dass sich Männer um mich bemühten. Aber wer weiß, ob das mit uns überhaupt jemals etwas geworden wäre oder überhaupt auch nur angefangen hätte, wenn ich damals nicht die Initiative ergriffen hätte.
In den nächsten zwei drei Wochen war ich dann so oft es ging bei Chris in Hamburg. Und wenn wir mal nicht zusammen sein konnten, habe ich mich immer so richtig verzehrt nach ihm und habe gelitten wie ein Teenager. Dauernd stellte ich mir sein Gesicht vor. Ich fühlte seine Hand in meinem Nacken oder zwischen meinen Beinen. Oder ich guckte mir Bilder von ihm auf dem Laptop an. Ich war zu der Zeit echt schon voll auf Chris. Ich fand ihn wahnsinnig hübsch. Ich mochte seinen Körper.
Es ging einfach alles ganz schnell mit uns. Anfang Februar wohnte ich bereits in Hamburg, und es begann für uns beide ein neuer Lebensabschnitt. Neue Stadt, neuer Job, neue Partnerschaft. Ich hatte mein WG-Zimmer in Altona, Nähe Schanze und ganz nahe bei Chris. Und seitdem sahen wir uns praktisch jeden Tag, wann immer es sich einrichten ließ, und stürzten uns kopfüber hinein in das Abenteuer unserer jungen Liebe. Wir gingen aus, wir gingen essen, trinken, tanzen, wir gingen zum Kickern und Billard spielen, wir gingen auf Partys, ins Kino, ins Konzert.
Und wir gingen ins Bett. Ich hatte noch nie so unglaublich viel Sex wie in diesen ersten Monaten unserer Beziehung, wir fielen bei jeder Gelegenheit förmlich übereinander her. Das kleine Problemchen mit der erektilen Dysfunktion trat in der ersten Zeit zwar noch einige Male auf. Aber da hatten wir ja bereits ein tragfähiges Lösungskonzept gefunden. Und bald darauf war unser Sexleben dann einfach nur noch Wundersex. Und die Erinnerung an diese kleine Katastrophe mit anschließendem Happy End bei unserem ersten Mal gehörte danach für immer zur Folklore unserer Beziehung, das hätten wir wahrscheinlich noch unseren Enkelkindern erzählt.
Ein Faible für das Besondere im Bett oder anderswo hatten wir beide nicht, Wundersex war kein bisschen akrobatisch, sondern eigentlich eher schlicht. Hart aber herzlich. Ein wenig Französisch hier und da, was wir beide besonders liebten, und wo Chris immer meinte, ich hätte ein besonderes Talent dafür. Und meine kleine Handarbeit natürlich.
Ich liebe Handarbeit. Für mich hat das auch überhaupt nichts mit Selbstbefriedigung zu tun, das ist echter purer Sex. Während ich es mache, soll er mich streicheln. Mich liebkosen. Begrapschen. Ganz fest und bestimmt. Und mich küssen natürlich. Oder die Zunge im Ohr. Und dann komm ich.
Chris hatte das sofort verstanden, von Anfang an. Deswegen hatte es ja auch sofort funktioniert mit uns.
Und im Mai kam dann Paris. Paris war unsere erste richtige Reise, auch wenn es nur vier Tage waren. Und es sollte schon ganz klar eine Liebesreise werden. Toujours l'amour. Das hatten wir vorher schon immer gesagt. Natürlich hatten wir uns auch Sightseeing vorgenommen, klar, für Chris war es ja auch das erste Mal Paris. Louvre, Musée d'Orsay, Tour Eiffel, Les Grands Magasins undsoweiter, das war der Plan, aber Sightseeing fiel dann eigentlich komplett aus, wir haben uns nur selbst besichtigt. Chris war die einzige Sehenswürdigkeit, die ich wollte.
"Je voudrais plutôt me faire baiser de vous monsieur. Toute la journée."
