Carolin grinste.
„… denn das ist der Südpol. Da sind die Pinguine. Und da oben am Nordpol sind die Eisbären. Und der Weihnachtsmann. Dann würden ja eigentlich Eisbären besser passen. Aber die sind nicht so süß. Außer die Kleinen. Kleine Eisbären sind auch süß. So wie die, die auf meinem Koffer sind. Aber wenn die groß werden … Grrrr …“
„Deshalb machst du lieber weiter mit deinen Quadern, Kugeln und Würfeln, und ich versuche mal ein paar Pinguine.“
„Muss das sein?“
„Ich dachte, du findest die süß“, wunderte sich Carolin.
„Nein, ich meinte Schule. Ich hab heute doch schon so viel gemacht!“
„Du hast grad erst angefangen! Und dann kam mein Telefonat, und dabei hast du fast gar nichts mehr gemacht! Guck, mit Mathe bist du doch fast fertig. Nur noch die Körper aufmalen. Dann hast du es geschafft. Und bei Deutsch war es doch auch nur noch das Buchstabenpuzzle!“
„Hmmmm …“ Grummelnd ging Leonora wieder zurück zu ihrem Arbeitsplatz am Couchtisch. In ihrem Zimmer konnte sie sich nicht motivieren. Daher hatte Carolin sie irgendwann ins Wohnzimmer geholt. Und Leonora hatte nichts dagegen gehabt. Bei Mama war es viel schöner. Und man hatte immer jemanden zum Quatschen, sehr zu Carolins Leidwesen, die Mühe hatte, sich zumindest zeitweise zu konzentrieren.
Sie malte jetzt einen Pinguin, der ein Schild in der Hand hielt. Ja, das könnte gehen. Vielleicht noch mit Mütze und Schal? Oder doch lieber ein Rentier? Oder einen Weihnachtsmann mit Sack? Oder Schlitten? Alles nett. Aber irgendwie fehlte das gewisse Etwas.
Da ploppte eine Nachricht auf. Carolin wechselte in den Chat. Der Projektleiter hatte geschrieben. „Kurze Korrektur: Der Entwickler braucht doch morgen schon ein erstes Beispiel für ein Layout. Er braucht was, womit er arbeiten kann. Schickst Du dann einen ersten Entwurf? Der muss auch noch nicht final sein.“
Carolin lachte hektisch auf. Morgen! Wann sollte sie das denn machen? Ihr blieben eigentlich nur die Abende, um wirklich konzentriert arbeiten zu können. Am Vormittag war Schule angesagt, das hieß, sie musste Leonora dazu bringen, die Arbeitsblätter zu bearbeiten. Eigentlich war ihre Tochter gut in der Schule, sehr gut sogar. Wenn sie einmal anfing, ging es schnell. Das Problem war eher die fehlende Motivation, überhaupt erst einmal anzufangen ... Ihre große Tochter arbeitete allein in ihrem Zimmer und kam nur ab und zu mit einer Frage heraus. Sie erarbeitete sich fast alles eigenständig, auch neue Themen.
Carolin starrte auf die Wand ihr gegenüber. Wie mochte es erst den Familien ergehen, deren Kinder ohnehin schon Probleme in der Schule hatten? Wie sollte das mit der eigenen Arbeit kombiniert werden können? Carolin raufte sich die Haare. Auch wenn sie es scheinbar gut getroffen hatte, löste es trotzdem nicht ihr Problem, bis morgen eine Idee nicht nur entwickelt, sondern dann auch noch umgesetzt haben zu müssen.
Verzweifelt schmierte sie noch einen Pinguin auf das Blatt. Leonora kam zu ihr.
„Was ist denn Mami? Hast du schon was?“
„Na ja, nicht wirklich …“
Leonora sah auf die Skizzen und kicherte. „Das da ist toll!“ Sie zeigte auf den letzten Entwurf. „Eine Erdnuss mit Weihnachtsmannmütze!“
Carolin musste widerwillig lachen. Leonora hatte recht. Der Pinguin sah wirklich eher aus wie eine Weihnachtserdnuss. Aber … Sie überlegte. Ja, warum eigentlich nicht. Das könnte was werden. Weihnachtserdnüsse, Weihnachtsorangen, Weihnachtsäpfel, Weihnachtszapfen. Und immer mit der Zahl drauf oder dabei. „Ich glaube, das probiere ich mal!“
„Die Pinguine?“ Leonora schmiegte sich an sie und zeigte auf die ersten Entwürfe.
