1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 „Meine Damen und Herren, mit Freude teile ich Ihnen mit, dass wir dieses Jahr einen sehr begabten Darsteller gewinnen konnten, den diesjährigen Outstanding-Contribution-to-Humanity-Award , also unseren Tower , zu überreichen. Begrüßen Sie mit mir Nathan Hamilton und seine wunderschöne Begleiterin Ivana Kalinka.“
Salomés Kopf fuhr herum. Der frenetische Applaus, der nach diesen Worten einsetzte, wurde von dem Rauschen in ihren Ohren übertönt. Wie in Zeitlupe sah sie Nate, mittlerweile von mehreren Spots hell angestrahlt, freundlich nickend durch den Raum schweben. Er trug einen eleganten Smoking, hatte das dunkelblonde Haar zurückgegelt, was seine hohe Stirn betonte, und sah umwerfend aus. Am Arm führte er eine überirdische Schönheit, die mit ihren langen Beinen und den High Heels fast so groß war wie er.
In Salomés Hirn herrschte Leere. Am Rande nahm sie wahr, wie Philippe sich zu ihr neigte.
„Ist das nicht der Nate, der bei uns auf Mirabel war?“
„Stimmt, jetzt erkenne ich ihn auch. Der war doch einer von den Jungs im schottischen Kilt, oder?“, warf Dominique leise ein.
Salomé nickte und konnte den Blick nicht vom Geschehen lösen. Nate führte seine Begleiterin an einen Tisch direkt vor der Bühne, deutete eine leichte Verbeugung an und stieg dann die Stufen hoch.
Fassungslos starrte Salomé die Frau an, die offenbar Nates Freundin war. Also doch! Er hatte eine Freundin. Jetzt hatte sie Gewissheit. Wie konnte er nur! Gestern hatte er es für einen Moment geschafft, sie glauben zu lassen, er wäre ernsthaft an ihr interessiert. Und nun saß da eine andere Frau, unanständig schön, und lächelte Nate hingebungsvoll an.
Er hatte Howard Bench die Hand geschüttelt und sich dem immer noch applaudierenden Publikum zugewandt. Salomé schluckte. Sie hatte den anfänglichen Schock überwunden, und ihr Verstand lief auf Hochtouren. Die einsetzende Erkenntnis ließ sie leise ächzen. Das konnte doch nicht wahr sein. Er war berühmt, und sie hatte es nicht gewusst. Er hatte ja erzählt, dass er Schauspieler sei. Aber er hatte nichts von einem Hollywood-Superstar erwähnt. Kein Wunder, dass er dazu passend die atemberaubend schöne Freundin hatte.
Mit einem Mal ergab sein ganzes geheimnisvolles Verhalten von gestern Abend einen Sinn. Seine Vermummung, dass er nicht zu den Menschenmassen in den Central Park wollte und sie die einzigen Gäste in dem japanischen Lokal gewesen waren. Wie peinlich! Sicherlich hatte er das gesamte Lokal gebucht und sich köstlich über ihre dummen Sprüche amüsiert. Stöhnend verbarg Salomé ihr Gesicht in den Händen.
„Zaza, was tust du? Du zerstörst dein Make-up“, hörte sie Dominique leise murmeln.
Salomé schluckte. Sie brauchte einen Moment für sich. Als sie sich gerade erheben wollte, um die Damentoilette aufzusuchen, fasste Philippe sie am Arm.
„Zaza, das geht nicht. Dein Einsatz kommt gleich.“ Salomé schaute ihn panisch an. Kaum hatte Philippe geendet, erscholl auch bereits Howard Benchs dröhnende Stimme im Raum.
„Meine Damen und Herren! Es ist mir eine besondere Ehre die entzückende Vertreterin des diesjährigen Hauptsponsors dBB zu begrüßen. Salomé de Bertrand, die Präsidentin der de Bertrand-Bank New York!“
Nate sog scharf die Luft ein. Was hatte Howard gesagt? Zaza war hier?
Er blinzelte gegen die Scheinwerfer in die Richtung, in die Howard deutete, und entdeckte sie, halb erhoben an einem der nahen runden Tische. Sie wirkte geschockt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Nate an. Dann schien sie sich zu besinnen. Sie richtete sich auf, zeigte ein strahlendes Lächeln und schwebte wie ein Engel auf Nate zu. Er schluckte.
Wow. Sie sah aus wie eine Göttin. Benommen starrte Nate auf die unzähligen goldschillernden Schmetterlinge, die ihre durch das Kleid betonten Hüften umschwirrten. Irgendetwas war mit ihren Augen. Sie wirkten so groß und klar.
