„Wie hat sie reagiert, als du es ihr gesagt hast?“
„Also, ich habe es ihr nicht direkt gesagt.“
„Sondern?“
Nate seufzte. „Ich wusste nicht, dass sie auch auf dieser Gala sein würde, auf der ich als Stargast geladen war und mit einer anderen Frau aufgetaucht bin. Sie kann ja nicht wissen, dass ich diese Frau gar nicht gut kenne. Ihr Blick hat mehr als tausend Worte gesagt. Ich wollte mit ihr tanzen und ihr alles erklären, aber es hat sich einfach nicht ergeben.“
„Wow. Und seitdem ist sie wütend auf dich. Verstehe ich irgendwie.“
Nachdenklich nahm Nate noch einen Schluck.
„Nein. Also ja, ich nehme an, dass sie es nicht so prickelnd fand, es so herauszufinden. Sie ist halt eine stolze Frau. Ich denke, das bekomme ich schon hin. Eigentlich war sie schon am Abend davor bei unserem Date von einem Moment auf den anderen merkwürdig zurückhaltend.“
„Was hast du zu ihr gesagt? Lass uns in meiner Höhle vögeln gehen?“
Nate verdrehte die Augen.
„Sean, der Witz ist langsam durch! Unsinn. Wir waren noch bei Colin. Er hatte eine Ausstellungseröffnung. Ich habe kurz mit Liz telefoniert. In der Zeit hat Colin sie rumgeführt und ihr die Ausstellung gezeigt. Danach war sie wie ausgewechselt. Ich hatte das Gefühl, sie wollte mich so schnell wie möglich loswerden.“ Nate ging im Geiste den Abend durch.
„Vielleicht hat Colin etwas über dich zu ihr gesagt, und sie war da schon sauer, dass du ihr nicht erzählt hast, wer oder was du bist?“
„Ich habe ihn direkt am nächsten Morgen angerufen. Er behauptet, nein. Vor allem hat er wohl kein Wort über mich als Filmstar verloren. Sie hätten angeblich nur über Kunst und Salomés Mutter geredet. Vielleicht kann er sich nur nicht so gut erinnern. Er hatte ordentlich einen sitzen.“
„Und wenn du sie einfach fragst? Dann kannst du dich auch entschuldigen, dass du ihr nicht gleich gesagt hast, sie könne sich in der Schlange der Verehrerinnen hinten anstellen.“
„Unglaublich witzig, Sean“, knurrte Nate in Seans ausgelassenes Gelächter.
„Hat die Lassie auch einen Namen?“
„Der ist sehr außergewöhnlich – wie sie selbst. Sie heißt Salomé.“
Sean schnaubte durch den Hörer.
„Dann nimm dich umso mehr in Acht. Du weißt schon, dass einst eine Salomé sehr blutrünstig war und den Kopf ihres Geliebten auf einem Silbertablett forderte.“
„Kann das sein, dass du irgendeinen Scherzdrops in deinem Glas hast?“
„Nein, das meine ich todernst. Ich will nicht klingen wie deine Agentin. Aber überlege selbst, ob das gerade der beste Zeitpunkt ist, sich zu verlieben. Sieh ihr Desinteresse als ein Zeichen. Es ist wahrscheinlich besser so, Nate. Viel Zeit wirst du die nächsten Monate nicht haben. Und an Liz brauche ich dich auch nicht erst zu erinnern.“
Nate starrte gedankenverloren durch die großen Wohnzimmerscheiben in den makellos gepflegten Garten.
„Ja, da hast du wohl recht. Ich sollte mich von ihr fernhalten.“ Nate legte den Kopf nach hinten und kippte den letzten Schluck Whisky in seinen Rachen.
Der Morgen nach der Gala – ein Sonntag – begann traumhaft. Salomé liebte das gemütliche Beisammensein mit Allegra am überladenen Frühstückstisch. Wie ein eingespieltes Ehepaar las jede konzentriert die New York Times . In einträchtigem Schweigen schenkten sie sich wechselseitig Kaffee ein oder reichten einander Zeitungsrubriken. Allegra quittierte Salomés ungewohnte Frage nach dem Kulturteil mit neugierig hochgezogenen Brauen, bevor sie ihr diesen reichte.
Salomé hätte diese Frühstücke stundenlang ausdehnen können. Diese häusliche Stimmung beruhigte ihre Nerven und ihr aufgewühltes Herz. Die Idylle wurde diesmal allerdings durch ihr Smartphone unterbrochen, das im regelmäßigen Takt durch eine kurze Tonfolge eingehende Nachrichten anzeigte. Salomé hatte diese, so gut es ging, bisher ignoriert und seelenruhig weiter Kaffee geschlürft. Als wieder ein Jingle eine neue Nachricht ankündigte, wurde Allegra zappelig.
