»Wie geht’s Dir«, fragte sie lächelnd.
»Das wollte ich DICH fragen. Ich fühl mich einfach großartig!«, antwortete ich. »Ganz liebe Grüße von den Nachbarn.«
»Mir geht’s auch gut«, sagte Ina. »Mama und Papa waren bereits da. Sie sind vor einigen Minuten gegangen.«
Ina und Bastian gaben ein tolles Bild ab. Mein Sohn hatte allerdings die Augen geschlossen und schlief.
»Und? Was sagst Du zu unserem Sohn. Ist er nicht süß? Er ist gerade eingeschlafen.« Ina blickte liebevoll auf Bastian.
»Ich finde er ist - zuckersüß!«, sagte ich.
»Ach? Und ich dachte Du findest alle Neugeborenen hässlich«, grinste Ina.
»Stimmt. Aber unser Baby ist eben `ne Ausnahme. Mit Liebe gemacht!«, sagte ich augenzwinkernd.
»Nur stur ist er. Genau wie sein Vater. Er will einfach nicht an die Brust. Die Schwester musste mir helfen, bis er endlich gesaugt hat«, bemerkte Ina. Ich lachte und sagte: »Männer lernen aber doch ganz schnell, mit den Dingern umzugehen.«
Wieder sagte Ina: »Männer!!«
»Dabei hab ich so einen starken Milcheinschuss, das tut richtig weh.« Ina zeigte mir ihre Brust. Und ich stellte fest, dass sie noch mehr an Volumen zugenommen hatte.
Ich sah nochmal in das kleine entspannte Gesicht des Winzlings. Am liebsten hätte ich ihn hochgehoben und an mein Herz gedrückt.
Ina ahnte wohl meine Gedanken. »Ja, es ist schade, dass er gerade jetzt schläft. Aber vielleicht wird er ja bald wieder wach.«
Jetzt bemerkte ich, dass ich immer noch die Blumen in der Hand hielt. »Oh«, sagte ich, »die sind für Dich.«
»Ein wunderschöner Strauß. Danke mein Schatz. Geh am besten zum Stationszimmer und frag nach, ob die dort eine große Vase haben. Die verdursten sonst noch.«
Ich saß bestimmt schon eine Stunde an Inas Bett, als Bastian die Äuglein öffnete. Er wimmerte kurz und Ina knöpfte sofort ihr Nachthemd auf. Tatsächlich fing der Kleine zu suchen an. Ina führte das winzige Köpfchen zu ihrer Brustwarze und er nuckelte etwas.
»Siehst Du«, Ina blickte mich an. »Das muss er noch lernen. So richtig kann er noch nichts damit anzufangen.« Nochmals führte sie den kleinen Kopf. Und diesmal saugte Söhnchen etwas länger.
Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Mich durchströmte wieder diese merkwürdige Wärme und ich empfand etwas sehr Tiefes für beide. Ich war unsagbar stolz! Mein Leben hätte ich für diesen kleinen Wurm gegeben. »Ist das nicht seltsam«, dachte ich bei mir. »Da kenn ich diesen Winzling gerade mal ein paar Stunden - und ich würde alles für ihn tun.«
Endlich konnte ich jetzt meinen Sohn auf den Arm nehmen. Aber er war vom Trinken wieder völlig geschafft und seine Augen fielen vor Erschöpfung zu. Ich küsste sein kleines pausbäckiges Gesicht.
Wie gut er roch. Und diese winzigen Fäustchen.
Eine Schwester betrat das Zimmer. »Wollen Sie Ihren Sohn in sein Bett bringen? Ich denke, dass er jetzt etwas länger schlafen wird.«
Ina stieg vorsichtig aus ihrem Bett und ich legte ihr unseren Bastian in den Arm.
»Du kannst schon aufstehen?«, fragte ich verwundert.
»Natürlich. Und schau mal, wie schlank ich wieder bin.«
Tja, von einem dicken Bauch war jetzt nichts mehr zu sehen.
Wir gingen gemeinsam zu dem Zimmer, in dem die Bettchen der Neugeborenen standen. Ich wartete vor der Tür und konnte durch die Glasscheiben zusehen, wie Ina unseren Bastian in ein kleines rollbares Bett legte und zudeckte.
Es wurde jetzt Zeit für mich nach Hause zu fahren. Das Abendbrot sollte ausgegeben werden und Ina bräuchte sicherlich auch etwas Ruhe. Sie begleitete mich noch zum Fahrstuhl.
