Die Geschehnisse des Sommers hatten anscheinend ihre Wirkung gezeigt. Salomé lächelte versonnen.
Philippe hatte viel zu verarbeiten. Immerhin hatte ihr Vater diesen Sommer Philippe und ihr einen Halbbruder, Mathieu, präsentiert und Philippe damit als Erbfolger entthront. Wobei das nicht stimmte: Mathieu zeigte keinerlei Interesse an der Bank oder dem Vermögen der de Bertrands. Oder lag es an Philippes grässlichem Unfall in der Nacht des Festes, ihn besonnener werden und reifen zu lassen? Vielleicht hatte auch das längst überfällige Gespräch, das Philippe mit Dominique geführt hatte, den entscheidenden Schalter bei ihm umgelegt.
Als die beiden an der Tanzfläche angekommen waren, erwachte Salomé aus ihren Gedanken, und ihr wurde mit einem Male bewusst, dass sie mit Nates Freundin allein am Tisch saß. Es wäre unhöflich gewesen, nicht mit ihr zu sprechen. Sie verspürte allerdings nicht die geringste Lust dazu. Sie hatte inzwischen mitbekommen, dass Ivana ein berühmtes Amandas Secrets -Model war, was bedeutete, den Olymp im Modelhimmel erreicht zu haben. Eine Sache interessierte Salomé an ihr allerdings doch. Sie überlegte gerade, wie sie Ivana geschickt darüber aushorchen könnte, wie lange sie denn schon mit Nate zusammen war, als eine tiefe Stimme hinter ihr erklang.
„Darf ich bitten, Miss de Bertrand?“ Salomé hob den Kopf und sah in das attraktive Gesicht des Arztes, der den Tower überreicht bekommen hatte.
„Ja, gerne, Doktor Hagopian.“ Lächelnd ergriff sie seine Hand und beschloss, diesen Abend trotz ihres inneren Aufruhrs zu genießen.
Nate sah Salomé aus dem Augenwinkel heraus mit dem gut aussehenden Arzt tanzen. Wie er ihn beneidete. Ihr Gesicht strahlte, und sie schien seine Aufmerksamkeit zu genießen. Sie wirkte nicht mehr so angespannt wie während des Dinners. Weshalb nur benahm sie sich so verhalten ihm gegenüber? Salomé nahm es ihm doch nicht etwa übel, sie nicht bereits gestern über seine Bekanntheit aufgeklärt zu haben?
Er sehnte sich danach, mit ihr zu tanzen. Verflucht! Hoffentlich ebbte der Ansturm dieser aufdringlichen Frauen bald ab. Aber was tat er nicht alles dafür, die Spendierfreudigkeit für den guten Zweck in die Höhe zu treiben. Cary hatte ihm nochmals eingeschärft, dass er nach der überwältigenden Premiere von Highlander-Resurrection in einer anderen Liga spielte. Auftritte zu Charityzwecken würden von nun an zu seinen laufenden Verpflichtungen gehören.
Eine gefühlte Ewigkeit beglückte er Damen auf der Tanzfläche, mit denen er eigentlich nicht tanzen wollte. Jedes Mal, wenn ein Lied endete, tippte ihm schon die nächste auf die Schulter. Sein aufgesetzter Charme, mit dem er seine Rolle perfekt ausfüllte, erschien ihm selbst schal. Dem glücklichen, teilweise törichten Lächeln seiner Tanzpartnerinnen nach fiel das anscheinend nicht auf.
Nate spürte den unbändigen Drang, Salomé von der Tanzfläche zu reißen und in einer dunklen Ecke irgendwo in diesem Gebäude mit seinem echten Charme schwindelig zu machen. Nur sie und er. Allein.
Das Lied verklang, und Nate konnte es kaum fassen, dass nicht bereits mit den letzten Takten eine Hand auf seiner Schulter die Ablösung ankündigte. Mit einem galanten Handkuss verabschiedete er seine selig lächelnde Tanzpartnerin und suchte Salomé. Es versetzte ihm einen leisen Stich im Magen, als er sie immer noch in den Armen dieses Arztes entdeckte. Die beiden unterhielten sich anscheinend so angeregt, dass sie das Ende des Songs gar nicht wahrgenommen hatten. Dabei glitten sie auch noch mühelos über das Parkett. Ein schönes Paar! Nate konnte ein Knurren gerade noch unterdrücken. Mit wenigen Schritten war er bei ihnen.
