„Meine Idee war, dass wir zusammen einen Krimi schreiben könnten. Wie ich schon in dem Brief erwähnte, könnte Kommissar Krassek einen Serienmörder jagen …“
Suchend schaute sich Elin im Foyer um. Wo war Bernd? Er wollte doch nur schnell das Gepäck auf das Zimmer bringen.
Sie hörte Greta Lundgren nur mit einem halben Ohr zu, nickte manchmal.
„Wir könnten uns regelmäßig zum Schreiben treffen oder ...“, schlug Greta Lundgren eben vor.
Endlich entdeckte Elinborg ihren Mann. Er kam die breite Treppe hinunter geschritten. Mit einer Handbewegung signalisierte Elin ihm, dass er rasch zu ihr kommen sollte.
Sie sagte zu Bernd: „Frau Lundgren möchte mit mir zusammen einen Krimi schreiben.“
Bernd sah die blonde Frau an. „Ach, tatsächlich? Sie schreiben auch Krimis?“
Greta Lundgren nickte eifrig. „Ja, wenn es meine wenige Freizeit zulässt. Ich habe nämlich ein eigenes Reisebüro.“
„Sie haben ein eigenes Reisebüro?“, wiederholte Bernd.
„Da ich aus Schweden bin, habe ich mich auf Reisen nach Skandinavien spezialisiert.“
„Meine Frau und ich wollten schon länger einmal mit den Hurtigruten fahren“, erklärte Bernd. Elinborg sah ihren Mann erstaunt an. Das war ihr neu.
„Das kann ich nur empfehlen. Wir bieten eine 12-tägige Reise mit Flug an, inklusive Stadtführungen in Oslo und Bergen. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen gerne das Angebot per E-Mail zukommen lassen.“
Bernd nickte: „Ja, gerne.“
Elinborg mischte sich in das Gespräch ein: „Wissen Sie eigentlich, dass mein Mann Staatsanwalt ist?“
Greta Lundgren fragte: „Wirklich? Das klingt spannend.“
„Er kann Ihnen von zahlreichen Gerichtsurteilen berichten, die das Potential für ganze Romanreihen haben. Nicht wahr, Bernd?“
Elin sah ihren Mann auffordernd an, auch Greta Lundgren schaute ihn mit ihren blauen Augen interessiert an. Als Bernd begeistert anfing von seiner Arbeit als Staatsanwalt zu berichten, entfernte sich Elin. Sie gesellte sich an einen anderen Stehtisch und beobachtete aus den Augenwinkel, wie Greta Lundgren an den Lippen ihres Mannes hing.
Die Stimme von Frau Bergmaier hallte durch die Lobby: „Darf ich Sie nun alle bitten, mir in den Tagungsraum zu folgen.“
Bernd kam zu seiner Frau. „Ich werde jetzt einen Spaziergang durch das Dorf machen. Danach werde ich mich in das Krimicafé setzen, an dem wir vorhin vorbeigefahren sind.“
„Ja, gut. Ich wünsche dir viel Spaß.“
„Danke. Bis später.“
Im Tagungsraum saßen die Teilnehmer an Tischen und schauten Frau Bergmaier erwartungsvoll an.
„Herzlich willkommen zu unserem Krimischreibworkshop!“, eröffnete sie ihre Rede und erläuterte daraufhin den Ablauf des zweitätigen Schreibworkshops. Dann referierte sie fast eine Stunde lang über Kriminalliteratur. Frau Bergmaier zitierte aus „Das verräterische Herz“ von Edgar Allen Poe, nannte den Roman „Der talentierte Mr. Ripley“ als den Beginn des modernen Psychothrillers. Manche Teilnehmer schrieben eifrig in ein Notizheft oder auf einen Block mit. Andere verschränkten die Arme und hörten nur zu. Schließlich schloss Frau Bergmaier ihr Referat ab: „So, nun ist es genug mit der Theorie. Jetzt sind Sie dran und dürfen schreiben. Die erste Schreibübung lautet: Beschreiben Sie, wie der Mörder sich der Leiche entledigt, indem sie konsequent seine Innensicht verfolgen. Dafür haben Sie bis 12:30 Uhr Zeit. Unsere Expertin Frau Steinhausen wird Ihnen bei Fragen gerne behilflich sein. Viel Spaß beim Schreiben!“
Ein Raunen ging durch die Reihen der Hobbyschriftsteller. Kurze Zeit später hörte man nur noch auf Papier kratzende Stifte.
Nach dem Mittagessen lasen die Teilnehmer die entstandenen Texte vor. Es waren teilweise anspruchsvolle und raffiniert formulierte Texte wie Elinborg beim Zuhören urteilte. Andere Texte klangen eher wie Schulaufsätze.