"Hä? Also ich weiß zwar nicht, was das heißt, aber es klingt ziemlich heiß."
"Das heißt, küss mich, Dummerchen!"
"So heiß wie du!"
"Merci monsieur, vous êtes très gentil!"
Es ging mir wahnsinnig gut an diesen vier Tagen in Paris und besonders an meinem Geburtstag. Normalerweise, wenn dein 29. Geburtstag bevorsteht, denkst du, das wäre ein Problem, und bist schlechter Laune deswegen. Bei mir war das anders. Ganz anders. Ich war mit meinem Traummann in Paris und wahnsinnig gut drauf. Ich fühlte mich wie Anne Hathaway auf Ecstasy, wunderschön und unglaublich sexy. Ich war wahnsinnig verliebt und wurde gefickt wie noch nie zuvor in meinem Leben.
"Mhm, Geburtstagswundersex."
Ich lag auf ihm drauf, nackt und feucht und heiß. Er hielt mich fest umschlungen und flüsterte mir bezaubernde zärtliche Sachen ins Ohr und niedliche kleine Schweinereien, was er als nächstes mit mir vorhätte. Es war ein absolut inniger Moment. Der siebte Himmel. Deswegen fand ich diesen Moment auch genau richtig, um ihn endlich zu fragen.
"Liebst du mich?"
Er blickte mich ernst an aus seinen dunklen hellblauen Augen, dann ließ er seine linke Hand an meiner Lendenwirbelsäule hinabgleiten und auf meinem Po spazierengehen.
"Ja", sagte er nach dieser kleinen sexy Pause, ganz nah an meinem Ohr. "Klar. Ich liebe dich wahnsinnig, kleine Prinzessin."
Und dann küssten wir uns. Undsoweiter undsoweiter.
Ich liebe dich wahnsinnig, kleine Prinzessin.
Kleine Prinzessin. So hat er mich immer genannt. Und es hat mir von Anfang an gefallen. Es war mir auch kein bisschen peinlich. Jetzt im Nachhinein denke ich immer, ich hätte stutzig werden müssen. Ich hätte doch merken müssen, dass etwas nicht stimmen kann bei so viel Liebesmärchenwunderland. Andererseits, welche Frau hört sowas nicht gern aus dem Munde ihres Traumprinzen? Außerdem wusste ich damals ja auch noch nicht, dass er mich angelogen hatte. Und das alles, was danach war zwischen uns, auf einer Lüge basierte.
Aber war es denn überhaupt eine Lüge? An dieser Frage habe ich in letzter Zeit ziemlich viel rumüberlegt, und das ist ja wahrscheinlich auch typisch, dass du dir als schwangere Braut solche Gedanken machst, so kurz vor der Hochzeit, nach dem Motto Drum prüfe wer sich ewig bindet. Und manchmal denke ich, Scheiße, vielleicht hätte er mir damals einfach nur klipp und klar sagen sollen, was er von mir will. Also meinetwegen auch einfach sowas wie Weißt du was, Prinzesschen, ich finde dich zwar superheiss, und ich will das mit uns genießen, so lange wie's dauert, aber mehr auch nicht. Punkt. Das wäre vielleicht nicht schön gewesen und auch kein bisschen romantisch. Aber es wäre auf jeden Fall ehrlicher gewesen. Und ich hätte mich ja wahrscheinlich auch nicht sofort von ihm getrennt deswegen. Ich liebte ja, was wir miteinander hatten, es wäre also wahrscheinlich trotzdem die ultimative Sex-Affäre geworden, wir waren ja wirklich einfach perfekt im Bett, ohne Übertreibung. Definitiv der beste Sex meines Lebens bis heute. Nur dass für mich eben die ganze Zeit klar gewesen wäre OK, Mädel, das ist jetzt eine tolle Zeit für dich. Hammer Typ, super Sex. Aber das ist noch nicht das eigentliche, das ist einfach nur eine Teenager-Liebe für Große .
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