Ich würde gern, Frau Fröhlich - “ Sie war kurz abgelenkt, weil sie Herrn Larson nachblickte, wie er
zur Tür hinaus eilte. Mit leicht überraschtem Gesichtsausdruck drehte sie sich um und wendete sich
mir wieder zu. Ich saß nun mit halber Pobacke auf einer Ecke des Schreibtisches von Herrn Larson,
während meine Worte nur so heraus schossen. „Würden Sie heute Abend mit mir essen gehen, falls
Sie nichts anderes vorhaben? Es wäre die sehr große Freude für mich, Sie dazu einladen zu dürfen,
ein Restaurant Ihrer Wahl.“ Ich sollte noch lernen, dass Elisa ihren eigenen Gesetzen folgte mit der
Antwort, die nicht damenhaft war, dafür bezaubernd. Sie lächelte nachsichtig, zog die Schultern im
Sinn des unterdrückten Lachens hoch und atmete aus: „Ist des ein feines, vornehmes Restaurant?“
Es war ein Wink und bedeutete „Ja!“ wie „Du bist ganz schön aufgeregt, mein Verehrer, ich auch!“
„Ein Restaurant Ihrer Wahl, mir ist es egal. Sagen Sie bitte, wo, welches Ihnen am liebsten wäre?“
„Ich kenne mich in Restaurants nicht aus.“ Als hätte sie Leute, die dies sonst übernähmen für sie.
Ich war einer. „Im Kopje,- nah vorm Kai.“ „Mit dem größten Vergnügen. Wie freundlich von Ihnen!“
„Soll ich Sie anrufen? Um welche Uhrzeit?“ Da kam blitzartig und sicher eine scharfe Entgegnung,
die mich genauso unvorbereitet traf. In der Sache, wusste sie, was sie wollte, um es durchzusetzen.
„Ach nein, ich komme lieber alleine. Ich treffe Sie im Restaurant um, – Moment bitte,- um acht Uhr!“
„Ist dies nicht zu spät?“ „Nein, dies ist okey. Ich freue mich darauf.“ „Ich auch, also dann im Kopje!“
Ich sage dem Oberkellner Bescheid, dass er Sie zum Tisch begleitet.“ Sie lächelte: „Hervorragend.“
Prächtig! Jenes lief besser, als ich erwarten konnte. Ich kam mir bei Herrn Larson wie ein König vor,
als er sich nochmals blicken ließ, um sich von mir zu verabschieden. Es war seine kleine Prinzessin,
mit der er mich gekrönt hatte. Er kannte sich in manchem aus, ohne sich darin ganz bewusst zu sein.
Erst als ich auf die Straße trat, bemerkte ich wieder meine Frühstücks-Tasche, die ich bei Jani leerte
zum Abendbrot für Lotte und ihn. Sie hatten nichts gekocht, freuten sich über diese Aufmerksamkeit
und nahmen es selbstverständlich, als ich vorgab, eine spontane Einladung mit Bekannten zu haben.
Es hätte nichts ausgemacht, wenn ich gesagt hätte, dass ich mit dem Mädchen, das mir meine Briefe
getippt hatte, zum Abendessen verabredet war. Wegen eines aber gläubigen Widerwillen ließ ich es.
Mein Treffen hätte Lotte und Jani geschmeichelt. Lotte war nicht zu neugierig, nun, doch lieber nicht.
IM RESTAURANT KOPJE - 5. KAPITEL -
Unser Kopje am Kai war voll, was mich nicht überraschte. Mittags hatte ich telefonisch einen Tisch
bestellt und mich mit dem Oberkellner abgesprochen in der Auswahl eines Weines zum Kaltstellen.
In Dänemark gibt man das Trinkgeld nicht im Voraus und kann Speis und Trank am Telefon ordern
nach Lust und Laune. Dies bedeutet, dass man nicht lange auf Essen und Getränke warten muss.
Mein reservierter Tisch befand sich im hinteren Teil des Restaurants vor der Spiegelwand mit Sims.
Zehn Minuten vor acht nahm ich Platz und bestellte mir einen Tee. Ich saß gegenüber vom Eingang
und hatte so freie Sicht. Zehn Minuten nach acht wurde ich nervös, dass ich mich beruhigen musste.
Abwarten und Tee trinken. Ich blätterte in der Tageszeitung, konnte mich nicht in irgendeine Sache
wirklich rein lesen. Es war nur Schau wie das frühere Versteck meines Vater‘ s im Garten, wenn er
seine Vögel beobachtet hatte. Wie lange Zeit solche veralteten Gepflogenheiten überdauern können.
