„Salomé. Du bist eine sehr schöne Frau. Aber bitte versteh: Ich bin Armenier.“
Salomé hob fragend die Augenbrauen.
„Ich kann mir in meinem Privatleben keinen Skandal erlauben.“
„Skandal?“
Tigran machte eine unwirsche Handbewegung. „Egal, ob du wirklich etwas mit diesem Nate hast. Allein der Eindruck, ich ginge mit einer Frau aus, die eine Liaison mit einem Hollywoodstar hat, schadet meinem Ruf.“
Salomé war so verblüfft, dass ihr noch nicht mal ein ungläubiges Schnauben gelang. Sie atmete tief durch. Was sollte das? Glaubte dieser Mann etwa, sie habe es nötig, sich seine Moralpredigt anzuhören?
„Ich verstehe“, antwortete sie nur knapp, obwohl sie überhaupt nichts mehr verstand. Soeben beim Dinner war er ihr als weltoffener, gebildeter und moderner Mann erschienen – und nun so ein Steinzeitverhalten.
Tigran nickte erleichtert und wies den Taxifahrer an, zu Salomés Apartmenthaus zu fahren. Im Verlauf der weiteren Fahrt sprach keiner mehr ein Wort. Mit einem unterkühlten Nicken verabschiedeten sie sich voneinander. Im Aufzug nach oben kam endlich das ungläubige Schnauben aus Salomés Kehle, das sich in herzhaftes Lachen ausweitete. Sie war durch das Wechselbad der Gefühle so überspannt, dass sie immer noch kicherte, als sie die Haustür aufschloss. Allegra, die in Bademantel und Socken vor dem Fernseher saß, musste ein paar Minuten warten, bis ihre Freundin sich so weit gefangen hatte, um alles zu erzählen.
Nate schaute regungslos in Carys triumphierendes Gesicht. Die kleine Frau, auch heute in einem grauen Businesskostüm mit flachen Schuhen, hatte sich vor ihm aufgebaut.
„Hab ich’s dir nicht gesagt? Die Dame war wohl eine Nummer zu groß für dich!“ Cary fuhr sich durch das kinnlange schwarze Haar. Ihre grünen Augen blitzten ihn durch die Gläser ihrer großen Nerdbrille an.
Nate konnte nicht antworten. Hinter seiner Stirn ratterte es. Stirnrunzelnd betrachtete er wieder die Bilder auf der Homepage der You Know? , eine von mehreren Klatschzeitungen, die die Story heute als großen Aufmacher hatten. Er unterdrückte den Impuls, Cary das Tablet aus der Hand zu schlagen. Das unterschwellige Gefühl der Eifersucht, das seit der Gala in ihm geschlummert hatte, schwappte heiß seine Kehle hoch.
Das linke Bild zeigte eine beschwingte Salomé, die vor einem charmant grinsenden Dr. Hagopian, der vertraulich seine Hand an ihren Rücken gelegt hatte, ein Restaurant verließ. Im Bild daneben schmiegte sich Salomé in die Arme ihres Kavaliers.
Die letzten Tage waren immer wieder Schnappschüsse von Salomé in der Klatschpresse aufgetaucht. Das erste bildete sie zusammen mit einer sich sehr ungezwungen gebenden, blond gelockten Frau ab. Weitere Aufnahmen zeigten sie beim Betreten der Bank oder vor ihrem Fitnessstudio. Nate konnte nicht leugnen, dass ihn jedes Mal ein wohliger Schauer durchrieselte, wenn er die dazugehörigen Unterschriften studierte: „Nates schöne Freundin“ oder „Sie hat sich Nate geschnappt“.
„Schön wär’s.“ Er unterdrückte ein Seufzen.
Nachdem das Date in New York so danebengegangen war, hatte er durch diese Klatschmeldungen wenigstens ein bisschen Anteil an ihrem Alltag. Bislang hatte er sich zurückgehalten, sie noch einmal zu kontaktieren. Er redete sich ein, es wäre besser so. Selbst Sean hatte das gesagt. Außerdem verdiente eine Frau wie Salomé es, ausgiebig umworben und nicht als Termin dazwischengequetscht zu werden. Wie sollte er das anstellen, wenn seine Tage von Cary minutiös durchgeplant waren? Besser nach dem Dreh.
Das heutige Bild allerdings brachte diesen Entschluss ins Wanken. Panik wallte in ihm auf. Was, wenn dieser Arzt sie ihm wegschnappte?