„Da möchte jemand dringend mit dir kommunizieren.“
Salomé blickte von ihrem Artikel auf und zuckte nur die Schultern.
„Wie hältst du das nur aus, Zaza? Selbst ich sterbe vor Neugier, wer das ist. Meinst du, das ist dein Hollywood-Beau?“ Mit den für sie üblichen weit ausholenden Gesten erreichte sie endlich Salomés Aufmerksamkeit.
„Ja und? Ich kann das doch später lesen. So wichtig wird es schon nicht sein.“
„Und wenn er in Gefahr ist?“
Salomé schnaubte abfällig. „Gefahr? Wir sind doch nicht im Dschungel.“
„Es könnte doch sein.“
„Höchstens, weil eine Horde notgeiler Teenies und sensationshungriger Reporter hinter ihm her ist.“
Allegra lachte laut. „Ja eben. Da ist es deine Pflicht, ihn zu retten.“
„Meine Pflicht ist gar nix. Du kannst dir nicht vorstellen, wie nervig das Leben als Promi ist. Ich dachte ja schon immer, die de Bertrands hätten es schwer mit der Klatschpresse Südfrankreichs. Aber das Spalier von weiblichen Fans, die gestern vor dem Veranstaltungsort der Gala standen und kreischten, war beängstigend.“ Sie starrte einen Moment auf den Tisch.
„Diese Frauen sind so hemmungslos, Allegra. Die lynchen eine Nebenbuhlerin doch glatt.“
„Apropos: hemmungslos. Ebensolcher Sex mit diesem Astralkörper würde doch schon reichen, oder etwa nicht? Wer sagt denn, dass es was Ernsthaftes sein muss?“
Salomé zögerte einen verräterischen Moment zu lange mit einer Antwort. Allegra neigte sich ungläubig vor.
„Jetzt sag nicht, du empfindest was für ihn und willst mehr?“
Salomé verzog ihr Gesicht und nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse, ohne auf Allegras Frage einzugehen. Diese ließ sich verblüfft im Stuhl zurückfallen.
„Ich glaub es ja nicht. Du bist verknallt, vielleicht sogar mehr. Und das, ohne mit ihm im Bett gewesen zu sein.“
„Allegra. Ich. Bin. Nicht. Verknallt.“ Jetzt hielt es Salomé nicht mehr auf ihrem Stuhl. Sie raffte die Zeitung zusammen und leerte verärgert ihre Tasse in den Ausguss. Als sie zu Allegra blickte, hatte diese die Arme vor der Brust verschränkt und sah sie abwartend an. Salomé hob resigniert die Arme.
„Ich weiß ja auch nicht. Okay, er ist toll. Das denken Zigtausend andere Frauen außer mir ebenfalls. Das macht es kompliziert, verstanden? Ich habe im Moment keine Zeit dafür. Und erst recht keine Lust, mit den ganzen hysterischen Fans zu konkurrieren. Und es sind ja nicht nur Fans. Du solltest mal die Fotos von Partys sehen. Ständig posiert er neben einem klapperdürren Model. Und erst diese Kalinkakalinka! Neben der sehe ich aus wie Aschenputtel. Nenn mir einen Grund, weshalb er da ausgerechnet was Ernsthaftes mit mir anfangen sollte?“
„Die Frage meinst du jetzt nicht ernst? Zaz, du bist eine der schönsten, interessantesten, warmherzigsten und smartesten Frauen, die ich kenne.“
Salomé lächelte schief bei der Fülle an Komplimenten.
„Okay, das ‚smart‘ muss ich gerade noch mal überdenken. Vielleicht ist er einsam und auf der Suche nach der wahren Liebe? Das wär doch dann was für dich, Zaz.“
Abwehrend hob Salomé die Hände.
„Trotzdem. Ich habe einen Ruf zu verlieren. Mein Vater würde es nicht gutheißen, wenn seine Tochter als aktuelle Flamme eines Sexsymbols durch die Regenbogenpresse geistert. Lass einfach gut sein und uns lieber planen, was heute noch läuft. Wir können in den Park und anschließend in die Nachmittagsvorstellung ins Kino. Was hältst du davon?“
„Au ja, da gibt es diesen Highlander-Film, den ich unbedingt sehen muss.“
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