Kurz danach sah ich sie – im Spiegel – draußen, während zwei Männer ohne Begleitung die Glastür
durchquerten. Sie hatte ihre Hand schon am Türgriff, als sie die wieder zurücknahm und die Herren
ihr mit unverhohlener Bewunderung die Tür weit aufhielten und nachblickten. Der eine nahm seine
Zigarre aus dem Mund, weil sie sonst herausgefallen wäre. Sie ging durch sie hindurch, blickte erst
zum einen und schenkte ihm ein Lächeln, dann zum anderen mit einem zweiten anmutigen Lächeln.
Beide verharrten kurz in Faszination, als sie direkt zum Oberkellner hinüberging und ihn ansprach.
Elisa erschien in einem cremeweißen Cape, das bis über ihre Knie ein dunkelblaues Kleid bedeckte.
Ihr schwarzes Haar fiel locker darüber und wurde von einer kleinen, Perlen besetzten Spange direkt
an ihrem linken Ohr gehalten. Ein Täschchen stellte sie auf den Tisch und fragte den Oberkellner in
amüsanter Art, dass er zu lächeln begann und seine steife Haltung verlor, wo hier die Garderobe sei.
Er verbeugte sich kurz und führte sie hin. Er nahm ihr das Cape ab, wartete ein paar Minuten, bis es
vor dem Spiegel stimmte und geleitete sie zu meinem Tisch. Quer durch das Restaurant, wobei sich
einige Gäste nach ihr umdrehten, folgte sie dem Oberkellner in einem azurblauen Kleid, das Taillen
nahe geschnitten war mit weit fallender Glocke. Das Chiffontuch harmonisierte farblich nicht genau.
Sie trug es wie den letzten Mode-Hit. Ein Band am linken Handgelenk ergänzte es mit dem goldenen
Armband, das sie von mir bekommen hatte. Das Kleid hätte man überall wie von der Stange kaufen
können. Wenn daraus eine Kreation geworden war, so weil sie es anders trug mit schickem Zubehör.
Es sah aus, als würde sie über den Laufsteg flankieren, während die meisten zum Publikum wurden.
Im Gegensatz zu ihr wirkten andere solide gekleidet, einfach und bieder bis hin zur festlichen Robe.
Als sie mit dem Oberkellner meinen Tisch erreicht hatte, erhob ich mich rasch und begrüßte sie auf
deutsch: „Guten Abend, Frau Fröhlich.“ Sie reichte mir ihre Hand und erwiderte auf englisch: “Das
tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“ „Ach wirklich?“ „Nein, nicht richtig.“ Ihre Zungenspitze
tauchte kurz zwischen den Lippen auf, wie bei einem leicht spöttischen Witz, der ihr gelungen war.
Die Ellenbogen auf dem Tisch, das Kinn auf die Finger abgelegt, saß sie mir gegenüber. „Madame
möchten einen Drink?“ fragte der Kellner. Ich zog die Augenbrauen hoch. „Was soll ich nehmen?“
„Gin Tonic? Martini? Sherry?“ „Aber das sollen Sie doch sagen.“ Ich bestellte einen roten Martini,
holte ein Päckchen Zigaretten hervor und hielt ihr eine hin. „Ich rauche nicht. Sie doch auch nicht.“
„Nein, woher wissen Sie das?“ „Ich weiß es einfach.“ „Dann kann ich dieses Päckchen weggeben.“
„Ein wunderschönes Cape, das Sie soeben getragen haben.“ „Och, das gehört mir nicht. Ich habe
es nur ausgeliehen, David.“ Weite Augen, leichtes Kopfschütteln, als hätte ich das wissen müssen.
„Sie kennen meinen Namen?“ „Und Sie meinen nicht?“ „Nicht ganz, ich möchte ihn gerne wissen.“
„Elisa Fröhlich“, sie spickte mit ihrem Finger zweimal in die Luft: „FRÖHLICH mit zwei Pünktchen!“
Der Oberkellner, der uns gewiss übernommen hatte, brachte zwei überdimensional große Karten.
Sie streckte gleich die Hand nach einer aus, damit sie uns nicht die Sicht versperrte. Ich war nun
gespannt, ob sie sich auch das Essen von mir aussuchen lassen würde. Sie ging die Speisekarte
ausführlich durch und entschied sich für das Cordon bleu mit Kartoffelkroketten und den Chefsalat
mit hartgekochten Eiern, nachdem sie sich ausführlich nach den einzelnen Zutaten erkundigt hatte.
Als sie endlich fertig war, den Kellner nach unzähligen, überbackenen Gemüsesorten zu befragen,
Читать дальше