Howard Bench hatte Salomés Hand ergriffen und schien von ihr eine Begrüßung des berühmten Hollywoodstars zu erwarten.
Nate blickte verwirrt auf die von Salomé dargebotene Hand, die er automatisch ergriff. In dem Moment, in dem ihre kleine, warme Hand seine berührte, überkam ihn ein heftiger Impuls, dem er instinktiv nachgab. Er zog sie an sich und küsste erst die eine, dann ihre andere Wange. Im Saal war erneut ein Raunen zu vernehmen, gespickt mit vereinzelten Lachern. Wie gerne hätte er Salomé den erstaunten Ausdruck vom Mund geküsst, der leicht offen stand und ihm verlockend nah war.
Ganz der Showman, neigte er sich erklärend zum Mikrofon und hauchte mit seiner sinnlichsten Stimme, garniert mit seinem weichen schottischen Akzent:
„Bei uns in Schottland habe ich gelernt, dass man Französinnen zur Begrüßung zweimal küsst.“
Er perfektionierte die Rolle des frechen Schuljungen, indem er die Achseln hob und offen in die Menge grinste. Plötzlich fühlte er sich am Revers seines Smokings gepackt. Salomé verpasste ihm nun ihrerseits drei Küsse auf seine Wangen. Zwischen den Küssen blickte sie ihn mit ihren hellen blauen Augen so herausfordernd an, dass ihm ganz schwindelig wurde. Das Publikum johlte bereits.
Dann beugte sich Salomé vor und sagte in ihn perfekt imitierender Stimmlage ins Mikrofon: „Tja, ich bin überhaupt keine Französin. Da musste wohl jemand Mister Hamilton mal beibringen, dass man Schweizerinnen sogar dreimal küsst.“
Der Saal brüllte vor Lachen. Und auch Howard Bench neben ihnen konnte sich kaum gerade halten.
„Köstlich, köstlich!“, wieherte er, während er sich die Lachtränen aus den Augen tupfte.
Beschwichtigend hob Salomé ihre Arme und stellte sich erhobenen Hauptes an das Stehpult. Sie wartete einen Moment, bis sich die Gäste beruhigt hatten, und begann mit ihrer Rede.
„Wie viel schöner ist es, wenn wir sogar lachen, während wir helfendes Geld aufbringen.“ Sie zwinkerte Howard Bench zu, der sie bewundernd ansah. Salomé setzte in gewohnter Souveränität ihre Rede fort und stellte den Anwesenden, ohne auch nur ein einziges Mal Notizen zu bemühen, die Projekte und Errungenschaften der Organisation vor. Unaufdringlich gelang es ihr dabei, das selbstlose Engagement von dBB einfließen zu lassen.
Nate tat, als würde er ihren Worten zuhören. Während er äußerlich den aufmerksamen Filmstar mimte, versuchte er, die Stürme, die diese Frau in seinem Innern ausgelöst hatte, zu bändigen. Er hatte oft gelesen und sogar gemimt, wie es sein würde, aber noch nicht am eigenen Leib erfahren.
Dieser Moment brannte sich für immer in sein Gedächtnis. Salomés kontrollierte Gestik, die sanften Fältchen um ihren Mund, eine vorwitzige Haarsträhne, die sich während des Kusstausches aus ihrer Frisur gelöst hatte und nun ihre hohen Wangenknochen streichelte, das Blitzen ihrer Augen. Sein Blick wanderte unmerklich tiefer und versank im Spiel ihrer zarten Halsmuskeln, streifte die Linie ihrer perfekten Schlüsselbeine und verharrte bei der weichen Wölbung ihrer Brüste, die vom Dekolleté dieses atemberaubenden Kleides sanft nach oben gedrückt wurden.
Nate schluckte. Ihm wurde heiß, und unbewusst griff er sich an seinen Kragen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er soeben unter den Blicken des ganzen Saales Salomés Brüste angestarrt hatte. Er riss sich zusammen und fixierte stattdessen ihre gepflegten Hände, die sanft über das Pult strichen und in kontrollierten Gesten ihre Rede untermalten. Als sie sich mit ihrer Hand während eines Zwischenapplauses strahlend die Haarsträhne hinters Ohr schob, war es gänzlich um Nate geschehen.
Er hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt, sie begehrt und unbedingt wiedersehen wollen. Als er sie jetzt beobachtete, potenzierten sich diese Gefühle und etwas veränderte sich unmerklich und unwiderruflich in ihm. Er schluckte trocken.
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