„Nein!“ Carolin grinste. „Weihnachtserdnüsse.“
3. Dezember: Die Wichteltür (K)
„Papa, Papa, wir haben jetzt einen Adventskalender! Und wir durften helfen! Anna und Emil haben ihn getragen, und ich hab ihn aufgehängt! Das ist soooooo aufregend!“ Paul hüpfte vor seinem Vater auf und ab und zog ihn zu seinem Kita-Raum. „Komm mit, ich zeig`s dir!“
Voller Stolz präsentierte er die bunten Päckchen. Sie hingen an einer Schnur, die über die gesamte Breite einer Wand gespannt war.
„Und nächste Woche dürfen wir dann das erste Geschenk aufmachen!“
„Das passt übrigens hervorragend“, merkte sein Vater an, als Paul später in seinen Schneeanzug schlüpfte. „Zu Hause wartet nämlich auch eine Überraschung auf dich!“
„Echt?“ Paul zog den Reißverschluss zu, stand auf und nahm seine Stiefel in die Hand. „Was denn für eine?“
Sein Vater lachte. „Dann wäre es ja keine Überraschung mehr. Hier, vergiss deinen Schal nicht!“
Gemeinsam verabschiedeten sie sich von den Erziehern und gingen zur Tür. Paul zog die Stiefel an, sein Vater setzte ihm noch die Mütze auf den Kopf, und dann machten sie sich auf den Weg nach Hause.
Paul hüpfte an der Hand seines Vaters und überlegte unentwegt, welche Überraschung es denn sein könnte.
„Oma und Opa haben mir ein Paket geschickt mit gaaaaaaaanz vielen Süßigkeiten. Oder war der Nikolaus heute schon da? Nein, Mama hat Plätzchen gebacken, und ich darf verzieren? Oder bekomme ich heute schon ein Geschenk vom Adventskalender?“
Sein Vater lächelte und schloss die Haustür auf. Paul stürmte hinein, kickte die Stiefel weg und blieb staunend stehen.
„Oh, was ist das denn?“ Paul zeigte auf eine winzige Tür an der gegenüberliegenden Wand, direkt oberhalb der Fußleiste. Auf dem Fußboden standen ein Mini-Tannenbaum und eine dazu passende Bank. Eine kleine Leiter führte zu der Tür, an der ein geflochtener Kranz befestigt war. Neben der Treppe lag ein Köfferchen, und darauf befand sich ein gefalteter Zettel. „Paul“ stand in Großbuchstaben darauf. Das konnte er schon lesen.
„Ein Brief für mich?“
Sein Vater nickte. „Ja, das sieht so aus.“
Paul nahm die Nachricht und gab sie seinem Vater. „Liest du es mir vor?“
Sie setzten sich gemeinsam auf die große Truhe im Flur, beide noch in voller Wintermontur. Dann faltete Pauls Vater den Zettel auseinander und begann zu lesen.
Lieber Paul!
Ich freue mich, dass ich in dieser Adventszeit bei Euch wohnen darf. Auf den ersten Blick sieht Euer Zuhause sehr gemütlich aus, mit vielen bunten Sternen an den Fenstern. Hast Du sie selber gebastelt? Alle sehen anders aus, und das gefällt mir.
Du fragst Dich wahrscheinlich, wer ich bin. Ich bin ein Weihnachtswichtel. Nachts, wenn Du schläfst und von Deinen Weihnachtswünschen träumst, bin ich unterwegs und helfe dem Weihnachtsmann. Auch Euer Haus bereite ich auf die großen Festtage vor. Doch Du wirst mich dabei nicht entdecken, nur vielleicht hinterher das eine oder andere, das ich gemacht habe. Aber das gehört zu Weihnachten ja mit dazu. Was wäre die Adventszeit ohne ein paar Weihnachtsheimlichkeiten?
Ich wünsche Dir eine wunderschöne Adventszeit mit vielen kleinen Überraschungen!
Dein Weihnachtswichtel
Paul sprang auf und klatschte in die Hände. „Oh, das ist toll! Wir haben einen Weihnachtswichtel im Haus!“ Dann überlegte er und schaute sich das Köfferchen noch einmal an, auf dem ein Postsymbol aufgemalt war.
„Papa, weißt du was? Ich male dem Weihnachtswichtel ein Willkommensbild. Damit er sich auch wohlfühlt bei uns. Ich fange gleich an.“
„Das ist eine gute Idee“, bestätigte sein Vater. Dann hielt er seinen Sohn doch noch einmal zurück, der schon auf dem Weg in sein Zimmer war. „Zieh aber vorher noch deinen Schneeanzug aus. Sonst schmilzt du ja wie ein Schneemann in der Badewanne!“
3. Dezember: #NachrichtamBaum (J&E)
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