Nates Blick fror an Salomés entspanntem Gesicht auf der ersten Abbildung fest. Wie unglaublich gut sie aussah! Sie hatte diese hoheitsvolle Aura, die von ihrer geraden Haltung und eleganten Kleidung unterstrichen wurde. Ihre funkelnden Augen und ihr lachender Mund bildeten die herzliche Nuance, die das Gesamtbild abrundete. Nate atmete tief ein. Sie war perfekt. Perfekt für ihn. Er vermisste sie so sehr.
Es war anhand der Aufnahme schwer zu sagen, was sie für diesen Arzt empfand. Sie wirkte auf jeden Fall glücklich. Vielleicht war es schon zu spät? Seine Kiefermuskeln spannten sich an, als er cool Carys Blick begegnete.
„Ach, Cary. Du weißt doch, wie solche Fotos zustande kommen. Das heißt doch gar nichts.“ Nate war selbst erstaunt, wie gekonnt gelangweilt sein Tonfall klang. Das war echt oscarreif.
Irritiert ließ Cary das Tablet sinken.
„Hast du die Schlagzeile gesehen? „ Nate war gestern.“ Wie sollen wir das nur geradebiegen? Wo du gerade auf der Liste der einflussreichsten Männer im Filmbusiness auf Platz zweiundzwanzig stehst. Du sackst garantiert ab durch diese Geschichte.“
Carys Mund wirkte verkniffen. Ein untrügliches Zeichen, dass sie mit ihrem Latein am Ende war. In Nate, dem es herzlich egal war, welchen Platz in welchem Ranking er belegte, solange er auf Salomés Platz eins stand, regte sich Kampfgeist. Er musste handeln und nicht abwarten. Jetzt sofort!
„Ganz einfach. Wir beweisen der Welt, dass ich nicht gestern war! Organisiere einen Flug nach New York!“
Die Hitze in ihrem Inneren wurde unerträglich. Schweißperlen sammelten sich zu Rinnsalen zwischen ihren Brüsten, die rhythmisch auf und ab hüpften. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und der Atem kam stoßweise. Lange würde sie dieses Tempo nicht mehr durchhalten. Ihre Beine begannen zu zittern. Sie stöhnte und verlangsamte den Rhythmus. Vergeblich fischte sie mit der freien Hand nach ihrem Handtuch. Sie erspähte es auf dem Boden. Unerreichbar.
Rigoros drückte sie den roten Stopp-Button.
Welcher Teufel hatte sie nur geritten, das Advanced-Hiking-Program - Plus auf dem Stepper einzuschalten? Immer noch nach Luft schnappend, beugte sie sich einen Moment vornüber, um ihren Körper zu beruhigen.
Eine Hand kam in ihr Blickfeld. Eindeutig männlich. Die Hand hielt ihr das Handtuch hin. Vage fühlte Salomé sich an den letzten Sommer erinnert, als wechselnde Verehrer ihrer Freundin Julia nach ihrem morgendlichen Schwimmtraining ebenfalls das Handtuch gereicht hatten. Auf Anmache, vor allem hier im Fitnessstudio, hatte sie keine Lust.
Salomé richtete sich auf und hatte bereits einen Spruch auf der Zunge, der ihrem Gegenüber garantiert verdeutlichen würde, dass sie nicht interessiert war, als ihr Herz vor ihrem Verstand begriff, wer da vor ihr stand. Es pochte so stark, dass Salomé zu ersticken drohte. Nate!
„Woher weißt du, dass ich hier bin?“, keuchte sie, entwaffnet von seinem Anblick, während sie automatisch das Tuch entgegennahm und sich geistesabwesend das Dekolleté abtupfte.
Nate heftete seinen Blick hungrig auf ihre schweißglänzende Haut und räusperte sich.
„War nicht schwer. Ich musste mir nur aufmerksam die Bilder von dir im Internet anschauen. Eins davon zeigte dich vor diesem exklusiven Studio.“
Salomé verzog gequält das Gesicht. Diese Fotos! Im Büro hatte man sie bereits darauf angesprochen. Auf den alarmierten Anruf ihres Vaters hin hatte sie die ganze Sache als haltlose Erfindung der Klatschpresse heruntergespielt. Wie es schien, hatte er das geschluckt. Vor allem, weil seitdem keine weiteren Bilder mehr von ihr und Nate erschienen waren. Dieser Anruf hatte einmal mehr bestätigt, dass ihr Instinkt richtig gewesen war: Charles wäre über eine Verbindung seiner Tochter mit einem Hollywoodstar „not amused“.
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