Am Nachmittag fand die Lesung von Elin im Kaminzimmer des Krimihotels statt. Dort war eine gemütlichere Atmosphäre als in dem Tagungsraum. Das Kaminzimmer war mit schweren braunen Ledersesseln und natürlich einem Kamin, der allerdings nicht brannte, ausgestattet.
Die Autorin las das erste Kapitel aus „Endstation Alexanderplatz“ vor. Anschließend erläuterte sie den Fortgang der Handlung, um dann wieder einige Seiten später erneut zu lesen.
„Ein Entschluss ergab den Anderen. Kommissar Krassek setzte sich in sein Automobil und fuhr …“ Um Weiterlesen zu können, musste Elin die Seite im Buch umblättern. Elinborg stutzte und schwieg sogar einen Augenblick, denn ein kleiner weißer Zettel mit einer Nachricht und einer Telefonnummer lag dort. Wer hatte ihn in das Buch gelegt? Darüber konnte sie jetzt aber nicht nachdenken. Sie musste weiterlesen. Also wiederholte die Autorin den Satz: „Ein Entschluss ergab den Anderen. Kommissar Krassek setzte sich in sein Automobil und fuhr hinaus nach Dahlem. Dort traf er auf einen Mann, der die Tote ...“
Die Autorin beendete ihre Lesung mit den Worten: „Er sah auf das Brandenburger Tor und wusste, dass die Zeit noch nicht gekommen war.“
Sie schlug das Leseexemplar zu und das Publikum klatschte Beifall.
„Vielen Dank, Frau Steinhausen. Wir sind schon alle gespannt, wie der nächste Fall von Kommissar Krassek sein wird“, sagte Frau Bergmaier und fügte hinzu: „Liebe Teilnehmer, hiermit endet der heutige Schreibworkshop. Sie haben nun Zeit zur freien Verfügung. Morgen um 10 Uhr treffen wir uns wieder im Tagungsraum. Auf Wiedersehen.“
Die Teilnehmer strömten aus dem Kaminzimmer, nur Elinborg blieb in dem schweren Ledersessel sitzen. Die Ruhe tat gut. Sie schlug ihr Leseexemplar auf und las was auf dem Zettel stand: „Wenn Sie mal wieder ins Lichtspielhaus gehen möchten, rufen Sie mich an: 0151 ...“
„Frau Steinhausen, gut, dass ich Sie hier alleine antreffe. Im Laufe des Tages hatte ich nämlich die grandiose Idee, dass der Serienmörder eine Frau sein könnte.“
Greta Lundgren war in den Raum gestürmt. Schnell legte Elinborg den Zettel wieder in das Buch. Sie stöhnte innerlich auf, setzte jedoch ein höfliches Lächeln auf. Greta Lundgren setzte sich neben ihr in einen Sessel setzte.
„Kommissar Krassek könnte selbst ins Visier der Mörderin geraten“, schlug Lundgren vor. „Er könnte von ihr entführt werden und zum Beispiel in einem leer stehenden Haus oder Fabrik gefangen gehalten werden.“
Die Tür öffnete sich erneut und Bernd kam herein.
„Elin, da bist du! Ich habe dich schon überall gesucht!“, sagte Bernd vorwurfsvoll. In einem milderen Ton ergänzte er: „Ach, Frau Lundgren. Sie sind auch hier!“
„Ich erzähle ihrer Frau gerade wie die Handlung unseres gemeinsamen Krimis sein könnte.“
Bernd setzte sich zu ihnen. „Aha. Frau Lundgren, jetzt wo ich Sie sehe: Ich habe noch ein paar Fragen zu der Reise mit den Hurtigruten.“
„Ja?“
„Ich wollte wissen, ob die Schiffsreise ab Hamburg oder ab Bergen beginnt?“
„Wie ich schon sagte, der Flug ist bei dieser Reise inklusive. Das heißt, Sie werden von Deutschland nach Bergen fliegen und von dort gehen Sie auf das Schiff“, antwortete die Schwedin freundlich.
„Ist in dem Angebot Vollpension dabei?“, fragte Bernd weiter.
Greta Lundgren bejahte: „Das Tischwasser ist im Preis ebenfalls inbegriffen.“
„Hält das Schiff auch in Hammerfest?“
Elinborg war genervt, sie stand auf: „Die Lesung hat mich angestrengt. Ich werde hinaufgehen und mich im Zimmer ausruhen.“
Greta Lundgren sprach unterdessen unbeirrt weiter: „Selbstverständlich wird das Schiff in Hammerfest halten.“
Murmelnd übergab Bernd Elin den Zimmerschlüssel.
Erleichtert verließ die Autorin das Kaminzimmer. Sie wunderte sich, dass Bernd sich auf einmal so für Reisen interessierte, wo er doch sonst lieber zuhause blieb.
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