„Doktor Hagopian, darf ich Ihre charmante Tanzpartnerin für den nächsten Tanz entführen?“
„Selbstverständlich, Mister Hamilton.“
Hagopian nickte Salomé kurz zu und übergab ihre Hand an Nate. Sein höflicher Blick konnte nicht über den Missmut hinwegtäuschen, sie einem anderen Mann zu überlassen.
Salomé lächelte ebenfalls freundlich, selbst noch, als sie Nate in die Augen schaute. Also war sie doch böse darüber, sie nicht über sich aufgeklärt zu haben. Nate nahm sich vor, alle Register seines Charmes zu ziehen, um ihr wieder das Funkeln in die Augen zu zaubern, das ihn auf Mirabel bereits so fasziniert hatte.
Er spürte ihre Hüfte an seiner Hand. Ihr zartes Parfum stieg ihm in die Nase, und ihr Duft löste eine ganze Kaskade von Begehren aus. Gerade wollte er dieses himmlische Wesen näher an sich ziehen, als die Band unerklärlicherweise das Stück unterbrach und ein Gong ertönte. Die tanzenden Paare wandten sich neugierig dem Podest zu, auf dem ein strahlender Howard Bench stand und wartete, bis das Stimmengemurmel abebbte. Frustriert entließ Nate Salomé aus seinen Armen. Als Howard die volle Aufmerksamkeit des Saales hatte, neigte er seinen Kopf über das Mikrofon. Sämtliche Augen waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet.
„Meine Damen und Herren. Entschuldigen Sie bitte die Unterbrechung. Sie dürfen gleich weitertanzen. Soeben wurde ich informiert, dass die Spendensumme des heutigen Abends die Summe von zehn Millionen Dollar erreicht hat. Das ist doch einmal einen Zwischenapplaus wert, finden Sie nicht?“
Die Gäste brachen in begeisterten Beifall aus. Zehn Millionen waren auch für die anwesenden High Networth Individuals eine ordentliche Summe, vor allem wenn man bedachte, dass der Abend noch andauerte und weiter gespendet werden konnte.
Nate allerdings biss sich vor Ungeduld auf die Lippe. Er konnte es kaum abwarten, den Tanz wieder aufzunehmen und allein mit Salomé zu reden. Endlich erklangen Howards erlösende Worte: „Das wollte ich nur mitteilen – und nun viel Spaß noch.“
Die Band stimmte die ersten Takte eines Cole-Porter-Songs an, und Nate wandte sich charmant lächelnd zu Salomé um, die Arme bereits halb geöffnet. Sein Lächeln gefror, als neben ihm nicht Salomé, sondern Howard Benchs Frau stand. Diese interpretierte Nates Geste in ihrem Sinne und begab sich sogleich begierig in seine Arme. Verzweifelt blickte Nate sich um und machte Salomé am Rand des Parketts aus, wo sie gerade von Howard Bench zum Tanzen geführt wurde. Nate seufzte. Was nicht ist, kann ja später noch werden, versuchte er, sich aufzumuntern.
Sein Wunsch ging nicht in Erfüllung. Es wurde spät, und Nates Einsatz bei der Damenwelt fand kein Ende. Irgendwann bemerkte Nate, wie Salomé, Philippe und Dominique vor Howard Bench und seiner Gemahlin standen. An ihren Gesten erkannte er, dass das Trio sich verabschiedete. Salomé wandte sich suchend Richtung Tanzfläche, und als sie ihn entdeckte, hob sie die Hand, um ihn zum Abschied zu grüßen.
In diesem Moment wurde es Nate zu bunt. Galant führte er seine Tanzpartnerin an den Rand der Tanzfläche. Selbst ihm kam die Ausrede, die ihm auf die Schnelle einfiel, fadenscheinig vor, aber es war ihm egal. Leider hielt ihn Howard Bench, von dem er sich verabschieden musste, länger auf, als ihm lieb war. Er riss sich zusammen, nicht im Laufschritt aus dem Saal zu stürmen.
In der Eingangshalle erhaschte er gerade noch einen Blick auf Salomés Schmetterlingsrobe, bevor die Eingangstür hinter ihr ins Schloss fiel.
„Zaza!“, rief Nate laut, obwohl er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte.
Einige der umstehenden Ballbesucher beäugten ihn neugierig.
Entgegen jeder Vernunft lief er los und durchmaß die Halle mit langen Schritten. Als er die Glastür passierte, setzte sofort ein ohrenbetäubendes Gekreische ein. Nate nahm es nicht wahr. Er war ganz auf die anfahrende Limousine konzentriert.
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