»Heute Abend kommen Axel und einige Nachbarn vorbei. Wir werden auf Euch beide anstoßen«, sagte ich und gab ihr einen Abschiedskuss. »Bis Morgen.«
»Ja bis Morgen. Ich liebe Dich.« Die Fahrstuhlstür schloss sich.
Auf dem Rückweg machte ich noch einen Zwischenstopp an einem Supermarkt und besorgte Getränke für den Abend.
Irgendwie war das komisch. Ich war bereits 34 Jahre alt, … aber zum ersten Mal fühlte ich mich richtig erwachsen.
**********
Eine Woche später war es soweit. Ich durfte meine Familie nach Hause holen. Alles war so neu und aufregend. Nun war Bastian der Mittelpunkt unseres Daseins. Die Beziehung zwischen Ina und mir war immer noch toll. Nur eben anders. Vorher waren wir aufeinander fixiert. Und jetzt fixierten wir uns auf unseren kleinen Sohn, stellten uns selbst in die zweite Reihe. Wie hatte Ina doch einmal gesagt: »Erst mit einem Kind sind wir eine richtige Familie.« Wie recht sie doch hatte.
Wenn ich auf der Arbeit war, freute ich mich morgens bereits darauf, am Abend nach Hause zu kommen. Dann erwartete Ina mich mit Bastian auf dem Arm. Und jeden Tag entdeckten wir Neues an dem Kleinen. Mir machte es sogar Spaß die vollgekackten Windeln zu wechseln. Ina stand dann dabei und achtete darauf, dass ich auch alles richtig machte. Wenn ich ihn anschließend eingecremt hatte, fand ich es wunderschön, meine Nase an Bastians weichem runden Babybauch zu reiben. Ihm schien es auch zu gefallen, er gluckste dann immer.
Wie gut so eine Babyhaut duftet! Ich küsste die knuddeligen Babyfüße und die Händchen, die langsam anfingen, sich zu bewegen. Händchen, die irgendwann versuchen würden, nach Dingen zu greifen. Ich freute mich über das erste Lachen, den suchenden Blickkontakt der kleinen klaren Äuglein nach der Mama oder dem Papa. Kleinigkeiten, die Eltern so unsagbar glücklich machen.
Aber mir war auch bewusst, welchen Anstrengungen und Belastungen Ina ausgesetzt war. Alle zwei Stunden - man konnte praktisch die Uhr danach stellen - stand unserem Knirps der Sinn nach Mamas Brust. Er wachte dann auf, krakeelte rum und gab erst Ruhe, wenn er den Nippel gefunden hatte. Anschließend war er so abgefüllt, dass er gleich wieder einschlief.
So ging es dann die erste Zeit auch jede Nacht. Dabei konnte ich ihr leider keine große Hilfe sein, denn meine Nippel waren zur Fütterung nicht geeignet. Zudem hatte ich einen ziemlich festen Schlaf.
Die ersten Wochen schlief unser Sohn noch in einer kleinen Wiege, bei uns im Schlafzimmer. Wenn das Babyschreien mich dann weckte, hatte Ina ihn bereits aus der Wiege gehoben und angelegt. Manchmal kam es mir vor, als wenn sie nur mit einem geschlossenen Auge schlief. Das musste das »Mutter-Gen« sein. Und dieses Gen war wohl dafür verantwortlich, dass es ihr scheinbar nichts ausmachte, selbst nachts nie richtig zur Ruhe zu kommen.
Auch die Routine, die Art und Weise, wie sie mit Bastian umging und ihn umsorgte, erweckte bei mir den Eindruck, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes gemacht. Sie ging in ihrer Mutterrolle vollends auf.
Am Wochenende unternahmen wir mit Kinderwagen und Hund lange Spaziergänge. Im Fernsehen lief zu der Zeit die Werbung eines bekannten Margarineherstellers. In den Spots war ebenfalls grundsätzlich wunderschönes sonniges Wetter. Und eine junge Familie (Vater, Mutter, Kind, Hund) tollte über grüne Wiesen. Anschließend saßen alle am Frühstückstisch, hatten fröhliche Gesichter und die Mutter schmierte Brotscheiben mit besagter »RAMA«-Margarine. Wenn wir spazierengingen, sagte Ina einmal: »Irgendwie sind wir wie die RAMA-Familie.«
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